Hans-Heinrich Dieter

Vernunft ist gefragt!   (06.04.2022)

 

Die von russischen Soldaten verübten Kriegsverbrechen in der ukrainischen Kleinstadt Butscha bei Kiew haben weltweit intensive Gefühle ausgelöst. Auch der ukrainische Botschafter Melnyk zeigte sich erschüttert. Er kritisierte erneut die Bundesregierung und warf ihr vor, nicht genügend für die Ukraine zu unternehmen.

Er fordert Deutschland auf, endlich Lehren aus dem Massaker von Butscha zu ziehen: „Das bedeutet, dass die scharfen Sanktionen endlich eingeführt werden müssen, dass das Energieembargo endlich verhängt wird, dass alle Banken in Russland von SWIFT ausgeschlossen werden müssen“, so Melnyk. Außerdem forderte er mehr Waffen für die Ukraine.

„Kravelnyk“ gefällt sich schon lange als Abrechner, Schuldzuweiser, moralisierender Oberlehrer sowie maßloser Unterstützungsforderer und versteht nicht, dass er als ukrainischer Botschafter in Deutschland besser diplomatische Gespräche führen sollte, als die deutschen Spitzenpolitikern anzuschnauzen und ihnen zuzubellen, was sie gefälligst zu tun haben. So verliert man Freunde!

Und Melnyk ist nicht der einzige, bei dem die Emotionen die Vernunft überlagern. Auch einige osteuropäische Regierungen fordern noch härtere Sanktionen, etwa ein Verbot von Gas-Importen aus Russland. Ein schnelles Gas-Embargo würde allerdings Staaten wie Deutschland, Italien, Österreich, Slowenien und Ungarn massiv belasten, und das für eine sehr lange Zeit.

Die deutsche Wirtschaft hat sich insbesondere in Bezug auf Gaslieferungen in eine starke Abhängigkeit von Russland begeben – ein Ergebnis jahrelanger naiver Handelspolitik, die „Wandel“ bewirken sollte. Solche Abhängigkeiten lassen sich für die hochgradig vernetzte Wirtschaft der Industrienation Deutschland nur schwer und schrittweise zurückfahren – mit schwer kalkulierbaren Konsequenzen für die deutsche, die europäische und die globale Wirtschaft, weil Lieferketten noch stärker gestört sowie die Exportwirtschaft nachhaltig beeinträchtigt würden und auf dem Energiemarkt ein inflations-treibender Konkurrenzkampf ausbrechen würde. Aus der steigenden Inflation ergäben sich innergesellschaftliche Spannungen und außerdem würden unausweichliche Betriebsschließungen Arbeitslosigkeit nach sich ziehen – eine Rezession wäre nicht nur für Deutschland die zwangsläufige Folge. Deswegen ist es vernünftig, dass die EU zunächst nur einen Kohleimportstopp aus Russland verhängen will und alle Anstrengungen unternommen werden, um die Abhängigkeiten bei Öl und Gas schrittweise zurückzufahren.

Die zahlreichen europäischen Politiker, bei denen die Vernunft durch Gefühle überlagert wird, vergessen außerdem, dass wir auch dringend die Klimawende bewältigen müssen – und die Zeit dafür wird sehr knapp. Dazu brauchen wir den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien und ein solcher zeitgerechter Ausbau erfordert insbesondere für den Ausbau der Windenergie, einschließlich der Leitungen in die Industriezentren und der benötigten Batterie- und Speicherkapazitäten sehr viel verlässlich verfügbare Energie. Und auch die chemische Industrie ist in hohem Maße energieabhängig. Mit Gefühlsaufwallungen sind diese Probleme nicht zu bewältigen!

Und der Jurist Melnyk sollte doch auch intellektuell berücksichtigen können, dass ein wirtschaftlich stark geschwächtes Deutschland nicht mehr in der Lage wäre, sich als größter Nettozahler von EU-Unterstützungsleistungen für die Ukraine einzusetzen. Ein wirtschaftlich stark geschwächtes Deutschland könnte auch nicht mehr so viele Flüchtlinge aufnehmen. Ein wirtschaftlich stark geschwächtes Deutschland würde sich im Hinblick auf globale humanitäre und entwicklungspolitische Hilfsleistungen stark zurücknehmen müssen!

Nationale Emotionen ukrainischer Politiker sind in der schwierigen Kriegssituation verständlich. Emotionen dürfen aber die politische Vernunft -gerade in einer Krise – nicht übertölpeln. Selenskyj und Co machen deutlich, dass für die Ukraine noch ein weiter Weg zu gehen ist, bis ihr Werteverständnis einen Beitritt, zum Beispiel zur EU, möglich macht!

(06.04.2022)

 

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