Hans-Heinrich Dieter

Raus aus Mali!   (14.04.2022)

 

Wir wollten eigentlich aus dem misslungenen Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr lernen. Aus den Ankündigungen wurde bisher nichts, denn der Deutsche Bundestag hat sich mit diesem Lehrstück politischen Versagens noch nicht abschließend befasst. Und nun droht in Mali - im derzeit umfangreichsten und gefährlichsten Auslandseinsatz der Streitkräfte - ein ähnliches Desaster!

In Mali bildet die EU mit der Mission EUTM derzeit die malischen Streitkräfte aus. An dieser Mission sind auch 300 deutsche Soldaten beteiligt. Zusätzliche 1100 Bundeswehrsoldaten sind im Rahmen des UN-Stabilisierungseinsatzes MINUSMA in Mali eingesetzt.

Die Sicherheitslage hat sich seit Beginn der Einsätze nicht verbessert. Das Gegenteil ist der Fall, denn die Lage in der Sahel-Zone und auch in Mali hat sich negativ entwickelt. Die malische Ãœbergangsregierung wurde nach einem Militärputsch gebildet, an dem sich auch von der Bundeswehr ausgebildete Soldaten beteiligt haben. Mali arbeitet außerdem eng mit der russischen Söldnertruppe „Wagner“ zusammen. Der UN-Stabilisierungseinsatz MINUSMA mit dem Ziel der Terrorbekämpfung unter französischer Führung und mit deutscher Unterstützung war bisher nicht erfolgreich. Der islamistische Terror unterschiedlichster Gruppierungen konnte in Teilen höchstens geringfügig eingegrenzt werden. Außerdem hat sich die malische Ãœbergangsregierung mit den europäischen Truppen demütigend überworfen: Den französischen Botschafter hat sie ausgewiesen, dänische Truppen aus dem Land geworfen, für deutsche Drohnen und Hubschrauber den Flugbetrieb eingeschränkt und für ein Gespräch mit der deutschen Verteidigungsministerin Lambrecht fand sie keine Zeit. Moskau gegenüber verhält sich die Junta aber ausgesprochen zuvorkommend, hat ganz offiziell russische Soldaten, Ausbilder und Helikopter ins Land gelassen, nimmt gerne russische Militärhilfe an, um sich vom Westen zu emanzipieren, und kooperiert offensichtlich lieber mit „Wagner“ als mit französischen Spezialkräften. Eine erfolgreiche Mission zeitigt doch wohl andere Ergebnisse!

Angesichts dieser Ergebnisse und Lageentwicklung hat die EU nun angekündigt, die praktische Ausbildung von Sicherheitskräften vor Ort zu stoppen, weil es keine ausreichenden Garantien der malischen Ãœbergangsregierung zum Stopp des Einsatzes der Söldnertruppe „Wagner“ gibt. Die EU soll jedoch im Land präsent bleiben, um Sicherheitskräfte strategisch zu beraten und um ihnen die Regeln der Kriegsführung beizubringen – dieses Ziel ist höchst fragwürdig und unrealistisch.

Und auch die Zukunft des UN-Stabilisierungseinsatzes MINUSMA steht in Frage, weil Frankreich erklärt hat, die Mission zu beenden und damit beginnt, seine Truppen abzuziehen. Dieser Abzug reißt erhebliche Lücken in die militärischen Kapazitäten dieses UN-Einsatzes – hauptsächlich Luftunterstützung, Sanitätsversorgung, Spezialkräfte für Antiterror-Einsätze – die nur sehr schwer zu füllen sind!

In dieser Woche wollte sich Außenministerin Baerbock selbst ein Bild von dieser misslichen Lage machen und hat Mali und Niger besucht. Das ist auch deswegen sehr wichtig, weil die Mandate für Mali-Einsätze Ende Mai 2022 auslaufen und vom Bundestag neu entschieden werden müssen.

Baerbock wurden – anders als Lambrecht – die Gespräche nicht verweigert. Man ist sich allerdings auch nicht „näher“ gekommen. Sie machte deutlich, dass das deutsche Engagement in der Sahel-Region vor dem Hintergrund der Lageentwicklung hinterfragt werden muss: „Dies muss aus meiner Sicht insbesondere für unseren Beitrag im Rahmen der EU-Mission EUTM gelten, deren Ziele die malische Regierung durch ihr Handeln faktisch konterkariert.“ Und sie forderte stabile Rahmenbedingungen für den weiteren Einsatz deutscher Truppen: „Das bedeutet für mich Verlässlichkeit in der Zusammenarbeit ebenso wie entschiedener Kampf gegen Terror und Gewalt und die Einhaltung grundlegender rechtsstaatlicher Prinzipien.“ Außerdem forderte Baerbock von der Militär-Junta ein klares Bekenntnis zur Demokratisierung mit freien Wahlen sowie die Bekämpfung der Korruption und die Beendigung der Justiz- und Straflosigkeit. Es ist sehr fraglich, ob sich die muslimischen Junta-Bosse davon beindrucken ließen und sich die Hinweise der „Ungläubigen“ aus Deutschland hinter die Ohren geschrieben haben. Ulf Laessing, der die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako leitet, hat intensive Kenntnisse vor Ort und fragt sich realitätsbezogen: „Will Mali uns und die Bundeswehr überhaupt noch?“

Realitätsbezug war bei den westlichen „Polit-Missionaren“ in Afghanistan nicht ausschlaggebend und scheint auch im Falle Malis nicht vorhanden zu sein. Denn es zeichnet sich ab, dass der EUTM-Einsatz für die Bundeswehr wohl beendet wird. An der MINUSMA-Mission scheint man aber in undefinierter Form festhalten zu wollen, um in deutschem Interesse im Norden Malis zu einem Mindestmaß an Sicherheit beizutragen. Außerdem will man offensichtlich Russland nicht das malische Feld überlassen. Die Zielsetzung klingt nicht schlecht, ist aber realitätsfern. Denn Frankreich ist bei der Terrorbekämpfung gescheitert. Deutschland wollte wieder einmal „dabei sein“ und Frankreich unterstützen – ohne Kampfauftrag und für die Auftragserfüllung abhängig von französischer Unterstützung. Da Terrorbekämpfung für die Sicherheit im Norden Malis ausschlaggebend ist, muss ein anderer westlicher Staat diese Aufgabe übernehmen. Die deutsche Politik ist bisher zu feige, die Bundeswehr mit Kampfauftrag - und entsprechend ausgerüstet – in Einsätze zu schicken. Und der Versuch, Sicherheit im Norden Malis ohne Befähigung zur Terrorbekämpfung zu gewährleisten, ist zum Scheitern verurteilt – und wäre weitaus weniger als eine „halbe Sache“. Vernünftig wäre daher die Entscheidung der EU und der UNO, die erfolglosen Mali-Einsätze zu beenden. Und die Entscheidung des Bundestages sollte das Ziel haben: Raus aus Mali!

Wie in Afghanistan würden dann die Links/Rot/Grünen Medien aufheulen und die Politik beschuldigen, Mali im Stich gelassen zu haben. Wir haben Afghanistan nicht im Stich gelassen, weil Afghanistan mehrheitlich die westlichen Truppen als Besatzer betrachtet hat und nicht auf der Grundlage unserer westlichen Werte ihre Zukunft gestalten wollten. Mali ist ein muslimisch geprägtes Land. Bis zu 90 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zum sunnitischen Islam. Dem Verhalten der Militär-Junta kann man eindeutig entnehmen, dass Mali den Westen und die Bundeswehr nicht mehr will. Und wenn Mali im Zuge der weiteren politischen Entwicklung Unterstützung und Hilfe braucht, dann muss diese Hilfe von muslimischen Staaten geleistet werden. Allah wird froh und dankbar sein, wenn sich die Brüder im Geiste und Glauben gegenseitig helfen!

In Afghanistan, in der Sahel-Region sowie im Nahen und Mittleren Osten sind die Menschen mit mehrheitlich islamischem Glauben in mehr oder weniger souveränen Staaten organisiert. Sie führen Bürgerkriege, Schiiten, Sunniten und Aleviten führen von unterschiedlichen islamistischen Terrororganisationen unterstützt Glaubenskriege gegeneinander. Der Arabische Frühling war ein Flopp und Demokratien unserer Art wird es auf Dauer dort nicht geben – wenn man von Israel absieht. Diese Menschen haben ihre muslimische Würde und wollen nicht nach unserer Façon glücklich werden. Die islamische Welt muss sich selbst helfen und möglichst bald untereinander Frieden suchen. Die westliche Welt wird dort nicht wirklich gebraucht – ausgenommen die finanzielle und humanitäre Unterstützung durch die UNO!

Henryk M. Broder sagte kürzlich in der WELT zu dieser Problematik: „Ich finde, eine Regierung, egal wie sie an die Macht gekommen ist, ist verantwortlich für das Wohlergehen und die Sicherheit des Volkes, das sie führen will… . Warum übernehmen wir zwanghaft die Verantwortung für einen souveränen Staat?“ Und er fügt die bemerkenswerte Aussage an: „Für mich ist das reinster Postkolonialismus!“ Aus meiner Sicht hat er Recht!

Die jüngere Geschichte hat gezeigt, dass die muslimische Welt nicht zu demokratisieren ist. Deswegen haben Staaten der westlichen Welt auch keine Verpflichtungen und keine „Verantwortung“ muslimischen Staaten gegenüber. Wir sollten aus Afghanistan gelernt haben und uns als „Ungläubige“ der muslimischen Welt nicht aufzwingen!

(14.04.2022)

 

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https://www.hansheinrichdieter.de/html/einsatzendeinafg.html

 

 

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