Meine persönliche Bilanz im Fall „Dieter/Ruwe“
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Eine ungeheuerliche, unsägliche, schwer verständliche und nahezu „unendliche“ Geschichte kommt zum Abschluss.
Nachdem auch politische Verantwortungsträger es ablehnen, meine Reaktivierung zu unterstützen, beziehungsweise Pflichtverletzungen von (zumindest einem) Abgeordneten, des Verteidigungsministers und des Generalinspekteurs zu würdigen, ist es an der Zeit, eine persönliche Bilanz zu ziehen.
Zu den Feststellungen in meiner Zwischenbilanz stehe ich unverändert. Deswegen kann diese Bilanz auch kurz gehalten werden.
Der Auslöser des Falles, die Weitergabe eines vermeintlich „internen Vermerkes an Unbefugte“, kann man allenfalls als taktischen Fehler einordnen, ein Dienstvergehen nach § 14,1 Soldatengesetz (SG) war es nach meiner unveränderten Auffassung aber nicht, weil der Vermerk mir dienstlich vorgelegt wurde – damit schon nicht mehr „intern“ war – und ich den Vermerk, über den ich volle Verfügungsgewalt hatte, als „Mitteilung im dienstlichen Verkehr“ gem § 14,1 SG zu dienstlichen Zwecken und aus kameradschaftlichen Gründen weitergegeben habe. Das will das Bundesverwaltungsgericht so nicht sehen, sicher auch, weil es aufgrund der dann logischen Konsequenzen so nicht gesehen werden darf.
Dieses Ergebnis des von mir angestrengten „Selbstreinigungsverfahrens“ ist auch deswegen enttäuschend, weil die Bundesrichter entschieden haben, ohne den fachkundigen Rat militärischer Beisitzer einzuholen, und so wichtige Aspekte für eine gerechte Urteilsfindung unberücksichtigt blieben.
Positiv zu werten ist die schallende juristische Ohrfeige, die die Richter dem Minister verpasst haben, denn von dem der Inszenierung dienenden Bündel an Dienstvergehen, angeblich teilweise mit erheblicher strafrechtlicher Relevanz, das der Minister glaubte mir vorwerfen zu müssen, ist lediglich der Verstoß gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit nach § 14,1 SG übriggeblieben. So werden diffamierende Aussagen des Ministers in der Öffentlichkeit, „es galt Schaden von der Bundeswehr abzuwehren“, und man habe den General Dieter „vor dem Kadi bewahren“ wollen, als stark irreführend entlarvt, vulgo: Lug und Trug!
Im Ergebnis also waren meine vielfältigen Bemühungen um Reaktivierung und Gerechtigkeit erfolglos.
Zum Nachteil des Steuerzahlers gehe ich in das vierte Jahr meines einstweiligen Ruhestandes, weil das Verwaltungsgericht Köln und das Oberverwaltungsgericht Münster die Rechtsposition vertreten, dass es gemäß § 50 SG reicht, wenn der Verteidigungsminister plausibel zum Ausdruck bringt, dass er das Vertrauen in einen General verloren hat und der Bundespräsident das glaubt. Dass der Antrag an den Bundespräsidenten fehlerhaft, teilweise falsch und damit irreführend war, interessiert nicht, weil es nicht interessieren darf. Denn es geht hier wohl nicht um Gerechtigkeit, sondern es geht um politisch motivierte Interessenabwägung, die juristisch zu begründen ist.
Bei der Abwägung meines persönlichen Interesses, als aktiver Soldat meine Verantwortung weiterhin tragen zu dürfen, gegen das „öffentliche Interesse“, keine Beschädigung des Generalinspekteurs, des Ministers und des Bundespräsidenten zuzulassen, muss das implizierte öffentliche Interesse offensichtlich Vorrang erhalten.
Wenn die Verwaltungsgerichte meiner Klage stattgegeben hätten, weil auch sie, Tatsachen zugrunde legend, hätten erkennen können, dass der Bundespräsident aufgrund des fehlerhaften und teilweise falschen Antrages nicht sachgerecht und willkürfrei entscheiden konnte, dann wäre zumindest der Minister nachhaltig beschädigt. Das darf nicht sein!
Und ich bleibe im einstweiligen Ruhestand, weil der Bundespräsident offenbar nicht unabhängig genug ist, und nicht die Kraft gefunden hat, seine auf falscher Grundlage getroffene Entscheidung zu revidieren. Besonders enttäuschend ist für mich, dass sich der Bundespräsident in dieser Angelegenheit für neutral erklären lässt und nicht bereit zu sein scheint, sein Handeln zu verantworten. Er wird offensichtlich teilweise schlecht beraten (siehe auch "Der Bundespräsident...").
Im Zusammenhang mit dem „Fall Dieter/Ruwe“ sind eine ganze Reihe von Straftaten, Dienstvergehen und Pflichtverletzungen begangen worden.
Das Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bonn auch aufgrund meiner Strafanzeige wegen Weitergabe mich betreffender Dienstgeheimnisse an die Redaktion des „Spiegel“ und andere mögliche Straftaten, ist insgesamt enttäuschend (siehe auch Schriftverkehr mit den Staatsanwaltschaften).
Enttäuschend – wenn nicht gar skandalös - ist, dass der Staatsanwalt nach eigenem Bekunden aufgrund des damit verbundenen Aufwandes überhaupt nicht intensiv und umfassend ermittelt hat.
Enttäuschend ist, dass der Staatsanwalt bei seinen Ermittlungen gegen den Journalisten S. vom „Spiegel“ klar auf der Hand liegende Straftatbestände wie „Beihilfe zur Verletzung von Dienstgeheimnissen“ einfach nicht berücksichtigt hat.
Enttäuschend ist, dass der Staatsanwalt die Ermittlungen nach dem Legalitätsprinzip gegen mich selbst als Erstatter der Anzeige ohne Ermittlungen lediglich mit Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nach § 153 Absatz 1 StPO – also wegen geringer Schuld – eingestellt hat. Wenn er intensiv ermittelt hätte, dann wäre er zu dem Schluss gekommen, dass ein Straftatbestand nicht vorliegt.
Dennoch ist diese Einstellung der Ermittlungen gegen mich – quasi ein zweites Selbstreinigungsverfahren – eine zweite schallende juristische Ohrfeige für den Minister, weil die sicher vorsätzlich genutzte Diffamierung hinsichtlich der erheblichen strafrechtlichen Relevanz meiner Handlung sich als unwahr, unrichtig und vorgeschoben entpuppt.
Enttäuschend ist, dass der Staatsanwalt die Ermittlungen gegen Staatssekretär Dr. W., den Generalinspekteur und andere Bedienstete des BMVg ohne hinreichende Ermittlungen nach § 153 Absatz 1 StPO eingestellt hat, weil „deren Schuld als gering anzusehen wäre“. Wirkliche Ermittlungen hätten zur Aufdeckung von Straftatbeständen geführt, aber das darf natürlich nicht sein. Bleibt die Feststellung, dass der Staatssekretär, der Generalinspekteur und andere sich schuldig gemacht haben. Und selbst wenn strafrechtlich nicht gegen sie vorgegangen wird, hätte der Minister die Pflicht gehabt, disziplinar tätig zu werden. Doch das interessiert keinen und hat deswegen auch keine Konsequenzen. Die Herren sind alle noch in Amt und „Würden“.
Das liegt natürlich auch daran, dass die Bevölkerung weitaus mehr an der Fußball-Nationalmannschaft interessiert ist als an der Bundeswehr. Wenn der Bundestrainer möglicherweise zu wenig mit Kadermitgliedern redet, füllt das die Gazetten. Wenn der Verteidigungsminister ein höchst fragwürdiges Führungsverhalten gegenüber Generalen zeigt, dann ist die Bevölkerung nicht wirklich interessiert. Deswegen greifen es auch die Medien nicht auf, denn insbesondere wenn es um Generale geht, sind Quote und Auflage nicht zu steigern.
Sehr enttäuschend ist auch, dass zum Beispiel der Abgeordnete A., Sprecher der SPD im Verteidigungsausschuss, Soldaten in der Öffentlichkeit herabwürdigend behandeln und diffamieren darf, ohne dass dies Konsequenzen hat. Nicht einmal den Bundestagspräsidenten scheint solches, dem Ansehen des Bundestages abträgliches, Fehlverhalten eines Abgeordneten zu interessieren (siehe auch "Experten" im Verteidigungsausschuss).
Sehr irritierend ist auch, dass die parlamentarische Kontrolle durch den Wehrbeauftragten und durch den Verteidigungsausschuss im Hinblick auf Pflichtverletzungen des Verteidigungsministers und des Generalinspekteurs sowie eindeutige Verstöße gegen die anerkannten Prinzipien der Inneren Führung nicht wirksam ist, weil sie offensichtlich in solchen Fällen nicht wirksam sein darf. Besonders dürftig ist dabei die durchgängige Ausflucht in bürokratische Floskeln, die mit den zu untersuchenden Sachverhalten nichts zu tun haben. Wirklich traurig und armselig! (Siehe auch "Der Wehrbeauftragte Robbe").
Aber wenn die Volksvertreter sich mit der Sache befassen würden, dann müssten auch Konsequenzen gezogen werden – und das darf nicht sein!
Weil es nicht um Recht und Gerechtigkeit geht, sondern um Politik, konnte ich mit meinen vielfältigen Anstrengungen keinen Erfolg haben.
Mein Erfolg hätte erhebliche politische Konsequenzen gehabt – und das durfte eben nicht sein!
Schon die Römer wussten: „Was immer du tust, handle klug und beachte das Ende“. In diesem Sinne kann man fragen, ob es klug war, dieses „Gefecht“ gegen das System zu führen.
Als General kenne ich den § 50 Soldatengesetz und seine Bedingungen. Mit mehr als 10 Jahren ministerieller Erfahrung kenne ich natürlich dieses System und habe Erfahrung mit dem Geflecht politischer Abhängigkeiten sowie mit dem Verhaltensmuster von Politikern.
Deswegen wäre hinsichtlich des positiven Ausgangs des „Gefechtes“ Skepsis vielleicht angebracht gewesen. Man kann also streiten ob es klug war, diesen Weg zu gehen, denn man verliert auch vermeintliche Freunde und Kameraden auf der Strecke und darüber hinaus macht man eine ganze Reihe von desillusionierenden staatsbürgerlichen Erfahrungen.
Wenn es denn nicht unzweifelhaft klug war, das „Gefecht“ aufzunehmen, dann war es doch richtig und wichtig. Denn angesichts der vielfältigen und offenkundigen Rechtsverstöße bei der Handhabung dieses Falles habe ich doch darauf gebaut, dass die unabhängige Justiz dies so nicht hinnehmen würde, bzw. bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt lässt. Außerdem eigne ich mich als Fallschirmjäger nicht für die Rolle des geduldigen Opferschafes. Darüber hinaus wurden im Verlauf des Falles Dieter/Ruwe viele Behörden und auch das Parlament mit den Zahlen, Daten und Fakten – mit der Wahrheit – konfrontiert und können sich selbst ein Bild machen, wes Fähigkeiten Kind der Verteidigungsminister ist sowie wes Charakters Kinder der Generalinspekteur und seine Helfershelfer aus der Abteilung PSZ sind.
Und die 49.600 (März 2007 bis Dezember 2008) interessierten Leser meiner Homepage und Kameraden können sich nach Studium der Chronologie, der Kommentare und der Dokumente ihre eigene Meinung bilden und Begriffe wie Intrige, Hinterlist, Diffamierung, Verleumdung, Kameradschaftsunfähigkeit, etc. bis hin zur Feigheit und Rechtsbeugung selbst zuordnen. Es ist immer hilfreich, zu wissen, mit wem man es zu tun hat.
Und ich bin der festen Überzeugung, dass der Minister aus diesem Fall gelernt hat und zukünftig so nicht mehr mit Soldaten umgehen wird!
Der aus meiner Sicht unsinnige § 50 Soldatengesetz wird leider weiter Bestand haben, denn nicht einmal der Bundeswehrverband scheint an einer Änderung interessiert. Generale haben keine Lobby!
(31.12.2008)
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