EU-Verteidigungsunion? (20.03.2025)
Die weltpolitische Lage zwingt auch die EU außen- und sicherheitspolitisch aktiver zu werden. Gestern hat die EU-Kommission ein 22-seitiges Strategiepapier zur verteidigungspolitischen Zukunft Europas veröffentlicht. Das Ziel wird so beschrieben: „Der einzige Weg, wie wir den Frieden sichern können, ist die Bereitschaft, diejenigen abzuschrecken, die uns Schaden zufügen wollen“. Dieses Ziel soll bis 2030 erreicht werden mit „voller Bereitschaft“ aller 27 EU-Mitgliedstaaten. Sonst bleibt das Papier eher vage und wenig detailorientiert und spiegelt die Dringlichkeit auch europäischen sicherheitspolitischen Handels nicht wirklich wider. Denn das Papier beschränkt sich auf die Schließung von Fähigkeitslücken und Unterstützung der europäischen Verteidigungsindustrie, Vertiefung des Verteidigungsbinnenmarktes und Beschleunigung der Neuausrichtung durch KI und Quantentechnologie sowie auf die Verbesserung der militärischen Mobilität und der Vorratshaltung zur Gewährleistung der Einsatzbereitschaft im Verteidigungsfall. Zweck dieser Zielsetzung ist es auch, die Abhängigkeit von den unter Trump weniger zuverlässigen USA auch in der Rüstungsbeschaffung zu reduzieren. Darüber hinaus will die EU an einer umfangreichen Ukrainehilfe festhalten.
Von einer EU-Verteidigungsunion und von einer strategischen europäischen Nuklearfähigkeit, die den amerikanischen Nuklear-Schutzschirm ersetzen könnte, ist noch nicht die Rede. Das ist gut so, denn die EU ist derzeit außen- und sicherheitspolitisch noch nicht handlungsfähig und wird in der globalen Außenpolitik zu wenig ernst genommen. Die EU ist außerdem bei außen- und sicherheitspolitischen Problemlösungen vom Einstimmigkeitsprinzip abhängig und wird diesbezüglich von EU-untauglichen Mitgliedern wie z.B. Ungarn blockiert. Darüber hinaus haben die meisten EU-Mitgliedstaaten in den Jahren vor dem verbrecherischen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und vor den zunehmenden Cyber-Attacken Putins auch gegen europäische Staaten viel zu wenig in die Verteidigungsfähigkeit ihrer Streitkräfte investiert und so ist es fraglich, ob Deutschland bis 2030 die Einsatzbereitschaft seiner Streitkräfte für die Landes- und Bündnisfähigkeit wiederherstellen kann. Und Deutschland war nicht der einzige sicherheitspolitische Trittbrettfahrer, auch die französischen und britischen konventionellen Streitkräfte sind in einem desolaten Zustand und brauchen viel Zeit und große finanzielle Anstrengungen, um konventionell kriegstüchtig zu sein. Einzig Polen hat in den letzten Jahren sehr viel für seine Verteidigungsfähigkeit getan. Es sieht also nicht so gut aus mit der sicherheitspolitischen Eigenständigkeit Europas. Immerhin hat das gemeinsame Nachdenken Fahrt aufgenommen!
Dabei wird auch immer stärker die Unabhängigkeit von den USA diskutiert. Die USA wirken im Augenblick sehr „trumpelig“, aber eine Abkehr der EU von den USA wäre verfrüht und wenig klug. Die USA sind Mitglied der NATO und vertraglich zur Zusammenarbeit verpflichtet. Ein Austritt der USA aus der NATO erfordert eine Mehrheitsentscheidung des Kongresses und die ist derzeit diesbezüglich nicht wahrscheinlich. Die USA haben in Europa eine erhebliche Anzahl von global wichtigen Führungsstäben und strategisch wichtigen Einsatzmitteln stationiert, man denke nur an die Bedeutung, die Ramstein für Militäreinsätze der USA hat. Daran wird sich so schnell nichts ändern. Und die militärische Stärke, konventionell und nuklear, die die USA zur Verteidigung Europas einsetzen könnten, ist so schnell nicht zu ersetzen. Deswegen müssen wir uns bemühen, die USA in der NATO zu halten und dürfen Unabhängigkeitsbestrebungen nicht übertreiben.
Die Wiederherstellung einer Kriegstüchtigkeit Europas und damit die Gewährleistung einer glaubhaften Abschreckung des Neo-Stalinisten Putin wird also viel Zeit brauchen und große finanzielle Anstrengungen von Europa fordern. Deswegen ist es wichtig, die Finanzen und auch das – zahlenmäßig zu gering – verfügbare militärische Fachpersonal sinnvoll einzusetzen. Daher ist eine möglichst baldige Wiederherstellung der Abschreckungsfähigkeit der EU nicht mit Parallel-Strukturen und Parallel-Streitkräften, sondern nur gemeinsam mit der NATO zu erreichen. Zusammen mit der NATO könnte eine „EU-Koalition der Willigen“ die Verteidigungsfähigkeit Europas schneller und effizienter wiederherstellen. Darüber hinaus wäre Großbritannien mit seinen Nuklearfähigkeiten einbezogen. Und über eine Steigerung der nuklearen Teilhabe der „willigen EU-Staaten“, die auch NATO-Mitglieder sind, wäre eine hinreichende Abschreckung Russlands zu gewährleisten.
Nur gemeinsam werden wir stark!
(20.03.2025)
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