Hans-Heinrich Dieter

Verkorkster Ampelstart   (22.12.2021)

 

Die ersten zwei Wochen der Ampel können nicht als Erfolg gewertet werden!

Im Ampelvertrag heißt es im vorletzten Kapitel: „Wir setzen uns für eine echte Gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa ein. Die EU muss international handlungsfähiger und einiger auftreten.“ Und weiter: „Unsere Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik werden wir wertebasiert und europäischer aufstellen. Die deutsche Außenpolitik soll aus einem Guss agieren und ressortübergreifend gemeinsame Strategien erarbeiten, um die Kohärenz unseres internationalen Handelns zu erhöhen.“ Das hat Erwartungen geweckt! Und damit es nicht bei hehren Ankündigungen bleibt, erwartet jeder interessierte Staatsbürger von den Regierungsverantwortlichen abgestimmtes gemeinsames Handeln.

Noch vor der Regierungserklärung tourten der Kanzler, die Außenministerin und der Finanzminister zu Antrittsbesuchen bei unseren wichtigsten Partnern. Die politischen Aussagen wirkten nicht abgestimmt und waren teilweise nicht aussagekräftig. So entstand der Eindruck einer etwas peinlichen deutschen Kakophonie. Das war kein gelungener und vertrauenerweckender Start, weder für die deutschen Bürger noch für die EU-Partner!

Bei der ersten Regierungserklärung von Kanzler Scholz mit anschließender Aussprache im Deutschen Bundestag wurden Passagen aus dem – doch wohl allen Parlamentariern bekannten – Koalitionsvertrag einschläfernd vorgelesen. Ein treffender Kommentar eines DLF-Haupstadtjournalisten lautete dann sinngemäß: wie bei Merkel, nur viel langweiliger! Die Ähnlichkeit mit dem Merkelverhalten ergab sich außerdem auch aus der Tatsache, dass die Regierungserklärung kurz vor der Abreise zum EU-Gipfel nach Brüssel abgegeben wurde. Scholz hat die Agenda des Gipfels bei seiner Erklärung nicht angesprochen und auch keine außen- und sicherheitspolitischen Problemstellungen des Gipfels thematisiert, und dementsprechend wurden Gipfelthemen auch im Parlament nicht diskutiert. Scholz hat sich um diese Diskussion gedrückt und das Parlament hat eine erste Chance zur Kontrolle des Regierungsverhaltens vertan. Ein beiderseitig schwacher Start!

Beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs trat Kanzler Scholz sehr zaghaft auf, er wollte sich bei keiner Thematik so richtig festlegen. Im Zusammenhang mit dem aggressiven Vorgehen des Neo-Stalinisten Putin will er die „Gesprächskanäle“ über das Normandie-Format wieder öffnen. Dabei fehlt bei diesem Format die EU als Gesprächspartner und die bisherigen Verhandlungen waren erfolglos, weil Putin die getroffenen Vereinbarungen nicht gehalten hat. Im Zusammenhang mit Nordstream 2 hat er eine klare Stellungnahme vermieden und das Projekt ganz einfach zu einer rein privatwirtschaftlichen Sache heruntergespielt, die ja derzeit behördlich geprüft würde. Scholz gibt in peinlicher Weise zu erkennen, dass er Angst hat, mit den putinpudeligen linken Parteigenossen wie Mützenich in Streit zu geraten. Da verweist er, der mit der Ampel „Fortschritt“ wagen will, lieber rückwärtsorientiert auf Willy Brandts Ostpolitik unter dem Motto „Wandel durch Handel“ oder auch „Wandel durch Annäherung“. Es ist peinlich, wenn der Kanzler einer Partei, die die CDU als rückwärtsgewandt diffamiert, sich auf einen geradezu vorsintflutlichen Kanzler beruft und so tut, als ob sich die Rahmenbedingungen für die Außenpolitik in unserer aus den Fugen geratenen globalisierten Welt seither nicht geändert hätten. Und darüber hinaus hat Scholz mit dieser Aussage zu Nordstream 2 die Spaltung in der EU weiter vertieft. Wie kann Deutschland mit einem solchen Kanzler Vertrauen zurückgewinnen?

Außenministerin Baerbock hat sich da bei ihren zahlreichen Treffen klarer und deutlicher eingebracht. Beim Außenministertreffen der G-7-Staaten hat sie in der gemeinsamen Erklärung den Aufmarsch russischer Truppen ebenso wie die „aggressive Rhetorik“ von Kreml-Chef Wladimir Putin „verurteilt“. Und sie hat mit den G-7-Außenministern gemeinsam das Recht aller souveränen Staaten, ihre eigene Zukunft zu bestimmen, betont und damit Putins Forderung, die NATO müsse ihre Zusage für eine Beitrittsperspektive der Ukraine kassieren, zurückgewiesen. Baerbock hat außerdem an ihrer ablehnenden Haltung zu Nordstream 2, die sie schon im Wahlkampf vertreten hat: „Ich halte diese Pipeline nach wie vor für falsch, aus klimapolitischen Gründen, aber vor allem auch geostrategisch.“ konsequent festgehalten. Bei ihrem schwierigen Besuch in Polen hat sie unmissverständlich zum Ausdruck gebracht: „Gerade bei Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten können wir nicht zulassen, dass Europas Fundamente wegbröckeln.“ und damit die EU gestärkt. Und bei ihrem Gespräch mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel hat sie betont, „dass wir NATO-Mitglied und der nuklearen Teilhabe verpflichtet sind“. Da fragt man sich doch: „Ja reden Kanzler Scholz und Ministerin Baerbock eigentlich miteinander?“ – und das wäre doch eigentlich eine zwingende Voraussetzung für einen gemeinsamen deutschen Beitrag zu einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa!

So darf das nicht weitergehen! Das Kabinett muss eng zusammenarbeiten, zu einer gemeinsamen abgestimmten Politik finden und diese Politik stimmig und verständlich öffentlich vertreten. Das Parlament muss in unserer parlamentarischen Demokratie seiner Pflicht zur Kontrolle des Regierungshandelns wieder konsequent nachkommen – insbesondere auch, weil die vorwiegend links-grünen Medien als „vierte Gewalt“ bei der kritischen Begleitung des Regierungshandelns seit Jahren versagen. Und der Bundeskanzler muss seiner Richtlinienkompetenz insbesondere in der Außenpolitik gerecht werden! Vor uns liegen schwierige, aber auch interessante – hoffentlich irgendwann erfolgreiche -Zeiten.

(22.12.2021)

 

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