Hans-Heinrich Dieter

EU vor der Zerreißprobe!   (28.06.2022)

 

Die aktuellen Krisen haben deutlich gemacht, dass die EU weiterentwickelt und strukturell reformiert werden muss, wenn sie an der Weltpolitik erfolgreich teilhaben und in der sich stark verändernden Welt überleben will. Das EU-Gipfeltreffen am 23./24.März hat die EU im Hinblick auf die erforderliche Weiterentwicklung und Strukturreform leider nicht vorangebracht.

Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, hat den am 23.März vorgeschalteten Westbalkangipfel mit einer gut klingenden Botschaft eröffnet: „Es besteht ein sehr entschiedener politischer Wille, den Prozess mit den Partnern im Westbalkan mit neuem Leben zu erfüllen und so eine klare und starke Botschaft zu senden.“ Die Westbalkan-Staaten haben schon zu viele gut klingende Botschaften gehört, aber über lange Jahre keine Erfolge im Hinblick auf Beitrittsperspektiven erzielt. Der Frust wächst erheblich und das Vertrauen in die EU schwindet. Dabei liegt es auch an den beitrittswilligen Ländern selbst, die es über die langen Jahre nicht geschafft haben, die strengen Aufnahmekriterien zu erfüllen und das heißt, dass sie in der Lage sein müssen, das gesamte EU-Recht und die EU-Politik für das eigene Land zu übernehmen – und sie müssen unsere Werte teilen wollen!

Beim EU-Gipfel ging es dann hauptsächlich um den Beitrittskandidaten-Status der Ukraine und der Republik Moldau. Die Präsidentin der EU-Kommission, von der Leyen, hatte die Ratsmitglieder schon vielfältig in ihrer pathetischen Art auf die anstehende Entscheidung vorbereitet Das Land gehöre zu Europa, zur europäischen Familie, man wolle sie dabeihaben: „Wir wollen, dass sie mit uns den europäischen Traum leben!“ Und so waren letztendlich alle 27 EU-Mitgliedstaaten für die Zuerkennung des EU-Beitrittskandidaten-Status an die Ukraine und an Moldau. Das ist sicher ein positives Signal an die kriegsgeschüttelte Ukraine und an die möglicherweise kriegsbedrohte Republik Moldau. Aber dieses Signal ist natürlich verbunden mit umfangreichen finanziellen Unterstützungsleistungen, nicht nur für den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg, sondern auch für das sehr langwierige Heranführen der Beitrittskandidaten an die Erfüllung der umfangreichen Beitrittskriterien. Und dabei muss klar sein, dass es weder für die Ukraine noch für Moldau einen „Expressbeitritt“ geben darf, schon um den Unmut der Westbalkanstaaten nicht noch zu vergrößern.

Die EU hat sich in eine Schuldenunion und teilweise in Richtung einer Fiskal- und Transferunion entwickelt. Die enormen Schulden werden zurückzuzahlen sein und Deutschland wird zum Hauptschuldner werden, weil die südeuropäischen Staaten mit der enormen Schuldentilgung – darunter auch sehr große Altschuldenanteile – überfordert sein werden. Das wird mehr als eine zukünftige Generation belasten. Die EU ist dabei sich zu überschulden!

Es war sehr gut, dass von der Leyen und Michel quasi als „ständige Mitglieder“ am G7-Gipfel vom 26.-28.06. teilgenommen haben. Das entspricht der – auch mit dem Ukraine-Krieg – gewachsenen Bedeutung der EU und macht die Geschlossenheit der 7 führenden demokratischen Wirtschaftsmächte mit der europäischen Wirtschafts- und Wertegemeinschaft sichtbar. Aber auch dieser Gipfel ist zwangsläufig mit großzügigen Zusagen verbunden. US-Präsident Biden hat ein globales Infrastruktur-Programm mit einem Volumen von ca. 600 Milliarden US-Dollar bis 2027 angekündigt, mit dem das chinesische Projekt einer globalen Neuen Seidenstraße gekontert werden soll, um weitere Abhängigkeiten westlicher Staaten von China einzuhegen. Von der Leyen versprach umgehend, dass die EU 300 Milliarden Euro für diese G7-Investitionsinitiative bereitstellen werde. Die Ãœberschuldung wächst, dabei braucht die EU alle Kraft und Mittel, um selbst handlungsfähig zu werden!

Und Putin begleitet das G7-Treffen in Elmau mit erneuten Raketen-Angriffen auf Kiew und auf zivile Ziele, darunter ein Supermarkt mit zahlreichen Toten und Verletzten. Und der Aggressor Putin hat nun auch bei einem Treffen mit dem belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko ankündigt, dass Russland „in den kommenden Monaten“ das Raketensystem Iskander-M, das auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden kann, an Belarus liefern wird. Darüber hinaus sagte Putin Lukaschenko zu, bei der Aufrüstung belarussischer Kampfflugzeuge zu helfen, damit diese künftig ebenfalls Atomwaffen transportieren können. Das ergänzt das ständige „Spielen“ des Völkerrechtsbrechers Putin mit dem möglichen Einsatz von taktischen Atomwaffen. Das sollte der EU zu denken geben. Es geht in der Zukunft um eine regelbasierte Bemühung der Nuklearmächte USA mit NATO, China und Russland um ein möglichst konfliktfreies globales Zusammenleben und die zumindest abgestimmte Bewältigung globaler Probleme wie die Klima-Krise. Weil bei dieser Entwicklung die glaubhafte nukleare Abschreckung weiterhin die entscheidende Grundlage für konfliktfreies Zusammenleben sein wird, kann die nur eingeschränkt handlungsfähige und im Hinblick auf militärische Fähigkeiten unbedeutende EU mittelfristig keine entscheidende Rolle spielen – auch weil die überschuldete EU mittelfristig keine wirksame militärische Autarkie und schon überhaupt keine glaubhafte nukleare Abschreckung aufbauen kann.

Deswegen wird nur eine EU-NATO-Kooperation - zusammen mit den USA – mit werteorientierter, konsequenter, multilateral ausgerichteter und gemeinsamer Politik Erfolg haben und sich international gestaltend auswirken können. Und für eine erfolgreiche EU-NATO-Kooperation muss sich die EU endlich strukturell reformieren und außenpolitisch handlungsfähig machen. Darüber hinaus darf sich die EU nicht weiter überschulden und mit untauglichen Mitgliedern überdehnen!

(28.06.2022)

 

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