Hans-Heinrich Dieter

Überlebenswichtige Unterstützung   (07.09.2024)

 

Nachdem in der vergangenen Woche die Treffen der EU-Außenminister und danach der EU-Verteidigungsminister keine Fortschritte in der Unterstützung der Ukraine gebracht haben, fühlte sich Putin ermutigt, in dieser Woche zivile Ziele und überlebenswichtige Infrastruktur der Ukraine mit massivem Raketen- und Drohnen-Einsatz anzugreifen. Darüber hinaus kommen die russischen Streitkräfte im Donbas weiter voran. Deswegen ist es sehr wichtig, dass sich die Ukraine-Kontaktgruppe gestern auf der US-Militärbasis erneut getroffen hat – erstmalig mit Teilnahme von Präsident Selenskyj.

Selenskyj betonte, sein Land brauche Langstreckenraketen und weitere Kampfjets vom Typ F16, um damit auch Ziele in Russland anzugreifen. Die westlichen Verbündeten müssten „rote Linien“ von Putin ignorieren und solche Einsätze gestatten, forderte Selenskyj. Nur so werde man sich gegen das russische Militär behaupten und Russland zum Frieden zu akzeptablen Bedingungen zwingen können. Bei einem gestrigen Vieraugengespräch mit Ampel-Scholz in Frankfurt wird Selenskyj diese Forderungen auch vorgebracht haben – Erfolgsaussichten sind da gering!

Die Ukraine hat im Hinblick auf Personal, Waffen und Munition bei den Streitkräften von allem zu wenig. Die Zivilbevölkerung wird durch den massiven Beschuss ziviler Infrastruktur und überlebenswichtiger Strukturen für die Energieversorgung zunehmend mürbe geschossen und steht vor einem schlimmen Winter. Der Ukraine muss von den USA und von der EU schneller und umfangreicher geholfen werden, sonst verliert die Ukraine diesen Krieg und Putin kann seinen Landraub und Genozid an der ukrainischen Bevölkerung zum Abschluss bringen, ohne sich Friedensverhandlungen stellen zu müssen. Der Westen muss endlich ehrlich und mutig zu seinen „Ankündigungen“ stehen: Die Ukraine darf diesen Krieg nicht verlieren und muss unterstützt werden – as much and as long as it takes!

Und da macht es keinen wirklichen Mut, wenn viele der Beschlüsse in Ramstein lediglich einen symbolischen Eindruck hinterlassen wie zum Beispiel die Ankündigung von Verteidigungsminister Pistorius, Kiew weitere zwölf Panzerhaubitzen vom Typ 2000 zur Verfügung zu stellen – allerdings 2024 lediglich 6 Systeme! Zudem wolle man der Ukraine gemeinsam mit anderen europäischen Partnern so schnell wie möglich 77 Leopard-Kampfpanzer überlassen – wie lange solche Partnerprojekte brauchen und wie unzuverlässig die Zielerfüllung ist, kann man vom tschechischen Munitionsprojekt lernen. Da ist es erfreulich, dass die USA zusätzliche Hilfen für die Ukraine in Höhe von 250 Millionen Dollar bereitstellen. Großbritannien kündigte an, Kiew 650 Raketen zur Luftabwehr im Wert von umgerechnet 192 Millionen Euro zu liefern. Kurz vor dem Treffen beschloss Rumänien, dem Nachbarland eines seiner Patriot-Flugabwehrsysteme zu überlassen. Aber auch diese Verstärkung der Luftabwehr wird nicht hinreichend sein, solange die Ukraine westliche Systeme nicht gegen militärische Ziele auf russischem Boden einsetzen dürfen.

Dass die Ukraine gemäß dem humanitären Völkerrecht berechtigt ist, auch in Russland militärische Ziele anzugreifen, ist unbestritten. Die Zurückhaltung hauptsächlich Washingtons und Berlins im Hinblick auf den Einsatz westlicher Waffen gegen Ziele in Russland wurde vor allem mit der Sorge vor einer weiteren Eskalation begründet, die zu einer direkten Konfrontation zwischen der NATO und Russland führen könnte.

Die NATO und vor allem Deutschland sollten diese Haltung überdenken. Da es gemäß dem humanitären Völkerrecht der Ukraine erlaubt ist, auch in Russland militärische Ziele anzugreifen, sollten auch westliche Waffen gegen russische Militärziele in Russland eingesetzt werden dürfen. Denn die westlichen Waffen gehören nach der Übergabe an die Ukraine den ukrainischen Streitkräften. Ein Einsatz westlicher Waffen gegen russische logistische Einrichtungen, gegen Flugplätze und Bereitstellungsräume für russische Angriffstruppen auf russischem Boden würden die Erfolgsaussichten der ukrainischen Verteidigung erheblich verbessern und auch die Angriffe auf ukrainische Zivilziele erheblich reduzieren.

Deutschland sollte die „sozialdemokratische Sorge“ vor einer weiteren Eskalation, die zu einer direkten Konfrontation zwischen der NATO und Russland führen könnte, überwinden. Denn die russischen Streitkräfte haben sich bisher nicht sehr schlagkräftig und erfolgreich eingebracht – die russischen Streitkräfte und Putin müssten sich eigentlich schon jetzt schämen! Die NATO ist zu stark für Russland, um zu einem „Vergeltungsschlag“ gegen sie auszuholen zu können. Und auch die Angst vor dem Einsatz russischer Nuklearwaffen ist übertrieben, denn noch leben wir unter dem US-Nuklearschirm – und wer als erster Nuklearwaffen einsetzt, stirbt als zweiter!

Deutschland sollte endlich Taurus-Raketen an die Ukraine liefern, deren Nutzung auch gegen militärische Ziele auf russischem Boden zulassen, die Ukraine nach Kräften weiter unterstützen und die wehrfähigen männlichen ukrainischen Flüchtlinge im Zusammenwirken mit der Ukraine und der EU in die Ukraine zurückschicken, denn dort werden sie gebraucht und außerdem haben diese Ukrainer gegen das Gesetz verstoßen, weil sie nach Kriegsbeginn widerrechtlich die Ukraine verlassen haben.

Die naiv-pazifistische „German Angst“ ist im Zusammenhang mit der Unterstützung der Ukraine übertrieben. Wir sollten der Ukraine daher durchaus etwas mutiger helfen – auch im Sinne unserer eigenen Freiheit und zukünftigen Sicherheit!

(07.09.2024)

 

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