Hans-Heinrich Dieter

Selbstherrliche Merkel   (16.03.2016)

 

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Steinbach ist mir ziemlich unsympathisch, schon aufgrund ihrer Twitteraktivitäten. Nicht nur Frau Steinbach sollte als Volksvertreterin einen inhaltlich fundierteren Dialog pflegen! Mit ihrem am Sonntag veröffentlichten Tweet: „Seit September alles ohne Einverständnis des Bundestages. Wie in einer Diktatur“, liegt sie allerdings in der Wortwahl daneben, aber tendenziell durchaus weitgehend im Ziel.

Die Bundesrepublik Deutschland ist als parlamentarische Demokratie verfasst, es gilt die Gewaltenteilung, die Kontrollfunktion der Legislative über die Exekutive sowie die Unabhängigkeit der Judikative zur Gewährleistung des Grundrechtschutzes der Bundesbürger. In einer Diktatur wird die Gewaltenteilung durch die uneingeschränkte Macht des Diktators aufgehoben. Von solcher Machtanmaßung ist Kanzlerin Merkel weit entfernt.

Autokraten hingegen üben selbstherrlich in bestimmten politischen Bereichen aufgrund ihrer selbstempfundenen Machtvollkommenheit unkontrollierte politische Gewalt aus. Wir beklagen eine solche Entwicklung zur Autokratie bei Putin in Russland und bei Erdogan in der Türkei. Im Fall der Alternativlos-Kanzlerin Merkel lohnt es sich auch in Deutschland durchaus, darüber ernsthaft nachzudenken.

Für selbstherrliches bis autokratisches Verhalten in der Politik müssen Grundlagen geschaffen werden. Kanzlerin Merkel hat sich in der CDU durch strenges Regiment und ansprechende Leistung große Autorität verschafft. Systematisch hat sie dann interne Kritiker, angefangen bei Friedrich Merz, weggebissen oder kaltgestellt. Nachfolger für Parteivorsitz oder Kanzlerschaft hat sie nicht hochkommen oder in schwierigen Ämtern scheitern lassen. Deswegen ist sie inzwischen in der CDU "alternativlos" und erreicht bei Wahlen für den Parteivorsitz in der CDU kommunistisch anmutende Ergebnisse. Parteiinterne Kritiker werden von ergebenen CDU-Mitstreitern ihres Vertrauens zur Ordnung gerufen oder mundtot gemacht. Das Fundament für autokratisches Verhalten wurde von Merkel also geschickt gelegt.

Für autokratische Politik müssen auch die politischen Rahmenbedingungen passen. Die Große Koalition schafft mit den Mehrheitsverhältnissen sowie einem ziemlich schwachen und zuweilen beliebigen Partner sehr gute Voraussetzungen. Darüber hinaus hat Frau Merkel die ehemals eher konservative CDU sozialdemokratisiert und damit ihren Partner SPD marginalisiert. Den Grünen hat Merkel Oppositionsthemen weggenommen und wenn dann der Parlamentspräsident noch Gentleman ist und mögliche Konfliktursachen durch Kontrolle der Regierungsarbeit vermeidet, dann wird aus der parlamentarischen Kontrolle schnell mehrheitlich zustimmende Akklamation durch Applaus. Einige Beispiele sollen selbstherrliches politisches Verhalten von Kanzlerin Merkel deutlich machen.

2011 hat Kanzlerin Merkel, nur ein Jahr nach der ökonomisch und ökologisch wohlbegründeten Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, die Katastrophe von Fukushima benutzt, um aus parteipolitischen Gründen eine mit unseren europäischen Nachbarn nicht abgesprochene, unredlich begründete, hektische und konzeptionslose 180 Grad Kehrtwende in der Energiepolitik zu machen. Noch bevor eine Analyse der Vorgänge möglich war und ohne stichhaltige Erkenntnisse über eine Kernschmelze zu haben, befindet Merkel am 13.03.2011 "Das war´s!" Am 15.03. schafft sie weitere Fakten, ordnet die Abschaltung der sieben ältesten AKWs an und beauftragt eine Ethik-Kommission. Erst am 06.Juni 2011 bestätigt der Bundestag mit Mehrheit die bereits eingeleitete und schon unumkehrbare Energiewende. Merkel kennt und nutzt halt die angstvolle Irrationalität der deutschen Bevölkerung, der sie noch als Energieministerin im Hinblick auf die Atom-Risikoeinschätzung hochnäsig bescheinigt hat: "Die Deutschen haben kein Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit." Sollte das Bundesverfassungsgericht befinden, dass die Entscheidung zum Atomausstieg gegen Recht und Gesetz war, kommen auf den Steuerzahler hohe Belastungen zu. Frau Merkel wird nicht belangt werden und den von ihr angerichteten Schaden nur als Steuerzahlerin unzureichend begleichen.

Der zurecht gescheiterte Bundespräsident Wulff hat sich 2010 der türkischen Gemeinde Deutschlands selbstherrlich angebiedert mit der geschichts- sowie wertevergessenen und deswegen unsinnigen Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland. Bundespräsident Gauck hat das nach seinem Amtsantritt elegant korrigiert, indem er zum Ausdruck brachte, "die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland". Der Islam ist also nicht Teil unserer Kultur. Kanzlerin Merkel hat damals beide Aussagen kommentarlos hingenommen. 2015 hat Frau Merkel dann im Rahmen des Besuchs des neuen türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu die Aussage Wullfs bestätigt: "Der Islam gehört zu Deutschland - und das ist so, dieser Meinung bin ich auch", Basta! würde die Aussage noch runder - nicht besser - machen. Merkel nimmt die 61 Prozent der Deutschen, die sehr begründet der Auffassung sind, der Islam passe nicht in die westliche Welt, nicht ernst. Wegen der deutlichen kulturellen Unterschiede und der teilweise Unvereinbarkeit des Islam mit dem Grundgesetz sowie unserer Demokratie kann der Islam nicht zu Deutschland gehören. Wann wurde eine solche, unsere christlich-jüdische Kultur und unsere demokratische Gesellschaftsordnung betreffende Grundsatzfrage im Parlament diskutiert, und wann entschieden, was Grundlage unserer Politik sein soll? Wann wurden falsche und unsinnige Aussagen der Kanzlerin im Wege der parlamentarischen Kontrolle korrigiert?

2008 bei einem Staatsbesuch in Israel hat Bundeskanzlerin Merkel vor der Knesset das Existenzrecht Israels als Teil deutscher Staatsräson bezeichnet. Dabei ist sicher das Israel der Unabhängigkeitserklärung als demokratischer Staat gemeint, in dem alle Bürger unabhängig von Religion, Rasse und Herkunft vor dem Gesetz gleich sind. Das ist eine sehr weitgehende und politisch sehr verpflichtende Aussage, über die der Deutsche Bundestag nie abgestimmt hat. Diese Aussage Merkels ist historisch verständlich, sie bleibt aber selbstherrlich. 2012 distanziert sich Bundespräsident Gauck bei seinem Israel-Besuch von dieser Merkel-Aussage und relativiert sie dahingehend, dass die Sicherheit und das Existenzrecht Israels "bestimmend" für die deutsche Politik seien. Und bei dieser Gelegenheit macht er deutlich, dass er vom israelischen Siedlungsbau wenig hält und plädiert für eine Zweistaatenlösung. Es ist traurig, dass sich der Bundestag in solchen grundsätzlichen Fragen deutscher Politik nicht um eine verbindliche Grundlage bemüht. Und wenn sich Israel nun zu einem Staat mit stark eingeschränkter Demokratie, starkem Nationalismus und erkennbarem Rassismus entwickelt, den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau fortsetzt und nicht konstruktiv an einer Friedenslösung mitwirkt, dann muss Deutschland seine Politik gegenüber Israel neu definieren. Dann sollten wir erklären, dass die israelische Realität die Aussage von Kanzlerin Merkel von 2008 nicht mehr gültig sein lassen könne. Wir sollten deutsche Sonderwege beenden, die Politik der Europäischen Union unterstützen und gegebenenfalls Palästina als Staat anerkennen, wie bereits Schweden sowie symbolisch Großbritannien, Irland, Frankreich und Spanien. Das Parlament sollte die Grundsätze der deutschen Politik gegenüber Israel erarbeiten, darüber entscheiden und diese Grundsätze der jeweiligen politischen Entwicklung anpassen. Selbstherrliche Aussagen von führenden Politikern müssen unterbleiben, insbesondere wenn sie nicht deckungsgleich sind.

Kanzlerin Merkels selbstherrliche Entscheidung im September 2015, Flüchtlinge aus Ungarn nicht registriert ins Land zu lassen, ist eine beispiellose politische Fehlleistung gewesen. Mit dieser Entscheidung wurden die Regeln der Dubliner Vereinbarung gebrochen, auf die die Kanzlerin sonst so vehement pocht. Dann waren wir durch die schiere Anzahl der ankommenden Flüchtlinge überfordert und haben die Flüchtlinge nicht registriert weiterreisen lassen. Dadurch haben wir erneut gegen die EU-Regeln verstoßen. Wenn Kanzlerin Merkel dann öffentlich feststellt, dass Flüchtlinge aus Syrien auf keinen Fall zurückgeschickt werden, dann ist das wie ein Persilschein für alle Asylsuchenden aus dem Bürgerkriegsland und den Flüchtlingslagern der angrenzenden Staaten. Unser Asylrecht sieht aber vor, dass jedes Asylgesuch einer Einzelfallprüfung unterzogen wird. Merkels selbstherrliche Entscheidungen hatten auch zur Folge, dass sich etwa 300.000 unregistrierte Flüchtlinge in Deutschland unkontrolliert bewegen oder untergetaucht sind. Dadurch hat Merkel die Sicherheit Deutschlands gravierend beeinträchtigt.

Und in dieser Situation stellt sie auch noch höchst selbstherrlich fest: „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“ Die Aussage ist in mehrfacher Hinsicht ärgerlich. Erstens ist die Kanzlerin verantwortlich für unser aller Land und nicht für ihres. Außerdem reduziert sie politisches Handeln dabei auf das Äußern von Gefühlen, statt sich um zukunftsorientiertes Bewältigen von Problemen zu unserem gemeinsamen Wohl zu sorgen. Drittens schwingt sie die Gefühlskeule und verteufelt alle, die Kritik an ihrer Politik äußern als schlechte deutsche Staatsbürger, mit denen man nicht zusammenleben möchte. Hier haben wir es nicht nur mit einer politischen sondern auch mit einer menschlichen Fehlleistung zu tun. Und der Deutsche Bundestag hält es nicht für seine Pflicht, in dieser sich stark abzeichnenden Krise die Kontrolle über die Exekutive auszuüben und für eine von der Mehrheit - nicht dem Fraktionszwang unterworfener - Volksvertreter mitgetragenen Grundlage für politisches Handeln zu sorgen!

Und nun beim Ringen um europäische Lösungen der Flüchtlingskrise bringt sich die selbstherrliche Kanzlerin Merkel ohne Berücksichtigung des Volkswillens und ohne Mandat der EU in Abhängigkeit zur islamischen Türkei, die sich islamistisch entwickelt und nach dem jüngsten Fortschrittsbericht der EU hauptsächlich im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit, Verwirklichung der Menschenrechte sowie der Meinungs- und Pressefreiheit rückentwickelt. Merkel unterstützt durch einen Besuch bei Erdogan den Wahlkampf der AKP. Merkel hofiert ein Land, das nicht konsequent gegen Schlepperbanden vorgegangen ist und das seine Grenzen zu Griechenland nur unzureichend kontrolliert hat, um sich von Flüchtlingen zu entlasten, und das seine Zusagen im Zusammenhang mit dem EU-Aktionsplan bisher nur unzureichend eingehalten hat. In der heutigen Regierungserklärung lobt Merkel die Türkei über den grünen Klee: "Die Leistungen der Türkei bei der Versorgung von inzwischen 2,7 Millionen Flüchtlingen können gar nicht hoch genug gewürdigt werden“ - obwohl sie weiß, dass die Flüchtlinge unter menschenrechtlich fragwürdigen Bedingungen, ohne Registrierung und ohne Aussicht auf Arbeit sowie Schule für die Kinder hausen und so zur weiteren Flucht animiert werden. Merkel signalisiert, dass sie zu weiteren finanziellen Zugeständnissen bereit ist - von wem sind solche Zugeständnisse unter Nutzung deutscher Steuergelder eigentlich autorisiert - und leistet so der weiteren türkischen Erpressung Vorschub. Dabei missachtet Merkel den Willen des deutschen Souveräns, der in der jüngsten Umfrage des You-Gov-Instituts für dpa zum Ausdruck kommt: Nur 20% der Deutschen begrüßen die finanzielle Unterstützung der Türkei in der Flüchtlingskrise. 67% halten die finanzielle Gegenleistung von geplanten 6 Milliarden Euro für unangemessen. 71% halten die Erwartung für unrealistisch, dass die Türkei die Flüchtlingszahlen begrenzen kann und will. Nur 4% sind der Meinung, dass die Beitrittsverhandlungen für die Türkei beschleunigt werden sollten. 38% sind der Meinung, dass zuvor unbedingt die Aufnahmekriterien erfüllt werden müssen. 49% sind der Ãœberzeugung, dass die Türkei nicht in die EU gehört. 70% der Befragten sind gegen Visafreiheit für Türken. Die Umfrage zeigt, dass man die selbstherrliche, teilweise starrsinnige Politik Merkels gegen den Mehrheitswillen des Volkes kontrollieren und ggf. anpassen muss. Denn hier geht es nicht darum, das freundliche Gesicht Merkels für die Geschichte einzufrieren, sondern es geht darum, das Wohl des deutschen Volkes zu mehren - das geht offensichtlich nur mit parlamentarischer Kontrolle. Dieser Kontrollpflicht wird der Deutsche Bundestag bisher leider nicht gerecht.

Vor EU-Gipfeln mit weitreichenden Auswirkungen gibt es in Deutschland jeweils nur eine Regierungserklärung, mit der für die Politik der Exekutive geworben wird. Das ermöglicht Selbstherrlichkeit auf der Grundlage von mehrheitlichem Große-Koalitions-Applaus. Dabei sollten Grundlagen der Politik in unserer parlamentarischen Demokratie von der Volksvertretung entschieden werden. Es rächt sich immer wieder, dass Deutschland es nicht wagt, vitale politische Interessen zu definieren, Strategien zu entscheiden und politische Richtlinien zu erlassen.

Deutschland ist politisch immer noch nicht erwachsen! Die politische Pubertät wird angesichts der personellen Rahmenbedingungen andauern!

(16.03.2016)

 

 

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