Hans-Heinrich Dieter

Treffen der Autokratenfreunde   (06.08.2022)

 

Putin machte die hässliche Fratze des russischen Sozialismus in den letzten Jahren durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, durch die russische hybride Kriegsführung in der Ostukraine und dann durch den verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine deutlich sichtbar. Russland unterstützt in Syrien Machthaber Assad aus machtpolitischen Eigeninteressen gegen die Interessen der westlichen Welt, Russland führt Cyber-Attacken gegen EU- und NATO-Staaten aus und nutzt jede Gelegenheit, um die EU und die NATO zu spalten. Das teilweise verbrecherische russische Regime ist auch verantwortlich für eine Serie von Mordanschlägen gegen Oppositionelle und Dissidenten. Der jüngste Mordanschlag gegen den russischen Oppositionsführer Nawalny hat das deutsch-russische Verhältnis zusätzlich schwer belastet. Von einer strategischen Partnerschaft der NATO, der EU oder Deutschlands kann mittelfristig keine Rede mehr sein. Putin führt jetzt einen erpresserischen Energiekrieg gegen die EU und hat sich nachhaltig zum Feind der westlichen Welt gemacht!

Und auch die hässliche Fratze des Islamismus wird immer deutlicher sichtbar. Erdogan hat die von Mustafa Kemal Atatürk 1923 gegründete, säkulare und an Europa orientierte Republik Türkei in einen islamischen Nationalstaat verwandelt, der sich zunehmend als Gegner der EU zu verstehen scheint und auch auf seine Mitgliedschaft in der NATO zunehmend weniger Rücksicht nimmt. Insgesamt hat die Türkei im Zusammenhang mit den Bürgerkriegen in Syrien und in Libyen ihre Außenpolitik militarisiert und sich sowohl gegen die EU als auch gegen NATO-Partner gestellt. Und im Zusammenhang mit der Migration in die EU verhält sich der Autokrat Erdogan erpresserisch.

Im aktuellen Streit zwischen der Türkei und Griechenland um den Status der griechischen Inseln sowie um Gasvorkommen und Hoheitszonen im östlichen Mittelmeer hat die Türkei sogar mit Krieg gedroht. Es ist erkennbar, dass die Türkei durch ihr hochaggressives Verhalten die Toleranzgrenzen der EU testen will. Die Europäische Union unterstützt ihr Mitglied Griechenland auf der Grundlage des Lausanner Vertrages von 1923. Bisher haben Drohungen der EU mit Sanktionen gegen die Türkei allerdings keine Wirkung gezeigt. Und die Gefahr einer militärischen Eskalation wächst. Bisher hat die EU offensichtlich noch keine konkreten Vorstellungen entwickelt, wie mit dem inzwischen hochaggressiven EU-Beitrittskandidaten Türkei umzugehen ist. Auch hier sollte die EU Charakter zeigen und handeln!

Zum völkerrechtswidrig agierenden und aggressiven Russland verhält sich die Türkei ambivalent. Einerseits verurteilt Erdogan den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, an den Sanktionen der westlichen gegen Russland beteiligt sich die Türkei aber nicht. Erdogan will sich erkennbar die Möglichkeit nicht verbauen, auf internationaler Bühne als großer Staatsmann und Vermittler aufzutreten, wie bei den jüngsten Verhandlungen über die Verschiffung von ukrainischem Getreide über das schwarze Meer. Dass auf der Grundlage des russisch-ukrainischen Getreideabkommens unter Vermittlung der Türkei allerdings weitere Verhandlungen zu einer Beendigung des Ukrainekrieges führen könnten ist Wunschdenken. Denn Erdogan ist im Vorwahljahr hauptsächlich an durch ihn erwirkte politische und wirtschaftliche Vorteile für die Türkei interessiert. Dem Möchtegern-Sultan geht es also hautsächlich um den eigenen Machterhalt. Und vielleicht will sich ja Erdogan von Putin auch seine bisher ablehnende Haltung zur Norderweiterung der NATO durch Finnland und Schweden „vergüten“ lassen!

In diesen Zusammenhängen muss man das derzeitige Treffen der Autokratenfreunde Putin und Erdogan im mondänen Badeort Sotschi einordnen. Erdogan will ein neues Kapitel im russisch-türkischen Verhältnis aufschlagen. Und hat dafür eine hochrangig besetzte Delegation mit nach Sotschi gebracht. Neben dem Außen- und dem Verteidigungsminister waren unter anderem die Minister für Energie, Handel und Finanzen und der Chef des türkischen Geheimdienstes bei den Gesprächen mit dabei. Man strebt ganz offensichtlich eine neue russisch-türkische Partnerschaft an.

Dazu gehören ein Ausbau der Handelsbeziehungen - das Handelsvolumen soll weiter auf 100 Milliarden US-Dollar steigen - und eine verstärkte Zusammenarbeit in den Feldern Wirtschaft und Energie und eine vertiefte Kooperation beider Länder in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft, Finanzen und Bau. Die Gaspipeline TurkStream bekommt eine zentrale Bedeutung und wird – laut Putin - störungsfrei betrieben werden, um nicht nur die Türkei mit Gas zu versorgen, sondern ggf. auch Europa.

Und natürlich ging es Erdogan auch um Russlands Einverständnis hinsichtlich einer erneuten völkerrechtswidrigen Invasion in Nordsyrien. Die Türkei will dort die – aus türkischer Sicht terroristische - kurdische YPG ausschalten und eine Pufferzone für die Ansiedlung von Flüchtlingen schaffen, um die Türkei zu entlasten. Erdogan droht seit mehreren Wochen mit einer erneuten Offensive. Ohne die Zustimmung Russlands - im syrischen Bürgerkrieg auf der Seite des Regimes - dürfte Ankara diesen Schritt jedoch nicht wagen. Eine solche Zustimmung wurde offenbar nicht erwirkt. Putin und Erdogan versicherten einander lediglich, bei der Bekämpfung „aller terroristischen Organisationen in Syrien“ in gegenseitiger Abstimmung und Solidarität zu handeln. Beide Präsidenten haben zugesagt, die Verhandlungen auf höchster Ebene schon bald fortsetzen zu wollen. Hier wächst offenbar zusammen, was nicht zusammengehören darf!

Kann die NATO akzeptieren, dass das NATO-Mitglied Türkei nicht nur das russische, mit den NATO-Partnern nicht kompatible Flugabwehrsystem S 400 betreibt und die Norderweiterung blockieren will, sondern auch mit dem völkerrechtswidrig und verbrecherisch handelnden „Feind“ der westlichen Welt derart intensiv kooperieren möchte? Nein!

Die NATO muss Klartext reden und von der Türkei ein eindeutiges Bekenntnis fordern, dass das Land solidarisches Mitglied in der Allianz bleiben will. Auf keinen Fall darf sich die NATO dieses unbotmäßige und unsolidarische Verhalten der Türkei länger gefallen lassen. Eine Türkei, die ein unsicheres und unsolidarisches Mitglied ist, auf das man sich nicht verlassen kann, ist für die NATO von nur sehr eingeschränktem Wert – und kann sehr schnell zu einem Risiko werden.

Kann die EU akzeptieren, dass der EU-Beitrittskandidat Türkei eine intensive Partnerschaft mit einem verbrecherischen Aggressor eingehen will, der die Gemeinschaft mit allen möglichen Mitteln zu spalten versucht und gegen die EU einen Energiekrieg führt? Nein!

Die Türkei unter Erdogan ist nicht EU-tauglich! Der letzte EU-Fortschrittsbericht ist ein guter Anlass und eine taugliche Grundlage, endlich reinen Tisch zu machen und die Beitrittsgespräche zu beenden. Man muss der Türkei jetzt deutlich sagen, dass es keine türkische Mitgliedschaft in der Europäischen Union geben wird!

Die Welt ist aus den Fugen und wird ganz neu geordnet werden müssen. Das aggressive und provozierende Verhalten macht auch ganz deutlich, dass das NATO-Mitglied Türkei die Allianz belastet und der EU-Beitrittskandidat Türkei EU-untauglich ist.

(06.08.2022)

 

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