Hans-Heinrich Dieter

EU-Zukunftskonferenz   (04.05.2022)

 

Nach mehr als einem Jahr Arbeit hat sich die aus 800 zufĂ€llig ausgelosten BĂŒrgerinnen und BĂŒrgern der EU bestehende Konferenz zur Zukunft Europas auf eine AbschlusserklĂ€rung verstĂ€ndigt. Es ging hauptsĂ€chlich um die Frage, wie die EuropĂ€ische Union handlungsfĂ€higer werden kann.

Die aktuellen Krisen haben deutlich gemacht, dass die EU weiterentwickelt und strukturell reformiert werden muss, wenn sie an der Weltpolitik erfolgreich teilhaben und in der sich stark verĂ€ndernden Welt ĂŒberleben will. Da war es eine gute Idee, EU-BĂŒrger einzubeziehen. Und die 325 konkreten VorschlĂ€ge, auf die sich die Zukunftskonferenz verstĂ€ndigt hat, zeigen, dass sich die Arbeit mehr als gelohnt hat.

So verlangen die EU-BĂŒrger unter anderem mehr Klimaschutz, europĂ€ische Mindestlöhne, eine nachhaltige Landwirtschaft, grĂ¶ĂŸere Befugnisse fĂŒr BrĂŒssel in der Gesundheitspolitik oder auch mehr gemeinsame Zukunftsinvestitionen. Und es wurden auch sehr grundsĂ€tzliche VorschlĂ€ge zur VerstĂ€rkung der EU-Demokratie vorgebracht, wie zum Beispiel das Recht des EU-Parlaments, Gesetzgebungsverfahren zu starten - was bisher der EU-Kommission vorbehalten ist. Oder auch die Forderung, das Einstimmigkeitsprinzip durch Mehrheitsentscheidungen zu ersetzen und damit nationale Mitgliedstaaten-Vetos abzuschaffen.

Vertreter der Mitgliedstaaten, Abgeordnete des EU-Parlaments und auch der EU-Kommission waren mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Allerdings mĂŒssen natĂŒrlich fĂŒr solche grundlegenden Reformen die EU-VertrĂ€ge geĂ€ndert werden und ein EuropĂ€ischer Verfassungskonvent soll den Weg dafĂŒr ebnen. Am Europatag, dem 9. Mai, soll die AbschlusserklĂ€rung der EU-Zukunftskonferenz dem amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Macron, EU-Kommissionschefin von der Leyen und EU-ParlamentsprĂ€sidentin Metsola ĂŒbergeben werden.

Und dann kommen schwere Aufgaben auf die EU zu, denn die Vertreterin des ungarischen Parlaments in der Konferenz, Hajnalka Juhasz, hĂ€lt die AbschlusserklĂ€rung schon jetzt fĂŒr unannehmbar – insbesondere, weil die Abschaffung der Einstimmigkeit bei EU-Entscheidungen inakzeptabel sei. Und auch die Vertreter der polnischen Regierungspartei PiS in der EVP-Fraktion haben die Zukunftskonferenz aus Protest gegen das Abschlusspapier verlassen - und halten den gesamten Prozess fĂŒr gescheitert. Diese Haltung der nationalistischen und unsolidarischen EU-Quertreiber Ungarn und Polen verwundert nicht – darf aber nicht lĂ€nger geduldet werden.

Wir brauchen eine ĂŒberlebensfĂ€hige und handlungsstarke EU. Das erfordert aber weniger euphorische Reden zur Weiterentwicklung auf der Basis der derzeitigen Struktur, sondern echte Struktur-Reformen, um die EU wirklich handlungsfĂ€hig zu machen und deswegen wollen die BĂŒrger ĂŒberzeugt werden, dass die EU ĂŒber die dringend notwendigen Reformen wirklich bereit und in der Lage ist, die Probleme anzupacken, nachhaltig zu lösen und das Leben der EU-BĂŒrger zu verbessern. Und nun wurden die EU-BĂŒrger gefragt, sie haben konstruktiv geantwortet – und dĂŒrfen nicht enttĂ€uscht werden!

Deswegen ist es sehr gut, dass die große Mehrheit der EU-Parlamentarier den VorschlĂ€gen sehr positiv gegenĂŒbersteht. Daher muss die EU zĂŒgig damit beginnen, nationalistisch und unsolidarisch agierende Mitglieder in die Wertegemeinschaft der EU zurĂŒckzuholen. Wenn das nicht gelingt, muss sich die EU neu erfinden und mit einem Kerneuropa der leistungsstarken und solidarischen Mitglieder eine tiefer integrierte EU weiterentwickeln und den unsolidarischen Staaten eine Vollmitgliedschaft zu den neuen Bedingungen oder eine privilegierte Partnerschaft anbieten. Auf einer solchen Grundlage kann man dann auch die EU zu einem „Zentrum der wirtschaftlichen Kraft Europas in der Welt“ – und darĂŒber hinaus – weiterentwickeln!

(04.05.2022)

 

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