Hans-Heinrich Dieter

Verantwortungsschwach!   (22.07.2016)

 

Am Wochenende 09/10. Juli ist im Süd-Sudan der Bürgerkrieg erneut ausgebrochen. Am 11.07. hat sich UN-Generalsekretär Ban Ki Moon an alle Nationen, die im Süd-Sudan Soldaten und Polizisten für UNMISS stellen, gewandt: „Ich fordere alle Länder, die Truppen stellen auf: Halten sie die Stellung vor Ort!“ Denn ein Abzug von Teilen wäre das falsche Signal an die Welt und die Bevölkerung des geschundenen Landes und verheerend für die Moral der Truppe vor Ort.

Am 13.07. lässt die Bundesregierung mehrere Diplomaten und Entwicklungshelfer aus dem Süd-Sudan mit einer Transall der Bundeswehr in Sicherheit bringen. Während die 15 Soldaten der Bundeswehr als Teil von UNMISS im Land bleiben und die USA mehr Soldaten in den Süd-Sudan schicken wollen, werden auf Anordnung des deutschen Innenministeriums - wie es heißt aus Fürsorgegründen - alle 7 deutschen Polizeibeamten der UNMISS ohne hinreichende Absprache mit den Vereinten Nationen auch ausgeflogen.

Die Vereinten Nationen sind mit Recht empört, denn der Abzug der Sicherheitskräfte, ohne Konsultation mit der UN-Einsatzleitung, habe die Funktionsfähigkeit der Mission beeinträchtigt und die Moral der verbliebenen Mitarbeiter und Blauhelmsoldaten geschwächt.

Während Hunderte anderer ziviler Mitarbeiter, UN-Freiwillige und Blauhelme unter sehr schwierigen Bedingungen bleiben und weiterarbeiten, werden deutsche UN-Kräfte einfach unangekündigt abgezogen. Was für ein Signal an die Welt: Wenn es gefährlich wird kneifen die Deutschen! Die UN reagieren entsprechend und haben Deutschland darüber informiert, dass deutsche Polizisten künftig im Süd-Sudan als UN-Mitarbeiter nicht mehr willkommen sind.

Solche deutsche Peinlichkeit ist schwer zu übertreffen und da hilft es sehr wenig, dass auch Großbritannien und Schweden Teile ihrer Polizei aus UNMISS abgezogen haben und in der Kritik stehen.

Das Verhalten des deutschen Innenministers ist aber nicht nur peinlich sondern auch verantwortungslos. Und wieder einmal steht Deutschland als eine Maulhelden-Nation im Blickfeld. Im Februar 2014 haben der deutsche Bundespräsident, die Verteidigungsministerin und dann auch - nolens volens - der deutsche Außenminister bei der Münchner Sicherheitskonferenz angekündigt, dass Deutschland zukünftig mehr sicherheitspolitische Verantwortung in der Welt übernehmen wolle: „Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substantieller einbringen.“ Inzwischen hat sich diesbezüglich nicht viel getan. Denn zwischen Reden auf der Münchner Sicherheitskonferenz und realer Politik in Berlin gibt es naturgemäß Unterschiede. Wir reden über vernetzte Sicherheitspolitik aber dem dafür zuständigen Außenminister gelingt es nicht - oder er findet einfach nicht die Zeit - solche zwingend erforderliche Politik zu konzipieren und zu gestalten. Wenn schon vernetzte Sicherheitspolitik nicht gemacht wird, dann sollten die Ressortchefs de Maizière und von der Leyen sich aber zumindest absprechen und so die Peinlichkeit, dass 15 deutsche Soldaten der Bundeswehr selbstverständlich im Süd-Sudan bleiben, aber 7 deutsche Polizisten unkoordiniert, schnöde und verantwortungslos abgezogen werden, vermeiden.

Wir reden von mehr Verantwortung in der Welt, haben es aber versäumt, die Instrumente deutscher Außen- und Sicherheitspolitik entsprechend zu befähigen und die politischen Rahmenbedingungen für ein verlässliches Engagement zu schaffen. Deutsche Sicherheitskräfte haben deutlich zu wenig Personal und sind materiell nur teilweise einsatzfähig. Die Bundeswehr ist seit Jahren unterfinanziert. Deutschland bleibt mit 1.2 Prozent Verteidigungsinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt deutlich hinter dem vereinbarten NATO-Ziel von 2 Prozent zurück. Aufgrund der dadurch entstandenen Fähigkeitslücken bei der Bundeswehr bieten wir als sicherheitspolitische Beiträge hauptsächlich „soft skills“ wie Lufttransport, Aufklärungskapazität, militärische Ausbildung, Sanitätsdienst und Pioniertechnische Fähigkeiten an - aber natürlich möglichst keine Kampftruppen, um gefährlichen „Kriegseinsätzen“ aus dem Weg zu gehen. Das hat Deutschland den Ruf einer Drückeberger-Nation eingebracht.

Auch im Februar 2014 hat sich Bundespräsident Gauck bei einem Staatsbesuch in Indien - mutig - für eine Reform des UN-Sicherheitsrates eingesetzt: „Das Gremium sollte die Realitäten der heutigen Welt spiegeln, nicht die von 1945“. Damit hat er die Bemühungen sowohl Deutschlands als auch Indiens um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat thematisiert. 2014 hat sich Deutschland lediglich mit rund 250 Soldaten an sechs der 17 sogenannten Peacekeeping-Missionen der Vereinten Nationen beteiligt, die insgesamt weit über 100.000 Soldaten, Polizisten und Militärexperten umfassen. Auch hier hat sich wenig entwickelt.

Deutsche Politiker werden von unseren europäischen und internationalen Partnern an ihren Worten - manchmal auch Plattitüden und Phrasen - aber auch an ihren Taten gemessen werden. Deutschland wird im Hinblick auf die geweckten Erwartungen bisher als zu leicht befunden werden, weil die politischen Voraussetzungen wie auch die militärischen Fähigkeiten für ein stärkeres internationales Engagement noch nicht hinreichend geschaffen sind.

Der verantwortungslose Abzug der deutschen Polizisten aus UNMISS wird den Eindruck verstärken, dass Deutschland aus dem „Drückebergertum“ noch nicht herausgefunden hat. Also noch nicht reif ist für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat!

(22.07.2016)

 

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