Hans-Heinrich Dieter

Kushner-Strategie   (27.07.2019)

 

Von US-Präsident Trump - wie immer großmäulig - als „Deal des Jahrhunderts“ angekündigt, fand am 25. und 26. Juni 2019 in Bahrains Hauptstadt Manama eine Konferenz unter der Leitung des Präsidenten-Beraters Jared Kushner statt, um den Nahost-Konflikt zu lösen. An dem Treffen nahmen Wirtschafts- und Regierungsvertreter aus 39 Staaten erwartungsvoll teil, um über den amerikanischen Friedensplan informiert zu werden.

Kushner nennt seinen Plan „Peace to Prosperity“ und stellt fest: „Seit zu langer Zeit sind die Palästinenser in einem ineffizienten System der Vergangenheit gefangen. Unsere Vision ‚Frieden durch Wohlstand‘ ist ein modernes System. Für eine bessere Zukunft. Es ist eine Vision, was mit Frieden möglich ist.“ Da es ja gilt, den Nahost-Konflikt zu lösen, gingen die Regierungsvertreter der 39 Staaten sicher davon aus, dass über Fragen der Investitionen, der Wirtschafts- und Entwicklungshilfe hinaus auch dargelegt wird, wie der Frieden zwischen Israel und den Palästinensern politisch erreicht werden soll. Auf diese grundsätzliche Frage hatte Kushner allerdings nur eine flache Antwort: „Wohlstand und Wachstum für die Palästinenser sind nicht möglich ohne eine andauernde und gerechte politische Lösung des Konfliktes. Heute ist aber nicht der Tag für politische Fragen.“ Kurz: die Veröffentlichung des politischen Plans der USA wurde erneut um Monate aufgeschoben.

Das Treffen in Bahrain hat folgerichtig nur eine sehr begrenzte Wirkung erzielt. Denn Länder, die Finanzhilfen leisten und Investitionen tätigen sollen, wollen natürlich die politischen Hintergründe und Rahmenbedingungen kennenlernen, bevor sie sich engagieren. Israel nahm lediglich mit einer kleinen Wirtschaftsdelegation teil und die Palästinenser waren nicht vertreten.

Denn die Palästinenser lehnen die Trump-Regierung als Vermittler seit längerer Zeit als parteiisch ab. Ihre Führung boykottierte die Veranstaltung in Bahrain lautstark und von Protesten im Gaza-Streifen und im Westjordanland begleitet. Und so wurde dort zwar über die Palästinenser gesprochen, aber nicht mit ihnen. Und es wurde natürlich nicht über die Haupthindernisse einer Friedenslösung im Sinne einer Zweistaatenlösung, also die israelische Besatzung, die israelische Besiedlung des Westjordanlandes, die Spaltung des Palästinensergebietes, oder auch die beabsichtigte Annexion von Teilen des Westjordanlandes durch Israel gesprochen.

Die lange angekündigte „Kushner-Strategie“ gibt es faktisch noch nicht, ihr fehlt es ganz einfach an Strategie! Was von Bahrain also bleibt, ist eine illusionsbehaftete Blaupause für immense Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Dollar, die in den nächsten zehn Jahren in 179 Entwicklungsprojekte fließen sollen. Die arabische Welt lehnt diesen ökonomischen Ansatz nahezu einstimmig ab. Und der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, übte nach der Tagung deutliche Kritik: „Die wirtschaftliche Situation kann nicht getrennt von der politischen Lage erörtert werden.“ Der Auftakt für den „Deal des Jahrhunderts“ ist den USA gründlich misslungen! Deswegen hört die Öffentlichkeit auch seit einem Monat nichts Positives im Zusammenhang mit einer Lösung des Nahost-Konfliktes und auch über weiterführende Folgeaktivitäten des Treffens in Bahrain ist nichts bekannt.

Die bisherigen Entscheidungen der Trump-Regierung, die einseitige Anerkennung von Jerusalem als Israels Hauptstadt, die Anerkennung von Israels Annexion der Golanhöhen und die Schließung des palästinensischen Konsulats in Washington, wirken sich dagegen nachhaltig aus. Und wenn der Dealmaker Trump glaubt, die Palästinenser davon überzeugen zu können, ihre Rechte gegen Dollars zu verscherbeln, dann ist er nur als naiv und ein wenig tumb einzuschätzen. Die USA haben ihre Rolle als Vermittler im Nahost-Konflikt verspielt!

Und nun reißen israelische Soldaten seit der vergangenen Woche in dem palästinensischen Dorf Sur Bahir, am Rand von Ost-Jerusalem, auf palästinensischem Gebiet mit Bulldozern und Sprengungen bewohnte Häuser und Neubauten ab, die in der Nähe der Sperranlage errichtet wurden, die Israel, das annektierte Ost-Jerusalem und grenznahe Siedlungsblöcke vom besetzten Westjordanland abschottet. Das Oberste Gericht in Jerusalem hatte zuvor den Abriss mit der Begründung genehmigt, die Häuser seien illegal neben dem Sicherheitszaun gebaut worden und stellten eine Bedrohung für das Leben von Bürgern und Sicherheitskräften dar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Sperranlage quer durch das Dorf Sur Bahir verläuft, und nur ein Teil des Areals unter israelischer Kontrolle und der andere unter palästinensischer Verwaltung im Westjordanland steht. Als Reaktion auf die israelischen Ãœbergriffe hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas angekündigt, dass die Palästinensische Autonomiebehörde keines der mit Israel vereinbarten Abkommen mehr umsetzten wird.

Die EU und das UN-Nothilfebüro Ocha haben Israel aufgefordert, den Abriss von Wohnhäusern im Ostjerusalemer Stadtteil Sur Bahir sofort zu stoppen, denn Israels Siedlungspolitik einschließlich Zwangsumsiedlungen, Vertreibungen, Abrissen und Beschlagnahmungen von Häusern sei „nach internationalem Recht illegal.“ Deutschland, Frankreich, Spanien und das Vereinigte Königreich verurteilen den Abriss palästinensischer Gebäude durch Israel im Bezirk Wadi al Hummus im Südosten von Jerusalem zusätzlich zur EU gemeinsam scharf. Und der UN-Sicherheitsrat hat sich mit diesem erneuten Bruch internationalen Rechts durch Israel noch nicht befasst.

Die USA unter Trump haben bisher keinen positiven Beitrag zur Lösung des Nahost-Konfliktes geleistet, die USA haben im Gegenteil den Rechtsruck in Israel gefördert. Sollte es mit amerikanischer Unterstützung zur Annexion der jüdischen Siedlungsgebiete im besetzten palästinensischen Westjordanland durch Israel kommen, wird der Nahostkonflikt angeheizt, eine Friedenslösung auf Dauer blockiert und das in letzter Zeit etwas entspanntere Verhältnis Israels zu benachbarten arabischen Staaten nachhaltig gestört werden. Und es liegt auf der Hand, dass Israel dreiste Verletzungen des internationalen Rechts auch deswegen unternimmt, weil es genau weiß, dass die USA eine Resolution, die Israel verurteilt, im Weltsicherheitsrat mit einem Veto verhindern würden.

Die Vereinten Nationen werden sich intensiv mit einer solchen Entwicklung zu befassen haben, die EU sollte am Ziel einer Zweistaatenlösung, wie sie nach dem Oslo-Abkommen vorgesehen ist, festhalten und Deutschland sollte unzweifelhaft politisch an der Seite der EU handeln und den von Merkel 2008 propagierten aber wenig glaubwürdigen Grundsatz, dass die Sicherheit Israels Teil deutscher Staatsräson sei, überdenken.

Wenn Israel im Nahen Osten – unterstützt durch die USA – friedensverhindernd zündelt, dann gefährdet es seine eigene Sicherheit nachhaltig. Eine solche Politik darf Deutschland nicht unterstützen, denn die immer wieder ins Feld geführte „besondere Bedrohungssituation“ Israels ist auch zu nicht geringen Teilen von Israel selbst verursacht!

(27.07.2019)

 

Bei Interesse an der Thematik lesen Sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/gegeninternationalesrecht.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/juedischernationalstaatisrael.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/netanjahugegenfrieden.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/pariaisrael.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/israelin2016.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/vorbildisrael.html

Bei allgemeinem Interesse an Israel lesen Sie auch den Reisebericht:

http://www.md-office-compact.de/Israel.htm

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte