Hans-Heinrich Dieter

Türkische Demokratur   (02.11.2015)

 

Die Mehrheit der Türken hat sich bei den Parlamentswahlen gegen eine Weiterentwicklung der türkischen Demokratie und gegen Europa entschieden. Die Mehrheit der Türken billigt offensichtlich, dass Erdogan mit seiner Marionetten-Regierung die Opposition eingeschüchtert, Journalisten unter Druck setzt oder festnimmt und massive Angriffe gegen Kurden und die PKK führt. Die Mehrheit des Wahlvolkes nimmt außerdem billigend in Kauf, dass Erdogan unabhängige staatliche Institutionen wie die türkische Justiz schwächt, gegen die laizistische Opposition und kritische Teile der türkischen Zivilgesellschaft autoritär vorgeht und verfassungsrechtliche Regeln missachtet. Die Mehrheit der Türken will offensichtlich von dem zunehmend autoritär agierenden Chauvinisten Erdogan stramm geführt werden. Deutschland hat mit dem Besuch der Kanzlerin bei Erdogan auch noch Wahlkampfhilfe gegeben. Und die EU hat durch das Zurückhalten des sehr negativ ausgefallenen Fortschrittsberichtes zur Beitrittsfähigkeit der Türkei die demokratischen und proeuropäischen Oppositionskräfte geschwächt. 

Das hat der seit 13 Jahren regierenden AKP nun wieder die erwünschte absolute Mehrheit gebracht. Präsident Erdogan kann nun darangehen, seinen Plan, die Türkei in eine Präsidialdemokratie nach Putins Vorbild zu verwandeln, in die Tat umzusetzen. Für eine Verfassungsänderung braucht er allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und die ist in der derzeitigen politischen Konstellation nur sehr schwer zu erreichen. Die pro-kurdische HDP ist im Parlament erneut vertreten und die Oppositionsparteien werden Erdogans Planungen für Verfassungsänderungen so nicht unterstützen. Deswegen wird diese Wahl die Lage in der Türkei nicht beruhigen, die Türkei bleibt gespalten. 

Die Europäische Union und Deutschland dürfen nun trotz der Flüchtlingskrise die Türkei nicht länger hofieren oder mit Samthandschuhen anfassen und sich von dem Autokraten Erdogan auch nicht erpressen lassen. Jegliches Anbiedern und jeglicher Schmusekurs der EU gegenüber der Türkei und dem nationalistischen, chauvinistischen und zunehmend autokratisch agierenden Erdogan verbieten sich, wenn die EU nicht noch weiter an Glaubwürdigkeit und Vertrauen verlieren will. Die Europäische Union muss die Entwicklung in der Türkei nach diesen Wahlen kritisch begleiten und Beitrittsverhandlungen ohne Zugeständnisse streng nach ihren Prinzipien und Regeln durchführen.  

Den Demokraten in der Türkei muss geholfen werden, wenn das Land nicht nachhaltigen Schaden nehmen soll.

(02.11.2015)

 

 

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