Hans-Heinrich Dieter

Neue Innere Führung?   (16.10.2016)

 

Dem neuen Weißbuch zufolge soll die „Innere Führung“ der Bundeswehr weiterentwickelt werden. Zur Begründung sagt Ministerin von der Leyen in einem Interview: „...die Welt ändert sich, die Truppe wird vielfältiger, beispielsweise mit Menschen mit Migrationshintergrund, Religionen, sexueller Orientierung, Handicaps, Stärken und Schwächen. Und die Bundeswehr auf diese Vielfalt inklusive der sicherheitspolitischen Veränderungen auszurichten, das ist die Weiterentwicklung der Inneren Führung.“

In der Zentralen Dienstvorschrift 10/1 befassen sich die Aussagen zu dieser grundlegenden Führungsphilosophie mit dem Spannungsfeld von Militär und Gesellschaft, von Soldat und Bürger einerseits und mit dem Spannungsfeld zwischen Freiheit und Ordnung andererseits. Für den „Staatsbürger in Uniform“ gilt deswegen: so viel Freiheit wie möglich und so viel Ordnung wie nötig. Innere Führung formuliert also eine normative Leitvorstellung vom Soldaten in der Demokratie. Unsere Demokratie ist im Wesentlichen verfasst wie zu Zeiten der Formulierung dieser normativen Leitvorstellung und die Soldaten der Bundeswehr unterliegen auch nach Aussetzen der Wehrpflicht denselben Vorschriften und demselben Soldatengesetz. Die von der Ministerin beschriebene neue „Vielfalt“ wird gegebenenfalls durch Nachsteuerung von Vorschriften berücksichtigt werden müssen, die Spannungsfelder zwischen „Vielfalt“ sind allerdings genauso wenig betroffen wie von sicherheitspolitischen Veränderungen. Die Notwendigkeit für eine Weiterentwicklung der Inneren Führung erschließt sich mir auf der Grundlage der Begründung von Frau von der Leyen nicht. Auf dem Grab des Unbekannten Soldaten in Arlington steht der Satz: „Als wir Soldaten wurden, legten wir den Bürger nicht ab.“ Das bringt es auf den Punkt.

In diesem Zusammenhang las ich am 11.10.2016 in den Medien, dass das Verteidigungsministerium den Entwurf eines „Verhaltenskodex´“ für Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums verfasst hat, der unter anderem verpflichtende Anweisungen für den „Umgang mit Informationen“ regelt.Dem Papier zufolge sollen Beamten und Soldaten „jeden informellen Kontakt“ zu Journalisten und Parlamentariern meiden, ob „im Rahmen von persönlichen Treffen oder am Rande von Empfängen und Veranstaltungen“. Fragen von Medienvertretern sollen unter Verweis auf das Pressereferat abgewiesen werden. Auf Anfragen aus dem Bundestag sollen die Angestellten nur reagieren, wenn sie „dazu befugt“ sind.

Zur Erläuterung dieses neuen Ansatzes sagt eine Ministeriumssprecherin, das Ministerium arbeite an einem „Compliance Management System“ wie es bisher in der Wirtschaft angewandt wird, nicht jedoch in der Verwaltung. Die Sprecherin ist stolz auf den Entwurf und ergänzt, dass man sich im BMVg zukünftig „an selbstgesetzten ethischen Standards orientieren“ wolle. Diese Standards werden derzeit von einer externen Arbeitsgruppe formuliert.

Da ist die Frage berechtigt, ob wir ein „Compliance Management System“ und neue „selbstgesetzte ethische Standards“ brauchen. Soldaten, insbesondere Vorgesetzte, haben in unserer Demokratie bei ihren die Politik betreffenden Äußerungen in und außer Dienst Zurückhaltung zu wahren. Das verlangt schon der Primat der Politik. Und für die deutschen Staatsbürger in Uniform gilt, dass ihr Verhalten dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die der Dienst als Soldat erfordert. Einzelheiten für das Verhalten von Soldaten gegenüber Vertretern der Öffentlichkeit und des Parlamentes regelt das Soldatengesetz im § 8, Eintreten für die demokratische Grundordnung, im § 10, Pflichten des Vorgesetzten, im § 13, Wahrheit, im §14, Verschwiegenheit, im §15, Politische Betätigung und im §17, Verhalten im und außer Dienst. Damit sind die bürgerlichen Freiheiten der Soldaten im Sinne der Inneren Führung durch nötige militärische Ordnungsmaßnahmen eingeschränkt. In der jahrelangen Praxis hat das allerdings dazu geführt, dass Militärcourage in der Bundeswehr durch jahrelange Ãœberinterpretation des Primats der Politik und durch den §50 des Soldatengesetzes leider stark verkümmert ist.

Oder soll etwa mit dem „Compliance Management System“ und den neuen „selbstgesetzten ethischen Standards“ im Sinne von zusätzlichen Vorschriften das unglaubliche Ansinnen des ehemaligen Verteidigungs-Staatssekretärs Stéphane Beemelmans, der in einem internen Vermerk festgestellt hat, dass “gegenüber einer direkten Kommunikation der Inspekteure in den politisch-parlamentarischen Raum ein grundsätzlicher Vorbehalt” besteht, verbindlich gemacht werden? Damals haben die Obleute aller Fraktionen im Bundestag gegen diesen Maulkorb heftig protestiert. Der Maulkorb wurde daraufhin durch eine persönliche Erklärung von Beemelmans vor dem Verteidigungsausschuss zurückgenommen.

In der Bundeswehr, in den Streitkräften und auch im Ministerium brauchen wir keine Maulkörbe, keine Angstkultur, sondern wir brauchen mündige und - wenn nötig - auch kritische Staatsbürger in Uniform, die unter Berücksichtigung des Soldatengesetzes und des Primats der Politik ihren Dienst tun, dazu gehört auch der Meinungsaustausch mit der Öffentlichkeit. Von der politischen Leitung darf erwartet werden, dass sie die „Innere Führung“ als die gültige normative Leitvorstellung vom Soldaten in der Demokratie nicht nur in Wort sondern auch in der Tat anerkennen und an ihrer Verwirklichung mitarbeiten. Und von unseren Volksvertretern kann man erwarten, dass sie sich weiterhin bei Bedarf im direkten Gespräch mit Soldaten ihr eigenes Bild machen wollen.

Wenn also die Innere Führung in Teilaspekten weiterentwickelt werden soll, dann doch eher - dem Anspruch der Parlamentsarmee angemessen - in Richtung Bürger in Uniform als zurück in Richtung Untertan in Uniform!

(16.10.2016)

 

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http://www.hansheinrichdieter.de/html/militaercourage2.html

http://www.md-office-compact.de/DiskussionParagraph50.htm

http://www.hansheinrichdieter.de/html/paragraph54bbg.html

 

 

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