Hans-Heinrich Dieter

Nahost-Friedensplan   (29.01.2020)

 

Am 25. und 26. Juni 2019 fand in Bahrains Hauptstadt Manama eine Konferenz unter der Leitung des Präsidenten-Beraters Jared Kushner statt, um den Trump-Deal des Jahrhunderts vorzustellen, mit dem der Nahost-Konflikt gelöst werden soll. An dem Treffen nahmen Wirtschafts- und Regierungsvertreter aus 39 Staaten erwartungsvoll teil, um über diesen amerikanischen Friedensplan informiert zu werden.

Kushner nennt den von ihm erarbeiteten Plan „Peace to Prosperity“ und stellt fest: „Seit zu langer Zeit sind die Palästinenser in einem ineffizienten System der Vergangenheit gefangen. Unsere Vision ‚Frieden durch Wohlstand‘ ist ein modernes System. Für eine bessere Zukunft. Es ist eine Vision, was mit Frieden möglich ist.“ Da es ja gilt, den Nahost-Konflikt zu lösen, gingen die Regierungsvertreter der 39 Staaten sicher davon aus, dass über Fragen der Investitionen, der Wirtschafts- und Entwicklungshilfe hinaus auch dargelegt wird, wie der Frieden zwischen Israel und den Palästinensern politisch erreicht werden soll. Auf diese grundsätzliche Frage hatte Kushner allerdings nur eine flache Antwort: „Wohlstand und Wachstum für die Palästinenser sind nicht möglich ohne eine andauernde und gerechte politische Lösung des Konfliktes. Heute ist aber nicht der Tag für politische Fragen.“ Kurz: die Veröffentlichung des politischen Plans der USA wurde erneut um Monate aufgeschoben. Der propagierten „Kushner-Strategie“ fehlt ganz einfach die Strategie!

Israel hingegen verstärkt seine gegen internationales Recht verstoßende Siedlungspolitik im Westjordanland, torpediert so den Friedensprozess im Nahen Osten, schafft Fakten gegen die international angestrebte Zweistaaten-Lösung und schafft durch die Blockade des Gaza-Streifens menschenunwürdige Lebensbedingungen für die palästinensische Bevölkerung. Im Dezember 2017 verkündet Trump, dass die USA Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen. Inzwischen haben die USA ihre Botschaft nach Jerusalem verlegt und danach hat US-Präsident Trump die Golanhöhen zunächst per Twitter und dann mit einem offiziellen Schreiben als israelisches Staatsgebiet anerkannt. Damit verstoßen die USA gegen UN-Sicherheitsratsresolution 497, die sie 1981 selbst mit verabschiedet haben. Für Deutschland bleiben die Golanhöhen und das Westjordanland israelisch besetztes Gebiet. Die Palästinenser erkennen die USA schon seit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem nicht mehr als neutralen Vermittler im Nahost-Konflikt an. Trump hat mit seiner rücksichtslosen und mit Partnern nicht abgesprochenen, gegen internationale Normen gerichteten Twitter-Außenpolitik seinen großmäulig angekündigten Deal zur Beendigung des arabisch-israelischen Konflikts bereits selbst ad Absurdum geführt und eine weitere Destabilisierung der krisengeschüttelten Region wahrscheinlicher gemacht – auch deswegen haben die Palästinenser die Kushner-Propagandaveranstaltung von Juni 2019 boykottiert.

Nun – zu einem innenpolitisch günstigen Zeitpunkt, sowohl für den mutmaßlichen „Straftäter Netanjahu“, als auch für den „Angeklagten Trump“ – verkündet der US-Präsident, großspurig wie immer, seinen „Deal des Jahrhunderts“ für Frieden in Nahost. Trump propagiert eine „Zweistaaten-Lösung“, die sich bei näherer Betrachtung als trumpsche „Fake-Zweistaaten-Lösung“ entpuppt.  Denn der sehr ungenau skizzierte Palästinenserstaat wäre ein nicht souveränes, löchriges Gebilde. Und mit der Anerkennung eines ungeteilten Jerusalem als Hauptstadt Israels, der Legitimierung israelischer Siedlungen im besetzten Westjordanland und der Zustimmung zur Annexion des Jordantals entfernt sich Washington vom internationalen Konsens, verstärkt die Völkerrechtsverletzungen Israels, legalisiert einen jahrelangen Rechtsbruch Israels und versetzt den Palästinensern – wie Präsident Mahmud Abbas es ausdrückt - die „Ohrfeige des Jahrhunderts“, denn für die Palästinenser ist ein eigener, souveräner Staat, dessen Grenzen sich an den Linien von 1967 orientieren und mit Ostjerusalem als Hauptstadt Grundlage für Verhandlungen über eine Zweistaatenlösung. Einen kleinen Vorort Jerusalems – außerhalb Ostjerusalems – als „Hauptstadt“ eines sehr eingeschränkt souveränen Palästinenserstaates sowie zwei Wüstengebiete südlich des Gazastreifens als Kompensation für das Westjordalland mit dem Jordantal anzubieten, ist mehr als eine Ohrfeige, es ist eine Frechheit und ein Brandbeschleuniger für das politische Pulverfass Nahost! Oder diplomatisch: Trumps Plan widerspricht in weiten Teilen den Beschlüssen der Vereinten Nationen und dem Völkerrecht!

Der überforderte UNO-Generalsekretär Guterres hat sich bisher zurückhaltend gegenüber dem Trump-Plan geäußert. Die arabische Welt verurteilt den Plan. Jordanien erwägt, den israelisch-jordanischen Friedensvertrag aufzukündigen. Die EU verhält sich ebenfalls noch sehr zurückhaltend. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages Röttgen bezeichnet den Nahost-Plan als Rückschritt im Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern und als eine Provokation gegenüber den Palästinensern. Trump würde außerdem durch seinen Plan völkerrechtswidrige Annexionen der Israelis politisch legitimieren. Bundesaußenminister Maas hat mannhaft eine „intensive Prüfung“ angekündigt. Die israelische Menschenrechtsorganisation B‘Tselem warnte hingegen, Trumps Plan sorge nicht für Frieden, sondern für Apartheid. Die Palästinenser lehnen den Plan ab und Abbas vermutet, dass er im „Mülleimer der Geschichte“ landen wird. Die einen Palästinenser sprechen von „Betrug“ andere drohen bereits mit einer enormen Zunahme der Gewalt, sie drohen mit einer neuen Intifada.

Und Netanjahu zeigt sich beflügelt vom trumpschen Rückenwind und will das israelische Kabinett bereits am kommenden Sonntag über eine Annektierung der Siedlungen sowie des Jordantals abstimmen lassen. Vorbereitend sorgt der rechtsextreme Verteidigungsminister Bennet für Stimmung: „Eines muss klar sein: Wir werden auf keinen Fall ermöglichen, dass Israel einen palästinensischen Staat anerkennen wird. Wir werden auch nicht zulassen, dass Israel auch nur einen Zentimeter der Erde an die Araber vergibt.“

Die USA und die EU haben gegen Russland nach der Annexion der Krim mit Recht Sanktionen verhängt. Die Vereinten Nationen sollten einmal über Maßnahmen gegenüber Veto-Mächten des UN-Sicherheitsrates nachdenken, die das Völkerrecht und internationales Recht verletzen oder solches Verhalten unterstützen. Die EU muss an einer echten Zweistaaten-Lösung als Grundlage für Friedensverhandlungen festhalten und sich überlegen, ob nicht Sanktionen gegenüber Israel erforderlich sind. Der Internationale Strafgerichtshof wird wohl Israels Völkerrechtsverletzungen aufgreifen müssen.

Und Deutschland muss erkennen, dass es in Bezug auf den Nahost-Konflikt die EU-Außenpolitik solidarisch unterstützen und auf deutsche Sonderwege verzichten sollte.  Der selbstherrlich von Kanzlerin Merkel 2008 vor der Knesset in Israel propagierte Grundsatz, dass die Sicherheit Israels Teil deutscher Staatsräson sei, ist eine falsche und hohle Phrase. Denn wenn wir keinen positiven Einfluss auf Israel im Hinblick auf eine friedliche Zukunft ausüben können und nur zuschauen dürfen, wie Netanjahu völkerrechtsverletzend sowie eindeutig friedensverhindernd - mit Unterstützung der USA - zündelt, dann können wir auch keine deutsche „Staatsräson“ zur Geltung bringen – mit unseren stark eingeschränkten sicherheitspolitischen Fähigkeiten schon überhaupt nicht!

(29.01.2020)

 

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