Hans-Heinrich Dieter

Deutsche Zeitenwende!   (03.03.2023)

 

Bei der Sondersitzung des Deutschen Bundestages am 27.02.2022 haben der Deutsche Bundestag und die deutschen Bürger einen staatsmännischen Auftritt des Kanzlers Scholz erlebt. Er sprach von einer „Zeitenwende“, ausgelöst durch den völkerrechtswidrigen Angriff des kriegslüsternen Putin auf den souveränen europäischen Staat Ukraine. Er verurteilte den Kriegsverbrecher Putin, den Bruch des Völkerrechtes und den Verstoß gegen die UN-Charta – und er kündigte eine 180° Kehrtwende in der deutschen Politik an!

Viele Medien lobten damals den „Staatsmann“ Scholz und seine historische Kehrtwende. Etwa ein Jahr später, am 02.03.2023 gab Scholz erneut eine Regierungserklärung vor dem Bundestag ab, um eine Bilanz der „Zeitenwende“ zu ziehen. Diese Bilanz ist objektiv betrachtet durchwachsen. Denn Deutschland und die „Ampel“ taten sich schwer, mit der 180° Kehrtwende in der deutschen Politik. Aber Deutschland hat die EU und die NATO dabei unterstützt, den so wichtigen Zusammenhalt in der Phase multipler Krisen zu stärken, und hat mitgeholfen, dass die Ukraine durch humanitäre, finanzielle und militärische Unterstützung gegenüber dem russischen Aggressor nach wie vor weitaus widerstandsfähiger ist als erwartet. Deshalb war es durchaus angemessen von Kanzler Scholz, die Regierung, aber auch andere Akteure - darunter die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr - für ihr Handeln zu loben. Dabei klang auch immer eine gute Portion Eigenlob mit und die Schattenseiten blendete er wie gewöhnlich aus. Immerhin, die Ukraine existiert noch dank eines westlichen Bündnisses, das in EU und NATO trotz aller Unterschiede im Detail zusammensteht gegen den brutalen und imperialistischen Aggressor Russland.

Für mich als konservativ-liberaler Verfassungspatriot und ehemaliger Staatsbürger in Uniform war bei der Regierungserklärung 2022 der sicherheitspolitische Anteil an der 180° Kehrtwende besonders interessant. Kanzler Scholz hat sich damals zur Bedeutung der Bundeswehr für unsere Sicherheit und für uns als Mitglied der NATO bekannt. Er hat zur Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der jahrelang unterfinanzierten Streitkräfte der Bundeswehr ein „Sondervermögen“ in Höhe von 100 Milliarden Euro zugesagt, den Willen bekundet, bis 2024 die „Zwei-Prozent-NATO-Vereinbarung“ realisieren und nach 2024 jährlich mehr als 2% vom BIP in Verteidigungsfähigkeit investieren zu wollen. Das machte mich damals froh und geradezu glücklich, weil die Soldaten der Bundeswehr es verdient haben, für ihre Auftragserfüllung erfolgversprechend ausgerüstet zu sein und weil wir die Bundesrepublik Deutschland und unsere Partner im Rahmen der NATO angemessen mitverteidigen können müssen – und weil wir das verlorene Vertrauen in der NATO sowie der EU und unsere politische Glaubwürdigkeit zurückgewinnen mussten!

Da war es sehr gut, dass der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende den russischen Angriff auf die souveräne Ukraine, auf die Freiheit und die Demokratie in Europa rhetorisch exzellent, pointiert und angemessen scharf verurteilt und angesichts der neuen Lage „Krieg in Europa“ eine neue Außen- und Sicherheitspolitik gefordert hat. Und Merz hat angekündigt, dass die CDU/CSU-Opposition zukünftige Ampel-Bemühungen zur Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr unterstützen wird. Das gab Hoffnung!

Erfreulich war auch, dass Finanzminister Lindner seine Meinung geändert und schon bei der Sondersitzung des Bundestages 2022 seine volle Unterstützung für das gigantische „Sondervermögen Bundeswehr“ und die Erhöhung des Verteidigungshaushaltes im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung zugesagt hat. Auch das gab Hoffnung. Und diese Hoffnung wurde nicht enttäuscht, denn das „Sondervermögen“ für die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte wurde Mitte 2022 gesetzlich verankert. Andere Aussagen von Scholz 2022 blieben eher Ankündigungen, denen unzureichende Taten folgten.

Scholz blieb auch in der Zeitenwende eher blass, unentschlossen, wenig sagend oder schlecht kommunizierend – ein Zauderer und Zögerer, der sich vom fatalen merkelschen „Weiter-so-Stil“ noch nicht ganz gelöst hat. Mit verzögerten Waffenlieferungen und sehr später Freigabe der Leopard-Lieferungen hat er die Widerstandsfähigkeit der Ukraine zeitweilig beeinträchtigt und das Vertrauen der NATO-Mitglieder in Deutschland weiter geschwächt. Scholz hat sich mehrfach als „Führer“ aufgespielt und ist ein Getriebener geblieben. Aber wie sagt der ehemalige Wehrbeauftrage Bartels richtig: „Die deutsche Realität ist: Es geht nicht schnell. Nichts geht schnell!“

Und die „Nachrüstung“ der von Merkel mit der GroKo zur „Investitionsruine“ kaputtgesparten Bundeswehr durch Teile des „Sondervermögens“ ist bisher ein Trauerspiel. Das liegt natürlich nicht nur an Scholz, sondern auch an dem überbürokratisierten Beschaffungswesen und an der von Scholz ausgesuchten völlig unfähigen und unbrauchbaren ehemaligen „Verteidigungs-Auszubildenden“ Lambrecht. Scholz hätte aber angesichts des offensichtlichen Versagens von Lambrecht Sicherheitspolitik sehr viel früher zur Chefsache erklären oder einen früheren Personalwechsel vollziehen müssen. Darüber hinaus hat Scholz die SPD insbesondere in Fragen der „Aufrüstung“ nur mit Teilen hinter sich. Die Mützenichs, Platzeks, Schwesigs, Schröders, Eskens´ und Kühnerts schießen quer. Die grünen Fundamentalisten halten dagegen. Die AfD pöbelt wie gewohnt. Und die Linke äußert sich sehr scharf kritisch. Scholz hat die Lage nicht im Griff - Führen geht anders!

Und die Realität der Finanzplanung des Bundestages zerstört die Hoffnungen endgültig und zeigt brutal, wie unehrlich und unglaubwürdig Scholz tatsächlich ist. Denn der Verteidigungshaushalt von 50,33 Milliarden Euro für 2022 wurde für das Jahr 2023 auf 50,1 Milliarden Euro abgesenkt. Und die mittelfristige Finanzplanung verstetigt diese Summe für die Folgejahre. Das heißt, dass im neuen Verteidigungshaushalt 16 Milliarden Euro fehlen, um das vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel der NATO zu erreichen. Nicht nur der Kanzler ist da unehrlich und unglaubwürdig, sondern Deutschland bleibt mit diesen Planungen ein sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer und beschädigt seine Glaubwürdigkeit in der NATO sowie in der EU und verliert weiter an Vertrauen. Das sind schlimme politische Auswirkungen in einer Zeit, wo es darauf ankommen muss, dass die Mitglieder der NATO aber auch der EU solidarisch zusammenstehen und ihre vereinbarten Verpflichtungen verantwortungsbewusst erfüllen.

Dazu kommt, dass Deutschland - mit anderen NATO-Mitgliedern zusammen - die NATO-Vorgaben, dass Gefechtsmunition als 30-Tagevorrat zu halten ist, seit Jahren nicht erfüllt. Um diese Vorgaben aber erfüllen zu können, wird das deutsche Investitionsvolumen bis 2031 auf rund 20 Milliarden Euro geschätzt. Derzeit reichen die Vorräte für wenige Tage oder, je nach Munitionstyp, auch nur wenige Stunden. Und die Munitionsabgaben an die Ukraine verschärfen natürlich das Problem. Wenn die Politiker Aufträge wie die Verstärkung der Ostflanke der NATO jeweils ernst nehmen würden, dann dürften sie die Truppe nicht in den Einsatz schicken – und die militärische Führung müsste die erforderliche, an möglichen scharfen Gefechtseinsätzen orientierte Munitionsausstattung vor Einsatzbeginn gewährleisten. Das geht nur mit großen finanziellen Anstrengungen. Auf der Grundlage der entschiedenen Finanzplanung wird das Heer also „mehr oder weniger blank“ bleiben und der Luftwaffe und auch der Marine wird es nicht viel besser gehen! Hier versagt Deutschland!

Erfolgreicher war die Bundesregierung im Jahr der multiplen Krisen 2022 allerdings bei der Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen: Keine Massenarbeitslosigkeit, keine Massenarmut, keine Blackouts. Auch dafür muss die Ampel ungezählte Milliarden aufwenden. Die konkurrierenden Preise für die „Zeitenwende“ sind sehr hoch. Das reduziert die Bereitschaft der deutschen Bevölkerung, die Kosten der „Zeitenwende“ - einschließlich der für noch nicht absehbare Zeit erforderlichen Unterstützung für die Ukraine – klaglos mitzutragen.

Scholz sagte in seiner Regierungserklärung 2022: „Klar ist, wir müssen deutlich mehr investieren in die Sicherheit unseres Landes, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen. Das ist eine große nationale Kraftanstrengung. Das Ziel ist eine leistungsfähige, fortschrittliche, hochmoderne Bundeswehr, die uns zuverlässig schützt.“

Tatsache ist, dass der Neostalinist und aggressive Imperialist Putin die „Sowjetunion“ revitalisieren will und so die freie Welt, Europa, und Deutschland herausfordert. Wir müssen alle zusammen – die UN, die NATO mit der Führungsmacht USA, die EU und Deutschland – geschlossen und solidarisch diese Herausforderung ernst- und annehmen, denn es geht um Frieden in Freiheit!

Dazu gehört dass Deutschland die Scholz-Ankündigungen von 2022 konsequent in Taten umsetzt, denn es wird auf Dauer keinen Frieden geben ohne eigene Verteidigungsfähigkeit!

(03.03.2023)

 

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