Hans-Heinrich Dieter

Untaugliches Wehrdienstmodell   (11.11.2024)

 

Die Allgemeine Wehrpflicht wurde nach 1955 eingeführt und sollte, in Zeiten des Kalten Krieges, sicherstellen, dass die Bundeswehr immer genügend Soldaten hat. Gemustert wurden alle jungen Männer ab 18 Jahren. Wer nicht als Soldat dienen wollte und den Wehrdienst verweigerte, musste einen Ersatzdienst leisten, zum Beispiel in Form des sogenannten Zivildienstes. Über die Jahrzehnte wurde der Wehrdienst von zwischenzeitlich eineinhalb Jahren auf zuletzt sechs Monate verkürzt. Der Personalbedarf der Bundeswehr sank, immer weniger junge Männer wurden überhaupt noch eingezogen. Wehrgerechtigkeit wurde in unserer Demokratie bis zur Aussetzung der Wehrpflicht vor 13 Jahren nie gewährleistet!

Nach der Wiedervereinigung und mit dem Ende des Kalten Krieges hielt man in Deutschland die glaubwürdige Abschreckung durch eine einsatzfähige Bundeswehr nicht mehr für erforderlich. Auch deswegen wurde die Wehrpflicht ausgesetzt und die Bundeswehr zum Sanierungsfall kaputtgespart. Deutschland entwickelte sich zu einem wenig glaubwürdigen sicherheitspolitischen Zwerg, der über Jahre die NATO-Vereinbarungen für jährliche Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit der Streitkräfte nicht erfüllt hat. Heute ist die Bundeswehr gemäß Wehrbericht 2022 in einem bedauernswerten Zustand. Die Bundeswehr hat von allem zu wenig und auch viel zu wenig Personal. Nach Aussage des Bundeswehrverbandes ist der Personalbestand auf 181.500 Soldaten und Soldatinnen gesunken. Ende 2022 lag der Personalumfang noch bei 183.050.

Aufgrund des verbrecherischen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine hat ein Umdenken stattgefunden. Im Zusammenhang mit der von Scholz deklarierten „Zeitenwende“ soll Deutschland bis 2031 wieder über Streitkräfte verfügen, die nach NATO-Kriterien für die Landes- und Bündnisverteidigung einsatzfähig sind. Dazu hat der Scholzomat „verkündet“, dass Deutschland ab sofort die 2 Prozent-BIP-NATO-Vereinbarung einhalten wird und darüber hinaus ein 100-Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr gesetzlich verankert. Bisher hat sich das nur unzureichend positiv auf die Entwicklung der Bundeswehr ausgewirkt und das liegt auch am Mangel geeigneten Personals.

Deswegen hat man schon viele Monate über einen „Wehrdienst der Zukunft“ nachgedacht und diskutiert. Die Zeit drängt, denn der Personalaufwuchs braucht seine Zeit, und es geht immerhin darum, die Personallücke von derzeit rund 20.000 Soldaten zu schließen. Deswegen wollte Minister Pistorius seine Pläne eigentlich schon früher bekanntgeben und diskutieren, aber weil der „Zeitenwende-Kanzler“ sich aus wahltaktischen Gründen und auf Druck der Mützenichs, Stegners und anderer tiefroter Sozis zum „Friedenskanzler“ zurückverwandelt hat, wurde Pistorius mehrfach ausgebremst. So hat der uninformierte Wehrdienstverweigerer Scholz seinem Verteidigungsminister bescheinigt, mit den Überlegungen für den „Wehrdienst der Zukunft“ „eine überschaubare Aufgabe“ zu bearbeiten, an der Pistorius und General Breuer allerdings schon Monate arbeiten. Das Wort „Wehrpflicht“ wurde dann nicht mehr in den Mund genommen. Es war ausschließlich von Freiwilligkeit, von einem Werben für die Bundeswehr die Rede und von attraktiven Angeboten wie etwa einem kostenlosen Führerschein. Und eine Entscheidung über eine „Allgemeine Dienstpflicht“ wurde mit fadenscheinigen und unglaubwürdigen Begründungen bis nach der Bundestagswahl 2025 verschoben. So wird aus Pistorius` Forderungen nach „Kriegstüchtigkeit“ nichts und die bis 2031 geplante Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte nach NATO-Kriterien für die Landes- und Bündnisverteidigung wird auch nicht zeitgerecht zu realisieren sein. So wird Deutschland ein unzuverlässiger „Sicherheitspolitischer Zwerg“ bleiben. Das dürfte die parlamentarische Opposition eigentlich nicht zulassen!

Kurz vor dem krachenden Zusammenbruch der „Ampel“ bekam Pistorius Zustimmung vom Bundeskabinett für seine neuen Wehrdienst-Pläne und wenn Bundestag und Bundesrat zustimmen, könnte es von Mai kommenden Jahres an losgehen. Es heißt: „Das Bundeskabinett hat gesetzlichen Änderungen für die Einführung eines neuen Wehrdienstes in Deutschland zugestimmt. Erklärtes Ziel des SPD-Verteidigungsministers ist es, dass alle jungen Männer, die vom kommenden Jahr an 18 Jahre alt werden, in einem digitalen Fragebogen Auskunft über ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Militärdienst geben müssen, junge Frauen können dies machen.“

Und der Verteidigungsminister erläutert: „Das Gesetz zum Neuen Wehrdienst ermöglicht uns, die Wehrerfassung wieder zu installieren, die es seit Aussetzung der Verpflichtung zum Grundwehrdienst 2011 nicht mehr gibt. Wenn es morgen zum Verteidigungsfall käme, wüssten wir nicht, wen wir einziehen könnten, weil es keine vollständige Datengrundlage gibt. Mit der Aussetzung des Wehrdienstes sind Wehrerfassung und Wehrüberwachung zerschlagen worden, obwohl der Staat gesetzlich dazu verpflichtet ist.“

Im Wehrpflichtgesetz ist aber weiter festgelegt, dass die Wehrpflicht für Männer auflebt, wenn der Bundestag den Spannungs- und Verteidigungsfall feststellt, ohne dass es nach 2011 noch konkrete Vorbereitungen für eine solche Situation gab. Personalsorgen der Bundeswehr haben zuletzt zugenommen und die Zahl der Soldaten war mit Stand Juni sogar unter 180.000 Männer und Frauen gesunken. Es gibt zudem rund 60.000 beorderte - also fest eingebundene - Reservisten.

Wegen der nun veränderten Sicherheitslage hat sich der Bedarf Deutschlands für das Erreichen der NATO-Ziele für die Landes- und Bündnisverteidigung aber deutlich erhöht. Pistorius: „Der deutsche Beitrag zur Bündnisverteidigung erfordert langfristig einen Verteidigungsumfang von insgesamt rund 460.000 Soldatinnen und Soldaten. Ein großer Teil davon, nämlich rund 260.000, muss aus der Reserve aufwachsen können.“

Wie will man nun dieses Personal gewinnen? Weil man die immer noch zahlreichen rot/grünen Naiv-Pazifisten nicht verprellen will, setzt man auf Freiwilligkeit nach skandinavischen Modellen. Von einer „Wehrpflicht“ - wie sie im Kriegsfall aufgrund der Gesetzeslage wieder in Kraft treten würde - bleibt damit allerdings wenig übrig.

Pistorius kündigt an: „Wir versenden einen digitalen Fragebogen. Junge Männer, die 18 Jahre alt werden, sind verpflichtet, ihn auszufüllen. Damit erheben wir die nötigen Daten, die wir für eine Erfassung brauchen. Die Musterung eines ganzen Jahrgangs ist nicht nötig. Auch die gleichaltrigen Frauen bekommen den digitalen Fragebogen. Sie sind allerdings nicht verpflichtet, ihn auszufüllen, da es im Grundgesetz nur eine Wehrpflicht für Männer, nicht aber für Frauen gibt.“ Die jungen Männer, die sich für einen Dienst in der Bundeswehr interessieren, können sich dann freiwillig für die Ausbildung melden. Dabei soll die Basisausbildung für den neuen Wehrdienst sechs Monate dauern - mit der Option, für Spezialisierungen auf bis zu 23 Monate verlängern zu können. Im Raum steht ein Sold von mindestens 1.800 Euro, den Umständen nach auch bis zu 200 Euro mehr. Ob man damit die benötigten 260 000 Reservisten aufwachsen lassen kann, ist sehr fraglich – richtiger gesagt illusorisch!

Der Personalbedarf der Bundeswehr wird heute schon nicht gedeckt. Die Absprungrate der jungen Freiwilligen ist heute schon in den ersten drei Monaten des freiwilligen Dienstes sehr hoch. Die körperliche Fitness lässt häufig zu wünschen übrig und die Belastbarkeit ist ebenfalls oft eingeschränkt. Warum soll sich das mit dem neuen Wehrdienstmodell ändern? Außerdem sind Frauen und Männer gleichgestellt, das sollte auch für ein neues Wehrdienstmodell gelten. In mehrfacher Hinsicht scheint das Pistoriusmodell untauglich zu sein.

Die Personalprobleme der Bundeswehr sind wohl nur durch die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für alle Frauen und Männer zu lösen. Die Dienstpflichtigen haben die freie Wahl, ihre Pflicht in der Bundeswehr oder in sozialen und gemeinschaftsdienlichen Einrichtungen zu erfüllen!

Diese Dienstpflicht darf ein Jahr nicht unterschreiten, muss gerecht organisiert und von der Gesellschaft akzeptiert werden. Die jungen Staatsbürger/innen können sich für Dienst bei der Feuerwehr, beim THW, in der Pflege, in der Bundeswehr etc. entscheiden und so auch den allgemein herrschenden Personalmangel lindern. Die jungen Bürger bringen sich außerdem in die Unterstützung unseres Gemeinwesens ein und sollten dabei auch politisch weitergebildet werden. Damit werden mehrere Probleme unseres Gemeinwesens mit einer vernünftigen Maßnahme gelöst!

In dem Zusammenhang kann man froh sein, dass die „Ampel“ möglichst bald „unrühmliche Geschichte“ ist und wahrscheinlich die CDU/CSU mit einer andersorientierten Koalition einen Neuanfang machen und auch dieses Problem vernünftig lösen kann!

(11.11.2024)

 

 

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