Hans-Heinrich Dieter

Erpressung ersetzt Politik   (08.10.2019)

 

Die Türkei hat bereits im Januar 2018 einen Angriffskrieg gegen Syrien geführt- und die USA, die EU, die NATO und Deutschland kommentierten das lediglich mit wenigen lauwarmen Sprüchen und Aufforderungen zur Mäßigung sowie Verhältnismäßigkeit. Einige weniger intelligente westliche Politiker gingen dabei sogar der türkischen Propaganda auf den Leim und sprachen vom Recht der Türkei auf Selbstverteidigung. Und auch der UN-Sicherheitsrat konnte sich nicht zu einer Resolution durchringen. Die Türkei hat die Offensive dann auf die Region Afrin begrenzt, weil die YPG damals Verbündete der USA im Kampf gegen den IS waren und die US-Truppen keine Anstalten machten, die Region zu verlassen.

Der Bruch des Völkerrechts durch die Türkei war schon damals offensichtlich. Die Türkei verletzte mit ihrer Militäroffensive die Souveränität und die territoriale Integrität Syriens und griff Soldaten der Kurdenmiliz YPG – also syrische Bürger – an. Für diesen Angriffskrieg gab es keine von der UNO geschaffene Grundlage, wie etwa eine Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates, sondern nur die Behauptung Erdogans, dass die YPG eine Terrororganisation sei. Und niemand hat diesen völkerrechtswidrigen Angriff verurteilt!

Ein solches politisches Fehlverhalten der westlichen Welt sowie der UNO ermutigt einen Autokraten wie Erdogan natürlich dazu, politische Grenzen nicht nur auszuloten, sondern auch rote Linien zu überschreiten. Und deswegen überrascht es nicht, dass er eine neuerliche türkische Offensive vorbereitet und Erdogan nach der Erklärung des US-Präsidenten, die US-Truppen aus Nordsyrien abziehen zu wollen, nun offensichtlich bereit ist, in Richtung Akcakale loszuschlagen, um eine „Sicherheitszone“ einzurichten, in der auch syrische Flüchtlinge angesiedelt werden sollen. An den 20 Milliarden Euro, die für den Ausbau der Sicherheitszone veranschlagt sind, wird Erdogan die EU sicher mit „in Haft“ nehmen, indem er – wohl in Zusammenarbeit mit Schleusern – den Flüchtlingsstrom in Richtung griechischer EU-Außengrenze anheizt – immerhin hat er damit in der letzten Woche auch gegenüber dem unterwürfigen Innenminister Seehofer gedroht.

Nachdem die Vorbereitung der türkischen Offensive zwischen den Dealern Trump und Erdogan abgesprochen war, hat der erratische und wohl auch persönlichkeitsgestörte US-Präsident nicht mit der Reaktion der beiden Häuser des US-Kongresses gerechnet. Es hagelte Kritik – auch von republikanischen Senatoren und Abgeordneten – dass die USA mit dieser Entscheidung einen Verbündeten im Stich lassen, Nordsyrien zum Kriegsgebiet werden lassen, die Einflussmöglichkeiten von Russland und dem Iran auf Syrien verbessern, ein Wiedererstarken des IS in Kauf nehmen und vor Verbündeten und der Weltöffentlichkeit massiv an Vertrauen verlieren.  Diese Kritik versucht Trump, der offensichtlich an seinem innenpolitischen und wahltaktischen Kalkül festhalten will, mit Twitterei zu überspielen: „Wenn die Türkei irgendetwas unternimmt, was ich in meiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit für tabu halte, werde ich die türkische Wirtschaft vollständig zerstören und auslöschen.“ Ein amerikanischer Präsident droht erpresserisch mit „kriegerischen“ Maßnahmen gegen die türkische Zivilgesellschaft – unvorstellbar verkommen! Nun muss man abwarten, ob der Erpresser Erdogan, der innenpolitisch stark unter Druck steht, sich von dem wahlkämpferischen Erpresser Trump beeindrucken lässt, bisher lassen die von Trump im Zusammenhang mit dem Kauf russischer Luftabwehrsysteme der Türkei angedrohten Sanktionen auf sich warten.

Das ist noch nicht alles! In einer anderen Twitterei fordert er die Türkei und die EU auf, sich selbst um die Probleme in ihrer Nachbarschaft zu kümmern, um aus „diesen lächerlichen und endlosen Kriegen“ aussteigen zu können. Damit meint Trump die schnöde Ãœbergabe der Verantwortung für mehr als zehntausend in Nordsyrien gefangengehaltenen IS-Kämpfern an die Türkei und kündigt offenbar die internationale Allianz zur Bekämpfung des IS an der auch Deutschland beteiligt ist ohne Rücksprachen auf. Unverantwortlicher und unzuverlässiger kann man sich politisches Verhalten nicht vorstellen – und das von der derzeit noch einzigen Supermacht und westlichen Führungsnation USA!

Trump wollte die USA wieder groß machen. Dieser US-Präsident wirkt nicht nur erratisch und persönlichkeitsgestört, er ist ein politisches „Enfant terrible“, weil er sich wie ein ganz schlecht erzogenes Kindergartenkind benimmt – zum erheblichen politischen Nachteil der USA. Trump macht Amerika jeden Tag ein wenig kleiner und vertrauensunwürdiger!

(08.10.2019)

 

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