Hans-Heinrich Dieter

Unverantwortlich handelnde EZB   (09.02.2022)

 

Die Europäische Zentralbank hat im Juli 2021 ihr Inflationsziel geändert. Bis Mitte 2021 wurde eine jährliche Teuerungsrate von „unter, aber nahe zwei Prozent“ angestrebt. Dieses Ziel wurde dann auf „glatte“ zwei Prozent erhöht. Zugleich gewährten sich die sogenannten „Währungshüter“ mehr Handlungsfreiheit, denn zeitweise „moderat über dem Zielwert“ liegende Raten sollen künftig nicht sofort zu Zinserhöhungen führen. Das Inflationsziel von zwei Prozent wird also nicht länger als die strikt zu berücksichtigende Obergrenze durch die „Altersarmutförderer“ - wie die vermeintlichen Währungshüter richtigerweise genannt werden sollten - anerkannt! Für die Zocker an den Börsen war das eine gute Nachricht. Den hoch überschuldeten Staaten Südeuropas – allen voran Italien, Frankreich und Spanien – ist ein Stein vom verschuldeten Herzen gefallen, denn die EU-Staaten profitieren von dieser Zinspolitik, weil sie in den vergangenen Jahren ihre Schulden-Zinslast erheblich mindern konnten. Und so schauen alle EU-Staaten zu, wenn die EZB unzulässigerweise ihre Grenzen überschreitet, Finanzpolitik betreibt und den Euro entwertet.

Für Sparer, Anleger und Versicherer bedeutet das aber, dass die ultralockere Geldpolitik fortgesetzt wird und die geldentwertenden Inflationsraten weiter steigen. Mit dem guten alten Sparen ist der eigene Wohlstand nicht mehr zu sichern und schon überhaupt nicht zu mehren. Denn die Banken geben die Zinsen, die sie bei der Europäischen Zentralbank für das Hinterlegen von Geld bezahlen müssen, mehr und mehr an die Sparer weiter. Und das, obwohl Paul Kirchhof, Professor für öffentliches Recht und Steuerrecht an der Universität Heidelberg und ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts, das Belegen von Bankeinlagen durch die EZB mit Zinsen in Höhe von Minus 0,5 Prozent für einen Verstoß gegen die Verfassung und gegen Europarecht hält, weil Sparer mit dem Negativzins enteignet werden, obwohl der Staat prinzipiell nicht auf Privateigentum zugreifen darf. Und der arrogante Rat von Bankern und auch manchen Politikern an sparende Rentner und ältere Bürger, ihr Geld an der Börse anzulegen, ist wenig zielführend, weil Kleinanleger die jeweilige algorithmengesteuerte Börsenentwicklung weder beeinflussen noch beurteilen können, sondern den Machenschaften von Großkapitalzockern, Leerverkäufern, CumEx-Spezialisten sowie provisionsgierigen Anlagenberatern ausgeliefert sind. Da wundert es nicht, dass der Verdacht aufkommt, hier sei auch zum Teil kriminelle Energie im Spiel!

Deutschland schaut dieser Finanzpolitik, die die Altersarmut in Deutschland fördert, kritiklos zu und auch die EU unternimmt nichts gegen die übergriffige EZB, weil diese Politik die derzeitige Entwicklung der EU vom Gläubiger zur Schuldenunion begünstigt.

Und nun ist die Inflationsrate in der Euro-Zone - wider Erwarten der EZB - im Dezember auf einen Rekordstand gestiegen und lag im Januar knapp unter 5 %. Dadurch gerät vor allem die sture EZB-Chefin Christine Lagarde, die auf die Preissteigerungen bislang nur mit besänftigenden und unglaubwürdigen Sprüchen reagiert hat, unter Druck.

In ihrer sturen Unterstützungskampagne für die hoch überschuldeten Staaten Südeuropas – allen voran Italien, Frankreich und Spanien - wird Lagarde von Deutschlands mächtigster Notenbankerin, Prof. Isabel Schnabel, unterstützt. Diese hohe „Euro-Hüterin“ sitzt im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) und will auch nichts gegen die Inflation tun. Der SZ sagte sie: „Unseren Entscheidungen liegt eine mittelfristige Perspektive von etwa ein bis drei Jahren zugrunde. Auf mittlere Sicht gehen wir davon aus, dass die Inflation deutlich sinkt. Das ist der Grund, warum wir derzeit nicht die Zinsen erhöhen, wie manche fordern.“

Dabei könnte die EZB den „Teuer-Schock“ bremsen, indem sie – dem guten Beispiel des US-Federal Reserve Systems folgend - den Leitzins anhebt, der aktuell bei historisch niedrigen 0 Prozent liegt. Die EZB will das aber mit Rücksicht auf Frankreich, Italien, Spanien und die Börsen einfach nicht! Und das, obwohl die Inflation im Euroraum noch Jahre andauern könnte, wie EZB-Direktorin Isabel Schnabel selbst zugesteht. Und sie wird in dieser ehrlichen Einschätzung von ihrem Leipziger Kollegen, dem Top-Ökonom Gunther Schnabl unterstützt: „Wenn ab dem Jahr 2023 die Inflation tatsächlich wieder unter der Zielmarke von 2 Prozent liegen würde, dann gäbe es keinen Grund, die Zinsen zu erhöhen. … Allerdings lag die EZB in der Vergangenheit mit ihren Prognosen meist daneben!“

Der neue Bundesbankpräsident Nagel sieht das alles realistischer. Er hält angesichts der hohen Inflation eine Zinsanhebung noch in diesem Jahr für möglich. Nach seiner Einschätzung seien die ökonomischen Kosten deutlich höher, wenn man zu spät handele. Der erste Schritt sei, die Nettoankäufe von Staats- und Unternehmensanleihen im Laufe dieses Jahres zu beenden. Dann könnten die Zinsen noch in diesem Jahr steigen, betonte der Bundesbank-Chef. Die Bundesbank rechnet für Deutschland 2022 mit einer Preissteigerung von deutlich über vier Prozent. Und mit ihrer ultralockeren Geldpolitik heizt die EZB die Teuerung auch noch an. Der Bundesbankpräsident Nagel sollte helfend eingreifen, bevor die EZB im März 2022 die Lage neu beurteilen will!

Vorteile von dieser wenig verantwortungsbewussten Finanzpolitik haben letztlich nur die Börsen und die finanzpolitischen Akteure selbst. Der ehemalige EZB- Präsident Draghi wurde für seine Italien stark begünstigende Finanzpolitik politisch belohnt. Seine Nachfolgerin Lagarde wurde von Macron durchgesetzt und wird sicher später für eine frankreichfreundliche Politik belohnt werden. Und die jetzt bereits existierende Finanzblase wird kräftig weiter aufgepustet und sich zu einer EU-Finanzkrise entwickeln, die dann die europäischen Steuerzahler auszubaden haben!

Die EZB hat für die Stabilität des Euro zu sorgen – und wird dieser Verantwortung nicht gerecht!

(09.02.2022)

 

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