Hans-Heinrich Dieter

Klare Ansage für Afghanistan   (18.12.2014)

 

Bundesverteidigungsministerin von der Leyen hat in der letzten Woche ihren letzten Truppenbesuch bei den deutschen ISAF-Truppen in Afghanistan gemacht. Vor dem Ende des Kampfeinsatzes und dem Beginn der internationalen Ausbildungs- und Unterstützungsmission "Resolute Support" mit etwa 12.000 Soldaten aus 40 Staaten wollte sie ein Zeichen setzen. Sie muss Mut machen und stellt deswegen fest, die internationale Gemeinschaft habe am Hindukusch viel erreicht. Sie will sicher ehrlicher sein als einige ihrer Vorgänger und bezeichnet die Lage als "sehr fragil". Denn die Anzahl der Anschläge der islamistischen Taliban auf afghanische Sicherheitskräfte und die Zivilbevölkerung hat in diesem Jahr wieder deutlich zugenommen. Trotzdem traut die NATO den afghanischen Sicherheitskräften offiziell zu, die Sicherheit der Bevölkerung und der Soldaten der internationalen Gemeinschaft gewährleisten zu können. Das ist auch die Grundlage für die Planung der Mission "Resolute Support", die 2016 enden soll.

Die Ministerin ist offenbar skeptisch, denn sie erklärt es für: "wichtig, dass wir mit großer Besonnenheit, aber auch mit genügend Zeit diese Mission zu Ende führen können." Und sie fügt hinzu, dass erst später dann zu klären sei, "wie wir das Land in Verantwortung für sich selbst eines Tages überlassen können". Die Skepsis der Ministerin ist durchaus berechtigt, aber mit solchen Aussagen setzt sie Zeichen, die falsch gedeutet werden können.

Seit dem NATO-Gipfel in Lissabon ist entschieden, dass die Sicherheitsverantwortung bis Ende 2014 an afghanische Kräfte übergeben werden soll und der NATO-Kampfeinsatz dann endet. Die Planungen für "Resolute Support" sind seit Mitte 2014, im Einklang mit der Ankündigung der USA, die US-Truppen bis Ende 2016 vollständig abzuziehen, abgeschlossen. Der UN-Sicherheitsrat hat der Resolution zur Mission "Resolute Support" als "non combat"-mission zugestimmt. Heute wird der Deutsche Bundestag das Mandat für den Ausbildungs- und Beratungseinsatz von bis zu 850 Bundeswehrsoldaten für 2015 mit Schwerpunkt in Nordafghanistan erteilen. 2016 soll der deutsche Anteil verringert werden und sich nur noch auf Einsätze in Kabul beschränken. Kampfeinsätze sind grundsätzlich nicht mehr vorgesehen. Allerdings sollen die Truppen sowohl sich selbst als auch Verbündete im Bedarfsfall mit Waffengewalt schützen. Das ist eine eindeutige Grundlage für weiteres Handeln. Und da jeder militärische Einsatz auch eine Exit-Strategie haben sollte, ist es folgerichtig, dass man ein Datum für das Ende des Engagements nennt.

Selbst wenn man also damit rechnet, dass die Taliban die Situation nutzen werden, um nach Abzug der internationalen Kampftruppen die Leistungsfähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte nachhaltig auf die Probe zu stellen und der Bevölkerung durch Terror-Anschläge deutlich zu machen, wer die Macht am Hindukusch ausübt, sollte man Afghanistan eindeutig in der Pflicht lassen und die Politik, die Verwaltung und die Sicherheitskräfte in die Pflicht nehmen. Wenn keine klaren und eindeutigen Forderungen gestellt und Rahmenbedingungen seitens der internationalen Gemeinschaft gestellt werden, wird sich Afghanistan auch nicht zu Selbständigkeit und Eigenverantwortung entwickeln. Deswegen sind die von der Ministerin geäußerten Zweifel, "wie erfolgreich die afghanischen Sicherheitskräfte die Sicherheit des Landes aufrecht erhalten können, wie viel Unterstützung und wie viel Hilfe sie brauchen", diesbezüglich nicht hilfreich, weil sie falsche Erwartungen zu Truppenstationierungen über 2016 hinaus wecken.

Der im Januar erschienene Fortschrittsbericht zur Lage in Afghanistan im Jahr 2013 zeichnete ein Bild mit weit mehr Schatten als Licht. Danach hat Kabul die Reformversprechen für bessere Regierungsführung, den Kampf gegen die grassierende Korruption sowie Drogenanbau und Drogenhandel oder für eine Verbesserung der Menschenrechtslage nicht erfüllt. Von einer „ausreichenden Sicherheitslage“ kann nicht die Rede sein, die Entwicklung gestaltet sich vielmehr eher negativ. Die 2012 in Tokio vereinbarten Bedingungen für die Gewährung der von der internationalen Staatengemeinschaft zugesagten 16 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern und weiteren 5 Milliarden pro Jahr für die Unterstützung der Sicherheitskräfte sind nicht erfüllt, weil die 17 Kernziele für effizientes Regierungshandeln nur zu einem Drittel annähernd erreicht sind. Da waren keine schnellen Fortschritte zu erwarten und wirkliche Fortschritte sind Ende 2014 auch nicht zu verzeichnen. Afghanistan ist halt das drittkorrupteste Land im internationalen Vergleich, wie soll sich da auch schnell etwas ändern?

Angesichts dieser Lage unterstrich der Sicherheitsrat in New York in seiner einstimmig beschlossenen UN Resolution mit Recht, wie wichtig anhaltende internationale Unterstützung für die Stabilisierung des Landes sei. Sicher ist, dass Afghanistan noch über viele Jahre von Hilfszahlungen der internationalen Staatengemeinschaft abhängig sein wird und dass die Sicherheitskräfte noch jahrelang finanzielle Unterstützung aus dem Ausland brauchen werden, dafür sind bereits heute vier Milliarden Dollar zugesagt. Und Deutschland finanziert mit 430 Millionen Euro jährlich wirtschaftliche und strukturelle Entwicklungen. Wir wollen und müssen Afghanistan helfen. Gerade deswegen ist es aber wichtig, Hilfszahlungen an konkrete Auflagen zu binden. Von den jährlich 430 Millionen Euro bis mindestens 2016 werden deswegen 60 Millionen konditioniert. Das ist eine relativ kleine an Bedingungen geknüpfte Summe, aber es ist ein Anfang.

Nach dem langen und wenig erfolgreichen Engagement seit 2001 sollte Deutschland allerdings die Bundeswehr Ende 2016 aus Afghanistan abziehen und dann weitere Hilfszahlungen wirklich von konkreten rechtsstaatlichen und wirtschaftlichen Fortschritten abhängig machen, sowie deutsche NGO´s nur noch dann einsetzen, wenn afghanische Sicherheitskräfte tatsächlich eine „ausreichende Sicherheitslage“ garantieren können. Sollten über 2016 hinaus ausländische Truppen in Afghanistan eingesetzt oder stationiert werden müssen, dann sollten das Staaten wie die USA übernehmen, die geostrategische Interessen in Afghanistan und den benachbarten Regionen verfolgen. Deutschland hat solche Interessen nicht!

(18.12.2014)

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http://www.hansheinrichdieter.de/html/unsicherezukunftafghanistans.html

 

 

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