Hans-Heinrich Dieter

Sicherheitspolitische Fehler   (04.10.2012)

 

Der NATO-Generalsekretär zeigt zunehmend sicherheitspolitische Schwächen. Jüngst sagte er der britischen Tageszeitung „The Guardian“ im Zusammenhang mit den zunehmenden Mordanschlägen einzelner afghanischer Sicherheitskräfte auf NATO-Soldaten, "Die Umstrukturierung einiger Truppen könnte beschleunigt werden" … "Unsere Truppen können andere Aufgaben übernehmen oder gar abgezogen werden" …"Und ich kann nicht ausschließen, dass wir diesen Prozess in einigen Gebieten beschleunigen, falls es die Sicherheitslage erlaubt." Dadurch vermittelte er in Medien den Eindruck, dass die NATO durch die Insider-Attacken so beeinträchtigt und demoralisiert ist, dass die Rückzugsplanung der NATO-Truppen bis 2014 in Frage steht. Solche missverständlichen bis wenig verantwortungsbewussten Aussagen vermitteln falsche Signale in die afghanische Politik, in die afghanische Bevölkerung, in die afghanischen Sicherheitskräfte, in die Terrororganisation der Taliban aber auch in die NATO-Mitgliedstaaten und –Truppenteile. Da stehen schnell Menetekel wie „Niederlage“ oder „Flucht“ an der Wand.

Entsprechend schnell twitterte Nato-Sprecherin Oana Lungescu eine Korrektur und erklärte, dass sich "am Zeitplan nichts ändern wird." Die Exit-Strategie werde in keiner Weise modifiziert. Auch die steigende Zahl sogenannter Insider-Attacken werde darauf keinen Einfluss haben. Was wäre das auch für ein Militärbündnis, das sich durch Mordanschläge eingeschleuster Taliban in afghanischer Uniform die Änderung einer Strategie, die mühsam mit allen Truppen stellenden Nationen ausgehandelt wurde, aufzwingen ließe?

Vielmehr muss die NATO die afghanischen Sicherheitskräfte, zusammen mit den afghanischen Verantwortlichen- eigentlich allen voran Karzai - von eingeschleusten Taliban säubern und das Prüfsystem für neu anzuwerbende Sicherheitskräfte verbessern. Denn immerhin werden Analysen zur Folge etwa 35.000 Soldaten des westlichen Bündnisses nach 2014 in Afghanistan bleiben müssen, um die afghanischen Sicherheitskräfte zu beraten und weiter auszubilden. Dafür müssen hinlänglich sichere Rahmenbedingungen geschaffen werden. Und da hilft es nicht, die Lage politisch schön zu reden und von Taliban-Aussteigern in großen Mengen zu träumen. Da helfen nur eine nüchterne Lagebeurteilung und massive Anstrengungen, um die Taliban erfolgreicher als bisher zu bekämpfen.

Es wundert nicht, dass der Bundesnachrichtendienst die Lage in Afghanistan weitaus kritischer beurteilt als die Bundesregierung und die NATO in ihren offiziellen Verlautbarungen. Demnach steht es um die Sicherheit in Afghanistan nicht gut, weder aktuell noch in der prognostizierbaren Zukunft. In seinem internen Bericht „Afghanistan bis 2014 – eine Prognose“ geht der BND davon aus, dass die Insider-Mordanschläge zunehmen werden, dass das Wiedereingliederungsprogramm für Taliban keine positiven Auswirkungen haben wird und dass deswegen, auch nach 2014, möglichst viele Spezialkräfte zur Zerschlagung der Taliban gebraucht werden, um Afghanistan einigermaßen zu stabilisieren. Von der korrupten Regierung Karzai ist nach Einschätzung des BND dabei keine Unterstützung zu erwarten.

Das Ziel Deutschlands heißt „Übergabe in Verantwortung“. Um das Ziel bis 2014 im deutschen Verantwortungsbereich zu erreichen, braucht es noch erhebliche politische und militärische Anstrengungen sowie das entsprechend ausgebildete und ausgerüstete militärische Personal in den erforderlichen Größenordnungen. Die Auswertung des BND-Berichtes erleichtert möglicherweise richtige politische Entscheidungsfindungen.

Aber die deutschen Anstrengungen sind nur im Rahmen der internationalen Staatengemeinschaft erfolgreich. Und da wünscht man sich einen souveränen, leistungsfähigen NATO-Generalsekretär und nicht einen Rasmussen, der  per Twitter durch seine Sprecherin korrigiert werden muss.

Da erscheint es wie ein sicherheitspolitischer Fehler, dass die NATO-Mitgliedstaaten auf Bitten von Rasmussen sein Mandat als NATO-Generalsekretär um ein Jahr auf insgesamt fünf Jahre verlängern.

(04.10.2012)

 

 

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