Hans-Heinrich Dieter

Naiv-pazifistisches Deutschland   (26.02.2022)

 

Im Zusammenhang mit der Ukraine-Russland-Krise wird Deutschlands außen- und sicherheitspolitische Schwäche für die USA, die NATO und die Europäische Union sehr deutlich. Putin kennt unsere Schwächen schon, auch aufgrund der ausgeprägten deutschen Anbiederung an den autokratischen Neo-Stalinisten auf der Grundlage der naiven Vorstellung, „Wandel durch Handel“ erreichen zu können. Das hat Putin – intensiv unterstützt durch Merkel, den Putin-Lakaien Schröder und die Putin-Versteher-Partei SPD - weidlich ausgenutzt und eine große deutsche Abhängigkeit von Russland, insbesondere bei der Energie-Versorgung, erwirkt – allerdings ohne sich und Russland in Richtung Demokratie zu wandeln!

Inzwischen wird Deutschland von seinen Partnern als naiv und russlandabhängig verspottet und die Ukraine bezeichnet Deutschland als unsolidarisch bis kaltherzig. Der Spott und die Enttäuschung sind durchaus begründet.

Jetzt wo in Europa entgegen aller Illusionen Krieg herrscht, wiegt es da eigentlich noch schwerer, wenn Deutschland auch schon mal als unzuverlässige Lachnummer verhöhnt oder als sicherheitspolitischer Zwerg und Trittbrettfahrer bezeichnet wird. Denn hier geht es darum, dass wir als NATO-Mitglied unglaubwürdig sind und massiv an Vertrauen verloren haben. Aber auch diese Kritik ist berechtigt, denn nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und der Sowjetunion sah sich Deutschland „von Freunden umzingelt“ (Bundespräsident Rau,SPD), glaubte an eine Friedensdividende, die es zu nutzen galt und hat die Bundeswehr in den 16 Merkel-Jahren – unterstützt durch die Finanzminister – zum Sanierungsfall kaputtgespart. Nach der Wiedervereinigung hat Deutschland die NATO-Verpflichtungen in Bezug auf die Landes- und Bündnisverteidigung gem. Artikel 5 des NATO-Vertrages mehr und mehr vernachlässigt und sich ausschließlich auf Auslandseinsätze ohne Kampfauftrag ausgerichtet. Das war sicherheitspolitisch nicht nur naiv, sondern schon grob fahrlässig!

Auch bei der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 durch Russland und beim Kriegsausbruch in der Ukraine ist Deutschland nicht aus seiner Naivität und Putin-Pudeligkeit aufgewacht. Die NATO hingegen nahm den russischen Völkerrechtsbruch zum Anlass, das beim NATO-Gipfel 2002 in Prag im Beisein von Verteidigungsminister Peter Struck, SPD, erstmals formulierte Zwei-Prozent-Ziel (BIP), 2014 beim NATO-Gipfel in Wales im Beisein von Bundesaußenminister Steinmeier, SPD, zu erneuern und gemeinsam zu bekräftigen. Konkret wurde in Wales beschlossen, dass die NATO-Staaten „darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent Investitionen zuzubewegenund mindestens 20 Prozent davon in „neues Großgerät einschließlich damit zusammenhängender Forschung und Entwicklung“ zu investieren. Deutschland hat sich an diese gemeinsame Vereinbarung nicht gehalten und wird dieses Ziel bis 2024 gemäß mittelfristiger Finanzplanung auch nicht erreichen. Ein beschämender Vertrauensbruch!

Aufgewacht ist nur das Verteidigungsministerium, hat 2016 ein neues Weißbuch vorgelegt und darin z.B. zum Ausdruck gebracht, dass die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr in der Landes- und Bündnisverteidigung nach NATO-Kriterien mit drei einsatzbereiten Heeresdivisionen bis 2031 wiederhergestellt werden soll. Diesem Ziel ist die Bundeswehr aber nur geringfügig nähergekommen und die derzeitige mittelfristige Finanzplanung ist keine Grundlage für die Zielerreichung. Deutschland wird auf der Grundlage der derzeitigen Finanzplanung ein sicherheitspolitischer Gartenzwerg und Trittbrettfahrer bleiben müssen. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr leisten den Eid, „der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“! Deutschland hat daher die Pflicht, seine Soldaten für eine erfolgreiche Auftrags- und Pflichterfüllung zu befähigen - und wird dieser Pflicht seit Jahren nicht gerecht. Da fällt es auch patriotisch eingestellten Soldaten richtig schwer, „treu zu dienen“ angesichts des fortgesetzten Treuebruchs durch das Heimatland!

Und so empfinden die Soldaten nicht nur die Geringschätzung durch die Mehrheit der Bevölkerung als wenig attraktiv und demotivierend, sondern auch die Tatsache, dass sie durch Personal- und Materialmangel an bestmöglichem Dienst für Deutschland gehindert wurden. Dabei geht es heute nicht mehr nur um „kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“, heute geht es für die Soldaten der Bundeswehr um „kämpfen müssen“ und da sollte man von seinem Land, dem man dient, gute Rahmenbedingungen für den Erfolg und von der Gesellschaft, deren Recht und Freiheit man bereit ist zu verteidigen, Rückhalt und Wertschätzung erwarten können. Tatsache ist allerdings, dass das deutsche Parlament „seine Parlamentsarmee“ unzureichend ausgerüstet und ohne klares Konzept und ohne Strategie in Auslandseinsätze geschickt hat. Das ist schlimmer als unfreundliches Desinteresse, das ist „verantwortungsloses Desinteresse“!

Die Bundeswehr ist keine geachtete und geschätzte, sondern eine in Deutschland von einer naiv-pazifistischen, antimilitärisch eingestellten und sicherheitspolitisch ungebildeten Gesellschaft eher „geduldete Armee“! Wenn Politiker und Parlamentarier das Vertrauen unserer EU- und NATO-Partner sowie das Vertrauen der deutschen Soldaten in unser Staatswesen ernsthaft zurückgewinnen wollen, ist starkes, nachhaltiges und zukunftsorientiertes – finanziell garantiertes – Engagement gefordert!

Diese Forderung wird mehr und mehr Politikern im Rahmen der russischen Invasion in die Ukraine und im Zusammenhang mit dem „Neuen Kalten Krieg“ in Europa deutlich. Und damit dieser Krieg „kalt“ bleibt, braucht Europa mit den USA als Transatlantische Verteidigungsgemeinschaft eine militärische Einsatzfähigkeit, die das aggressive, großmachtduselige Russland glaubhaft abschreckt. Ciceros Spruch „si vis pacem para bellum“ wird wieder bedeutsam, weil die Illusion „Frieden schaffen ohne Waffen“ kläglich zusammengebrochen ist!

Selbst der luschige Kanzler Scholz begreift angesichts der irrsinnigen Kriegstreiberei Putins die Bedeutung der NATO und des deutschen Beitrages zum Transatlantischen Verteidigungsbündnis und betonte, dass die Bundesregierung für die optimale Ausrüstung der Bundeswehr sorgen werde: „Die Fähigkeiten, die dafür erforderlich sind, müssen wir aufbringen. Und, ja, das gilt auch für Deutschland … Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen können, Soldatinnen und Soldaten, die optimal ausgerüstet sind für ihre gefährlichen Aufgaben – das muss ein Land unserer Größe, das besondere Verantwortung trägt in Europa, leisten können. Das schulden wir auch unseren Verbündeten in der NATO.“ Ja kennt der Kanzler denn nicht die reale Lage der kaputtgesparten Bundeswehr und weiß er denn nicht, wie unglaubwürdig er sich mit solchen Sprüchen einbringt?

Bundesfinanzminister Lindner von der FDP, der zunächst in Ampeltreue zum Ausdruck gebracht hat, dass die Verteidigungsausgaben zunächst nicht erhöht werden sollen, hat inzwischen – möglicherweise geistig unterstützt durch die leistungsfähige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Strack-Zimmermann - auch große Sorge um die Wehrfähigkeit der Bundeswehr geäußert und einen höheren Verteidigungsetat angekündigt. Ähnlich hat sich nun sogar auch Bundeswirtschaftsminister Habeck von den Grünen geäußert. Dem widersprach allerdings der SPD-Fraktionschef Mützenich: „Wir werden der Bundeswehr alles zur Verfügung stellen, was sie für ihren Auftrag benötigt. Aber immer noch mehr Aufrüstung kann nicht die Antwort sein. … klüger wäre es, in Europa endlich unsere militärischen Kräfte zu bündeln.“ Da diffamiert dieser putin-pudelige Sozi die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit heruntergesparter Verbände der deutschen Streitkräfte als „Aufrüstung“ (da fehlt nur noch: die der russische Präsident als bedrohliches Säbelrasseln für Fortsetzung der Landnahme als bedrohlich empfinden muss!). Wie kann ein Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag sich so unwissend, so unintelligent oder gar so verlogen und putin-propagandistisch äußern?

Die Nato hingegen hat ihre Mitgliedstaaten aufgefordert, weitere Krisenreaktionsmaßnahmen auszulösen, die sogenannten „Crisis Response Measures“, ein Maßnahmenkatalog der NATO für den Krisenfall. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte dazu in Brüssel, dass das Bündnis seine Verteidigungsmaßnahmen zu Lande, im Wasser und in der Luft verstärkt habe. „Wir haben über 100 Jets in höchster Alarmbereitschaft, die unseren Luftraum schützen. Und mehr als 120 alliierte Schiffe auf See, vom Hohen Norden bis zum Mittelmeer.“ Dazu kann Deutschland derzeit nur geringfügig beitragen! Die Bundeswehr ist allerdings vorbereitet und erhöht weiter ihre Bereitschaft – mit schlechtem Gewissen!

Verteidigungs-Ministerin Lambrecht geht – wohl ohne schlechten Gewissens - fest davon aus, dass die NATO weitere Anforderungen an die Bundeswehr stellen wird. „Wir werden diesen Anforderungen dann auch nachkommen!“ Eine Verlegung der Kräfte sei allerdings bislang noch nicht beschlossen. Wie diese Anforderungen erfüllt werden sollen, weiß die sicherheitspolitische Azubi Lambrecht allerdings nicht!

Der deutsche pazifistische Idealismus ist ein fataler Irrtum und ein Versagen der politischen Nach-Wiedervereinigungs-Generation. Und die Hoffnung, dass ein Neuanfang realpolitisch vernünftiger Außen- und Sicherheitspolitik mit den derzeit bundespolitisch tätigen Verantwortungsträgern gelingt, kann nicht sehr ausgeprägt sein! Und Lambrecht hat offensichtlich das „Zeug“, die schlechteste unserer erfolglosen Verteidigungsminister zu werden. Da muss man sich Sorgen um den Zustand der Bundeswehr machen. Und mir tun die Soldatinnen und Soldaten leid, die unter solchen Bedingungen an der NATO-Ostflanke – wohl für längere Zeit - eingesetzt werden!

Ich hoffe für – immer noch - „meine“ Bundeswehr, dass sie die Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft bis 2031 leisten kann!

(26.02.2022)

 

 

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