Hans-Heinrich Dieter

Waffen als Außenpolitik   (19.08.2014)

 

Die derzeitige deutsche Diskussion um Waffenlieferungen an Kurden in der Krisenregion Irak führt plastisch vor Augen, wie weit Deutschland noch davon entfernt ist, größere außen- und sicherheitspolitische Verantwortung in der Welt übernehmen zu können. Denn unsere Politiker scheinen der Auffassung zu sein, dass in der EU noch nicht koordinierte, noch an keinem definierten Bedarf orientierte deutsche Waffenlieferungen ohne Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung und an nicht genau festgelegte Gruppierungen der Kurden schon verantwortungsbewusste Außenpolitik ist.

Die Diskussion wird darüber hinaus vorwiegend emotional geführt. Wirtschaftsminister Gabriel, der deutschen Waffenexport ohne Rücksicht auf die Zukunft einer leistungsfähigen deutschen Rüstungsindustrie und ihre Arbeitsplätze begrenzen will, begründet plötzlich deutsche Waffenlieferungen in Krisengebiete, indem er feststellt, man könne „nicht zusehen, wie bis an die Zähne bewaffnete Fanatiker im Irak Tausende unschuldiger Menschen umbringen.“ J. Fischer meint sehr platt, eine Terrormiliz lasse sich „weder mit Gebetskreisen noch mit Spruchbändern“ stoppen. Und der Außenpolitiker Ischinger denkt, „das klassische deutsche Dogma, das ja auch aus der Zeit des Kalten Krieges stammt, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern, erweist sich in dieser Lage als relativ weltfremd.“ Die Politik lässt sich erkennbar durch Medien vor sich her treiben, die Waffenlieferungen zur Vermeidung eines Genozids zur politikentscheidenden, moralischen Frage hochstilisieren, und von dem wenig selbstbewussten Gefühl leiten, international nicht als der ewige Bremser und negative Moralapostel gelten zu wollen.

Waffenlieferungen machen aber grundsätzlich nur dann Sinn, wenn dieser Weg unvermeidbar erscheint, um einen Konflikt wirklich zu lösen oder einen Genozid tatsächlich zu verhindern. Da ist es gut, dass wenigstens der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen, den Mut hat, öffentlich eine differenzierte Auffassung zu vertreten: "Wenn wir Waffen liefern, dadurch mittelbar Kriegspartei werden ohne Kontrolle über Verwendung und Verbleib moderner Waffen, Ausbilder einsetzen, dann ist das eine grundsätzliche Abwendung von bisheriger traditioneller Politik. Die muss diskutiert werden, es müssen die Ziele militärisch diskutiert werden, was wollen wir eigentlich erreichen und was ist das Konzept?" Diese Diskussion ist national noch nicht geführt, die Volksvertretung war noch nicht hinreichend beteiligt und von definierten Zielen deutscher Politik in der Irak-Krise und von einem schlüssigen Konzept zum Umgang mit der Terrormiliz „Islamischer Staat“ kann schon überhaupt keine Rede sein.

Und genauso wenig gibt es eine abgestimmte Politik der EU. Die Feststellung, dass es Mitgliedstaaten erlaubt ist, Waffen in den Nordirak zu liefern, ist ein äußerst dürftiges Ergebnis der Tagung der Außenminister. Denn wenn die EU Verantwortung übernehmen will, dann müsste auch sie Ziele definieren, Konzepte entwerfen und auf dieser Grundlage militärische Unterstützung und Waffenlieferungen koordinieren, damit nicht jeder Nationalstaat das liefert, was er gerade erübrigen kann, und jeder ohne Gesamtplan vor sich hin unterstützt. Wenn die Bekämpfung der Terrormiliz IS Erfolg haben soll, ist gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gefragt und keine innenpolitisch motivierten, hektischen nationalen Alleingänge.

Darüber hinaus müssen die Aktivitäten der EU und ihrer Mitglieder mit den USA, die als einzige in der Lage sind, in der derzeitigen Krisenlage wirkungsvoll militärisch zu unterstützen, abgestimmt werden. Außerdem ist IS nicht durch die Kurden alleine aufzuhalten, sondern nur durch koordinierte Operationen mit den irakischen Streitkräften und unterstützt durch die Regionalmächte. Die Zentralregierung des souveränen Irak muss auch deswegen allen Maßnahmen zustimmen und die Vereinten Nationen müssen sich der Bekämpfung des internationalen Terrors engagiert annehmen.

Der Korrespondent des Provinzblattes "General-Anzeiger" in Brüssel, Drewes, ist anderer Meinung als ich: „Während der halbe Kontinent seine Sommerpause zelebriert, behält Berlin die Fäden zur Lösung der Krisen in der Ukraine, in Gaza und im Irak in Händen.“ Für mich sieht es eher aus, als versuchten die deutschen Politiker, ein verworrenes und verknotetes Knäuel zu entwirren, ohne bisher den Fadenanfang gefunden zu haben.

(19.08.2014)

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