Kriegstüchtiges Europa (18.02.2025)
Jean Claude Juncker hat im Dezember 2019 die Europäische Union in einem desolaten Zustand an Ursula von der Leyen übergeben. Seitdem wurde durchaus einiges geleistet. Die Pandemie wurde ziemlich erfolgreich gemanagt, die Bewältigung der Klimakrise wurde mit dem Green Deal in Angriff genommen und im Ukraine-Krieg hat die EU weitgehend gemeinsam gehandelt und die Ukraine stark unterstützt. Darüber hinaus wurde viel angekündigt aber wenig erreicht.
Wie so häufig bei der EU hat man weiterhin den Eindruck, dass mit vollmundigen Reden positives Denken initiiert und Hoffnung erzeugt werden sollen, um von der weiterhin desaströsen Lage der EU, die durch Spaltungstendenzen, durch unsolidarisches Verhalten zunehmend nationalistisch ausgerichteter Mitgliedstaaten und durch strukturelle Entscheidungs- und Handlungsunfähigkeit gekennzeichnet ist, abzulenken.
Es ist gut, dass die EU jetzt mit Kaja Kallas eine leistungsfähige und mutige Außenbeauftragte hat, es fehlt aber bis heute eine gemeinsam definierte Außen- und Sicherheitspolitik als Rahmenbedingung einer erfolgreichen europäischen Außenpolitik. Die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit ist zudem durch die erforderliche Einstimmigkeit bei außenpolitischen Entscheidungen und die sich verstärkenden nationalistischen und unsolidarischen Tendenzen einiger Mitgliedstaaten – allen voran Ungarn und die Slowakei - sehr stark eingeschränkt. Und der Brexit wirkt immer noch belastend nach. Darüber hinaus sind die Migrations- und Asylpolitik und der Schutz der EU-Außengrenzen nicht hinreichend geregelt und bisher keine Grundlage für gemeinsames, erfolgreiches Handeln der Mitgliedstaaten.
Und die Lage in den Mitgliedsländern macht auch keine große Hoffnung für eine gute Zukunft. Deutschland als – noch - wirtschaftsstärkste europäische Mittelmacht spricht zwar immer davon, mehr Verantwortung auch in der Sicherheitspolitik übernehmen zu wollen, schafft aber dafür nicht die erforderlichen Grundlagen. Deutschland verfügt nicht über eine definierte außenpolitische Zielsetzung und hat auch keine tragfähigen Strategien für sicherheitspolitisches Engagement entwickelt. Deutschland hat seine Streitkräfte über Jahre unterfinanziert und kann mit dem „Sanierungsfall“ Bundeswehr die Verpflichtungen gegenüber der NATO derzeit nur sehr eingeschränkt erfüllen. Und Deutschland hat keine klaren Vorstellungen, wie und in welche Richtung es die Weiterentwicklung der EU unterstützen will. Das sehr hoch verschuldete Frankreich hat einen vollmundigen Präsidenten, der aber hinsichtlich der Reform der französischen Wirtschaftsstruktur sehr wenig erreicht hat und der sich mit seiner Politik nicht gegen die starken sozialistischen und nationalistischen Außenflügel durchsetzen kann und daher sehr stark an Rückhalt verloren hat. Frankreich ist derzeit nur eingeschränkt handlungsfähig. Die gut klingenden Vorschläge, die Macron gelegentlich macht, sind stets nur mit sehr großem Engagement anderer Mitgliedstaaten – allen voran Deutschland - zu realisieren. In der Außen- und Sicherheitspolitik verfolgt Frankreich erkennbar stark Eigeninteressen. La Grande Armee verfügt zwar über Nuklear-Fähigkeiten und auch über maritime Interventionsmöglichkeiten, aber nur von regionaler Qualität und unzureichender Abschreckungswirkung gegenüber Russland. Der deutsch-französische EU-Motor läuft schon lange aufgrund von „Fehlzündungen“ unrund.
Und so wurde nun im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg offenkundig, dass den selbstbewussten Aussagen der EU von 2019, Europa müsse die „Sprache der Macht lernen“ und „weltpolitikfähig“ werden, bisher der gemeinsame Wille, die zielgerichtete Strategie und die Mittel sowie Fähigkeiten fehlen, die Ordnung der Charta von Paris wiederherzustellen. Und trotzdem redet die in vielerlei Hinsicht heterogene und auch uneinige Europäische Union von einer richtigen europäischen Armee, die die Mitgliedstaaten auch gegen Russland verteidigen können soll. Bisher ist das eine pure Illusion und ein europäisches Wolkenkuckucksheim! Und dann kam mit den wachsenden Zweifeln an der Garantie des US-Nuklearschirms auch für Europa das Gerede über eine EU-Atombombe und eine nukleare EU-Abschreckungsfähigkeit hinzu. Eine zeitgerechte Realisierung – wenn tatsächlich gemeinsam gewollt – war und ist bisher illusorisch! (Und das magere Ergebnis des europäischen Sondergipfels gestern in Paris hat da keine wirkliche Hoffnung aufkommen lassen.)
Mit Trump-2 hat sich die Lage sehr schnell radikal verschlechtert. Trump hat die zukünftige US-Unterstützung für die Ukraine infrage gestellt, einen möglichen Deal für US-Unterstützung der Ukraine gegen seltene Erden aus der Ukraine ins Gespräch gebracht, im Falle erfolgreicher Friedensverhandlungen eine Friedenssicherung mit Hilfe von US-Truppen verneint und hat eine zukünftige Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO abgelehnt. Europa hat er quasi verpflichtet, die zukünftige Unterstützung der Ukraine ohne die USA zu leisten, und falls eine Friedenssicherung erforderlich sein sollte, diese ausschließlich mit europäischen Truppen zu gewährleisten.
Aber wie soll die EU das leisten können?
Die EU ist und bleibt zerstritten, sie ist weiterhin gespalten und spricht mit vielerlei Stimmen. Die EU hat kein gemeinsames außenpolitisches Konzept und deswegen auch keine gemeinsamen Vorstellungen, was sie zur Unterstützung der kriegsgeschwächten Ukraine – und möglichen späteren Friedenssicherung - leisten und langfristig auch für Israel und den Nahen Osten erreichen will. Dabei möchte die Europäische Union ein international anerkannter und wirksamer Machtfaktor sein, aber bisher fehlt es ihr an „Weltpolitikfähigkeit“, und das in Zeiten, wo die blockierte UNO als weltpolitischer Akteur immer stärker an Gewicht und Einfluss verliert. Und wenn man in Kriegs- und Krisenzeiten Vorschläge machen will, dann muss man als wirkliche Gemeinschaft glaubwürdig und inzwischen auch kriegstüchtig sein. Bevor man sich in der EU aber sinnvoll und mit Aussicht auf langfristigen Erfolg um Kriegstüchtigkeit bemühen kann, muss die EU außen- und sicherheitspolitisch handlungsfähig werden!
Dazu muss die EU ihre Struktur grundlegend ändern und sich zu einer tiefer integrierten „Kern-EU der Willigen und Solidarischen“ entwickeln. Die bisher angestrebte Erweiterung durch Putin-pudelige Staaten wie Serbien wäre da kontraproduktiv. Die EU muss außen- und sicherheitspolitisch noch enger mit der NATO zusammenarbeiten. Gleichzeitig darf die EU sich nicht abschotten, sondern muss eine enge politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit einer „tiefer integrierten Kern-EU“ mit europäischen Partnern auf der Grundlage von Verträgen gewährleisten.
Nur eine handlungsstarke und zunehmend konventionell und nuklear kriegstüchtige EU wird geopolitisch ernst genommen werden – auch von Putin und Trump. Wenn die EU und der europäische Teil der NATO den USA zum Beispiel bei zu lösenden Krisen mit China oder im Südpazifik den Rücken sicherheitspolitisch freihalten kann, dann wird Trump oder sein Nachfolger auch wieder an einer Zusammenarbeit mit Europa interessiert sein. Von einem kriegstüchtigen Europa sind wir aber noch entfernt. Die durch den aggressiven und kriegsverbrecherischen Neo-Stalinisten Putin verursachte und durch Trump verstärkte gefährliche sicherheitspolitische Lage Europas zwingt aber zu strategischer Zukunftsplanung und zum sicherheitspolitischen Handeln, um Frieden und Freiheit zu erhalten. Putin ist nur durch Stärke und Konsequenz zu überzeugen, abzuschrecken und ggf. militärisch zu besiegen!
Frieden in Freiheit und Sicherheit in Europa sind jede Anstrengung wert!
(18.02.2025)
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