Hans-Heinrich Dieter

Wenig befreiendes Gedenken!   (08.05.2020)

 

Der deutsche Bundespräsident wirkt hauptsächlich durch das Wort. Und da hat Deutschland derzeit kein großes Glück.

Bundespräsident Steinmeier hat bei einer Veranstaltung in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem eine Rede gehalten: „75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz stehe ich als deutscher Präsident vor Ihnen allen, beladen mit großer historischer Schuld. … “ Der jüdische Historiker Michael Wolffsohn hat diese Rede damals mit deutlichen Worten kritisiert: Aus seiner Sicht habe Steinmeier „zu viele große Worte“ gewählt: „Es sind zudem die immergleichen Worte, also deren Inflationierung. Damit werden sie wertlos. Kein Wunder, dass kaum noch jemand zuhört.“

Nun hat der Bundespräsident zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren wieder eine solche Rede in der Neuen Wache in Berlin gehalten. Er erinnert an die Rede Richard von Weizsäckers vom 08.Mai 1985 mit der wesentlichen Feststellung: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ … „Wir haben wahrlich keinen Grund, uns am heutigen Tag an Siegesfesten zu beteiligen. Aber wir haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg.“ und „Der 8. Mai ist ein Tag der Erinnerung. Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu gedenken, dass es zu einem Teil des eigenen Innern wird. Das stellt große Anforderungen an unsere Wahrhaftigkeit.“ … das war eine große, ehrliche und auch mutige Rede, die auch die Chance zum Neubeginn, zur Wiedererlangung der Freiheit nach zwölf Jahren Diktatur, zur Rückkehr in die Völkerfamilie und zur Einbindung in die Wertegemeinschaften der NATO und der Europäischen Union thematisiert hat.

Das was die deutsche Bevölkerung nach der „Befreiung“ aus dem zerstörten Deutschland mit Hilfe unserer Partner gemacht hat, thematisiert Steinmeier aber nicht. Ihn interessiert die Zukunft Deutschlands auf der Grundlage des immerwährenden Bekenntnisses der deutschen „Verantwortung für millionenfachen Mord und millionenfaches Leid.“ Seine Schlussfolgerung aus dieser immerwährenden und immer wiederholten deutschen Schuld: „Man kann dieses Land nur mit gebrochenem Herzen lieben.“ Und er fügt hinzu: „Damals wurden wir befreit, heute müssen wir uns selbst befreien … von Hass und Hetze, von Fremdenfeindlichkeit und Demokratieverachtung - denn sie sind doch nichts anderes als die alten bösen Geister in neuem Gewand.“ Das sind starke und die deutsche Bevölkerung pauschal verleumdende Sätze! Heute müssen wir uns selbst befreien, wir sind also alle infiziert von Hass und Hetze, von Fremdenfeindlichkeit und Demokratieverachtung. Das ist ungeheuerlich! In keinem anderen europäischen Land würde ein Staatsoberhaupt seine Bevölkerung förmlich krankreden!

Ich bin aufgeklärter Patriot, liberal-konservativ eingestellter mündiger Staatsbürger und liebe Deutschland. Ich bekenne mich zur historischen Verantwortung für die Verbrechen der Naziherrschaft – aber ich bin nicht schuldig! Da wir als Bundesrepublik Deutschland die historische Verantwortung für die Verbrechen der Naziherrschaft übernommen haben, ist es auch unsere Pflicht, das Gedenken wach zu halten und den sich ändernden Rahmenbedingungen anzupassen. Dazu gehört nicht nur, jede Form von Extremismus zu bekämpfen, sondern auch, integrationsfeindlichem und antisemitischem Verhalten von Migranten, Flüchtlingen und Asylanten konsequent entgegenzutreten und Recht und Gesetz konsequent anzuwenden. Zur Gedenkkultur gehört es aber nicht, dass wir unseren Kindern und Enkelkindern – nach alttestamentarischen Vorstellungen möglichst bis ins siebente Glied - einen Schuldkomplex vermitteln, denn das ist unmenschlich und deswegen unverantwortlich! Meine sechs Enkel sind nicht schuldig und werden auch als Erwachsene nicht schuldig sein können. Das Deutschland, in dem meine Enkel leben, ist ein völlig anderes Land als Hitler-Deutschland. Wir haben unsere unrühmliche und verbrecherische Geschichte – wie kein anderes Land in Europa und der Welt – aufgearbeitet und mit dem Grundgesetz einen neuen Staat ins Leben gerufen und eine neue demokratische Gesellschaft entwickelt, die sich in Europa und in den Vereinten Nationen positiv einbringt.

Ich habe als deutscher Soldat den Eid geleistet, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Diesem Eid kann man nur als dem Recht und Gesetz verpflichteter Staatsbürger gerecht werden. Und man muss Deutschland mit ganzem Herzen dienen wollen, denn mit „gebrochenem Herzen“ kann man das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes nicht tapfer verteidigen – das würde im Infarkt enden! Da ist es ganz erstaunlich, dass zum Auftakt der Gedenkveranstaltung das schöne und eindrucksvolle Lied vom Guten Kameraden gespielt werden durfte. Denn dieses Lied wurde ja auch schon von den Soldaten der Wehrmacht gesungen.

Deutschland hat einen besseren Präsidenten verdient!

(08.05.2020)

 

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