Hans-Heinrich Dieter

Islamistischer Autokrat Erdogan   (29.05.2023)

 

Der nun durch eine Stichwahl „demokratisch legitimierte Sultan“ Erdogan wird es der EU und der NATO in den kommenden 5 Jahren nicht leicht machen. Und obwohl das durch die erpresserische Politik Erdogans offensichtlich ist, würdigte Bundeskanzler Scholz die Zusammenarbeit Deutschlands mit der Türkei über den grünen Klee. Beide Länder seien enge Partner und Alliierte, erklärte er. Auch gesellschaftlich und wirtschaftlich sei man stark miteinander verbunden. Nun wolle man gemeinsame Themen mit frischem Elan vorantreiben. Auch die EU-Vertreter Michel und Borrell gratulierten wie auch andere westliche Spitzenpolitiker und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen erklärte sogar anbiedernd – und wohl auch ein wenig verlogen - sie freue sich darauf, die EU-Türkei-Beziehung weiter auszubauen.

Da sollte es der westlichen Staatengemeinschaft zu denken geben, dass auch Russlands Neo-Stalinist Putin gratulierte und meinte, Erdogans Wahlsieg demonstriere die Unterstützung des türkischen Volkes für den Kurs nationaler Souveränität und unabhängiger Außenpolitik. Und Gratulationen kamen auch von Ungarns Antieuropäer Orban und von den islamistischen Taliban-Terroristen in Afghanistan. Mit Putin, Orban und den Taliban sollte man keine „gemeinsamen“ Sachen machen.

Es gibt keinen Grund der westlichen Welt für eine gratulationsreife Freude über den Wahlsieg Erdogans, es sollte vielmehr eher realpolitisch begründete tiefe Sorge hinsichtlich der Zukunft der EU und der NATO geben. Denn in den letzten Jahren hat Erdogan die EU im Zusammenhang mit der massenhaften Migration nach Europa erfolgreich erpresst. Derzeit unterstützt die Türkei die EU-Sanktionen gegen Russland nicht. Darüber hinaus hat sich die Türkei – seit 1999 EU-Beitrittskandidatin und von der EU hochbezahlt - in den letzten Jahren im Hinblick auf die Erfüllung der EU-Beitritts-Kriterien deutlich verschlechtert.

Und auch als NATO-Mitglied hat sich die Türkei als sehr schwierig gezeigt, als sie von Putin das S-400-Luftabwehrsystem kaufte und damit eine gemeinsame NATO-Luftabwehr an der Süd-Ost-Flanke der NATO unmöglich machte, und so einen Keil in das Bündnis trieb. Die NATO hat daraufhin nicht konsequent gehandelt. Immerhin haben die USA damals die Türkei aus dem gemeinsamen Programm für den F-35-Kampfjet ausgeschlossen.

Genauso spalterisch wie der Kauf des russischen S-400-Luftabwehrsystems wirkt das Veto im Zusammenhang mit NATO-Norderweiterung durch den geplanten schwedisch-finnischen NATO-Beitritt. Darüber hinaus belebt Erdogan den jahrelangen Streit um griechische Inseln in der Ägäis neu. Erdogan erwartet die Rückgabe von bis zu zwölf Inseln der Dodekanes-Inselgruppe in der Ost-Ägäis, darunter auch die Touristeninseln Rhodos und Kos, an die Türkei, da man diese als „geraubt“ ansehe. Und nun verletzt er auch noch griechische Hoheitsgewässer durch Ölbohrungen.

Die Türkei ist seit 2016 mehrfach völkerrechtswidrig in Syrien einmarschiert, um die syrisch-kurdische Miliz YPG zu bekämpfen, die die Türkei als Schwesterorganisation der PKK und damit für eine Bedrohung der türkischen Sicherheit ansieht. Und kürzlich hat die Türkei einen erneuten Einmarsch in das nördliche Syrien angekündigt, um dort Flüchtlinge anzusiedeln. Das wäre ein erneuter Völkerrechtsbruch!

Und nun hat Erdogan angekündigt, dass das NATO-Mitglied Türkei der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) beitreten wolle, deren größte Mitglieder China und Russland sind. Weitere Mitgliedstaaten sind Indien, Pakistan, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan und seit dem jüngsten Treffen auch Iran. Für Belarus, das als „letzte Diktatur Europas“ gilt, begann jetzt der Aufnahme-Prozess. Aus der Sicht Erdogans hat die Türkei „historische und kulturelle“ Verbindungen zum asiatischen Kontinent – sowie zu diesem Autokraten-Club – und will auch deshalb in dieser Organisation, deren Mitglieder zusammen „30 Prozent der Weltwirtschaftsleistung“ ausmachen, eine Rolle spielen. Dadurch wollte Erdogan die wirtschaftliche Lage der Türkei verbessern und gleichzeitig vor den Präsidentschaftswahlen von innenpolitischen Problemen ablenken. Mit dieser Absicht macht Erdogan einmal mehr deutlich, dass ihm die westliche Welt „Schnuppe“ ist!

Die EU und die NATO dürfen sich ein solches Verhalten nicht gefallen lassen und müssen sehr deutlich machen, dass Solidarität keine Einbahnstraße sein kann. Die EU braucht die Türkei nicht und eine Mitgliedschaft der Türkei wäre neben Ungarn und Polen eine weitere starke Belastung. Die NATO braucht die Türkei zwar auch in Zukunft, allerdings nicht zu jedem Preis und nicht als vorwiegend muslimische Regionalmacht im Nahen und Mittleren Osten mit tendenziell nationalistischem Verhalten. Das NATO-Mitglied Türkei belastet die Allianz und ist als EU-Beitrittskandidat EU-untauglich.

Die EU muss daher die Beitrittsverhandlungen beenden und die damit verbundenen Zahlungen einstellen. NATO-Generalsekretär Stoltenberg muss die Türkei zur Ordnung und zu partnerschaftlichem Umgang mit NATO-Partnern aufrufen. Wenn das keinen Erfolg hat, dann sollten die USA gebeten werden, massive Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen!

Und Deutschland muss die Politik der EU und der NATO vorbehaltlos unterstützen, zukünftig jegliche Alleingänge unterlassen und in Abstimmung mit der EU eine unbefristete Reisewarnung für die Türkei aussprechen – denn deutsche Reisende sind in der autokratischen Türkei offensichtlich vor der Erdogan-abhängigen Justiz nicht mehr sicher!

Die Türkei hat sich in letzter Zeit für die EU von einem unbrauchbaren Partner zu einem autokratischen und nationalistischen Gegner entwickelt. Dementsprechend muss die westliche Wertegemeinschaft politisch handeln. Erdogan versteht nur westliche Stärke und wird von Heuchelei nicht beeindruckt - nach seinem Wahlsieg erst recht nicht!

(29.05.2023)

 

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