Hans-Heinrich Dieter

Lachendes und trauriges Auge   (06.09.2017)

 

In diesem Fall die schlechten Nachrichten zuerst!

Bundestagspräsident Norbert Lammert, der drei Legislaturperioden lang Parlamentspräsident war, hat zu seinem Abschied aus dem Bundestag mehr Ehrgeiz der Abgeordneten bei Debatten und bei der Kontrolle der Regierung gefordert: Der Bundestag sei „stärker und einflussreicher“ als jedes andere Parlament. Aber der Bundestag sei „nicht immer so gut wie er sein könnte oder auch sein sollte“. So sei der Eifer bei der Kontrolle der Regierung mitunter zu wenig ausgeprägt. Wie wahr!

Kanzlerin Merkels selbstherrliche Entscheidung im September 2015, Flüchtlinge aus Ungarn nicht registriert ins Land zu lassen, ist eine beispiellose politische Fehlleistung gewesen. Und der Deutsche Bundestag hat es nicht für seine Pflicht gehalten, in dieser sich stark abzeichnenden Krise die Kontrolle über die Exekutive auszuüben und für eine von der Mehrheit - nicht dem Fraktionszwang unterworfener - der Volksvertreter mitgetragenen Grundlage für politisches Handeln zu sorgen! Dieser parlamentarischen Kontrollpflicht ist der Deutsche Bundestag zum Wohle des deutschen Volkes leider nicht gerecht geworden.

Auch wenn Lammert sich in diesem Fall an die eigene Nase fassen muss, er war ein erfahrener und kenntnisreicher Politiker, ein sehr guter und aussagekräftiger Redner und ein unbestechlicher Charakterkopf. Schade, dass er geht und noch bedauerlicher ist, dass Lammert nicht Bundespräsident geworden ist, er wäre der weitaus Bessere im diesem hohen Amt gewesen.

Marieluise Beck von Bündnis 90/Die Grünen ist seit 1994 ununterbrochen Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2002 bis 2005 war sie Parlamentarische Staatssekretärin im Familienministerium und von 1998 bis 2005 Ausländerbeauftragte der Bundesregierung. Beck gehört der Europa-Union Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages sowie dem Lenkungs-Ausschuss des deutsch-russischen Petersburger Dialogs an. Sie ist eine überaus erfahrene und an der Realpolitik orientierte Volksvertreterin, die sich sehr sachkundig und argumentationsstark auch in die öffentliche Diskussion einbringt. Insbesondere zur negativen Entwicklung der Politik Putins gegenüber Europa und seinen Nachbarn sowie zur Völkerrechtsverletzung bei der Annexion der Krim hat sich Beck mutig und unmissverständlich eingebracht. Es wird den Grünen nicht leichtfallen, geeigneten Nachwuchs für diese herausragende Parlamentarierin zu finden.

Wolfgang Bosbach ist seit 1994 Bundestagsabgeordneter für die CDU. Er scheidet zum Ende der Legislaturperiode auch wegen der Flüchtlings- und Europapolitik von Bundeskanzlerin Merkel aus der Volksvertretung aus. Er ist ein sehr wortgewandter, auch wortgewaltiger aber grundehrlicher und aufrechter Parlamentarier, der zwar auch als überzeugter CDU-Politiker auftritt, aber sich charakterstark dem „Kanzlerin-Wahlverein“ seiner Partei widersetzt und für sein Gewissen und seine Ãœberzeugungen steht. Schade, dass er geht, er wird den eher konservativen Wählern fehlen.

Mit 73 Jahren verlässt der SPD-Politiker, frühere Außenstaatsminister und derzeitige Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, nach 30 Jahren den Deutschen Bundestag. Ich habe ihn 1995 im ehemaligen Jugoslawien persönlich kennenlernen können und schätze seine politische Analysefähigkeit. Seine nüchterne sozialdemokratische Sicht der Außenpolitik in Interviews wird mir als Gegengewicht fehlen, auch wenn ich seine immer noch vertretene Politik des „Wandels durch Annäherung“ gegenüber Russland nicht teile.

Ebenfalls nach 30 Jahren verlässt Gerda Hasselfeldt, seit 2011 Vorsitzende der Landesgruppe der CSU, Ende September den Bundestag. Die sehr erfahrene und „gestandene“ Politikerin war von 1989 bis 1991 Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen, Städtebau und von 1991 bis 1992 Bundes-Gesundheitsministerin. Sie ist immer das freundliche und angenehme Gesicht der granteligen CSU und eine geschätzte Ansprechpartnerin der nicht einfachen Schwesterpartei für Kanzlerin Merkel gewesen. Sie wird der CDU, der wahrscheinlich zukünftigen Kanzlerin aber hauptsächlich der CSU fehlen, die ja in den letzten Jahren nicht gerade erfolgreiche Politiker nach Berlin schickte.

Nun zu den guten Nachrichten:

Hans-Christian Ströbele ist seit 1985 Bundestagsabgeordneter für die Grünen. Bis heute ist er der einzige grüne Abgeordnete, der mit einem Direktmandat (Wahlkreis Berlin Friedrichshain-Kreuzberg) in den Bundestag gewählt wurde. Er ist einer der Kontrolleure der Geheimdienste im dafür zuständigen Bundestagsgremium. Und da hat man einen schlimmen Bock zum Gärtner gemacht. In einigen Medien wird Ströbele zwar als „grünes Urgestein“ und als „grüne Ikone“ hochgejubelt. Der ehemalige SPD-Innenminister Schily hingegen bezeichnet ihn als einen „Altersradikalen“ und einen „Fundamentalisten mit aberwitzigen politischen Positionen“, dieser Beurteilung neige ich eher zu. Denn 1980 wurde Ströbele von der 2. Großen Strafkammer beim Landgericht Berlin wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten auf Bewährung verurteilt, da er am Aufbau der RAF nach der ersten Verhaftungswelle 1972 mitgearbeitet habe und in das illegale Informations-System der RAF involviert gewesen sei. Dieses Urteil wurde 1982 von der 10. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts auf zehn Monate reduziert. Immerhin wurde er als RAF-Unterstützer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ströbele selbst ist hinsichtlich seiner Ãœberzeugungen ganz offen: „Die Revolution, die ich wollte, haben wir leider nicht erreicht. Wir wollten die Räterepublik, nicht eine Demokratie, in der die Bürger nur alle vier Jahre gefragt werden.“ Und einen solchen politischen Widerling lässt man in Deutschland die Geheimdienste kontrollieren! Gut, dass diese Karriere zum Unwohl der deutschen Bevölkerung beendet ist!

Wir können uns auch über das Ende einer zweifelhaften Polit-Karriere freuen. Der frühere Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat von 2013, Peer Steinbrück,  zieht sich Ende September aus dem Bundestag zurück, um für die ab Januar aktive Bundesstiftung zu Ehren des Altkanzlers Schmidt zu arbeiten. Nach seiner hoch verdienten Wahlniederlage blieb Steinbrück - wohl hauptsächlich der Diäten wegen - Abgeordneter des Bundestages, sitzt immer noch in den hinteren Bänken und ist in dieser Legislaturperiode mit keiner sachdienlichen Rede zur Mehrung des Wohls des deutschen Volkes aufgefallen. Solche offensichtlich wenig verantwortungsbewussten Volksvertreter brauchen wir nicht! Höchste Zeit, dass für ihn keine Diäten mehr sinnlos verschwendet werden.

Der Sozialdemokrat Rainer Arnold ist seit 19 Jahren Parlamentarier und seit 15 Jahren verteidigungspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag. Nun tritt er nicht mehr an. Sechs Verteidigungsminister hat er erlebt, fünf von ihnen seien gescheitert sagt er - auch Ursula von der Leyen. Mit seiner eigenen Leistung kann er allerdings auch nicht prahlen, denn seine eigenen Partei hat den langjährigen Sprecher nie im Ansatz für gut genug gehalten, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses zu werden. Das sagt alles! Vielleicht gelingt es ja den Sozialdemokraten, bei dem ausgeprägten Mittelmaß einen sicherheitspolitischen Leistungsträger einzubringen – das ist bei der SPD nicht einfach.

Und nun zum Letzten, der – aus vielerlei Gründen – gute Nachrichten erzeugt. Mit Franz Josef Jungverlässt ein zu Recht gefeuerter Bundesminister endlich den Bundestag.

Jung ist 2005 als Quoten-Hesse über den Länderproporz von seinem Spezi Roland Koch ohne Erfahrung in ein bundespolitisches Amt katapultiert worden. Da gibt es natürlich Anfangsschwierigkeiten. Jung hat sich strebend bemüht, mit wenig Erfolg. In den Medien wird kolportiert, „Die Regierungschefin gäbe dem Hessen... ein 'gut' für Betragen“. Kopfnoten sind wichtig aber irgendwann sollte Leistung sichtbar sein und zumindest ein Gesellenstück gelingen. Bei Jung gelingen alle Gesellenstückversuche gründlich daneben. Die SZ nennt Jung den "Minister im Praktikum" und die FAZ attestiert ihm, dass "er nach Kräften versucht, die übertragenen Aufgaben seines jetzigen Amtes zu erfüllen, aber eben nicht sehr geschickt." Ein solcher Verteidigungsminister Jung gilt nicht nur dem Kabarettisten Schmickler als „eklatante Fehlbesetzung“. Als Arbeitsminister konnte er sich nicht auswirken, weil er über seine eklatanten Fehlleistungen als Verteidigungsminister gestrauchelt ist. Dass man einen Politiker dieser Leistungskategorie in der CDU zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und außenpolitischen Sprecher macht, spricht nicht für Qualität der CDU! Ein Segen für die (christliche) Partei und die Bürger, dass er uns Bürger bald nicht mehr vertreten darf!

Die guten Nachrichten hinsichtlich der Politiker die gehen, lassen uns hoffen, dass es besser wird.

(06.09.2017)

 

 

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