Hans-Heinrich Dieter

Deutschland und die Welt   (19.02.2020)

 

Am Freitag letzter Woche hat die 56. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) unter dem Motto „Westlessness“ begonnen. Damit wird die Krise der westlichen Wertegemeinschaft, die an weltweitem Einfluss, aber auch an innerem Zusammenhalt verloren hat, zum grundlegenden Thema gemacht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Konferenz eröffnet. Steinmeier machte deutlich, dass die internationale Ordnung sowie die westlichen Demokratien immer stärker unter Druck geraten sind und dass die Europäer immer mehr gefordert sind, den Egoismen der Großmächte USA, Russland und China etwas entgegenzusetzen. In Zeiten eines weltweit wachsenden Nationalismus solle Deutschland stärker als bisher den Zusammenhalt Europas zum Schwerpunkt seiner Außenpolitik machen: „Es ist unser stärkstes, unser elementarstes nationales Interesse. Für heute und für morgen gilt: Europa ist der unabdingbare Rahmen für unsere Selbstbehauptung in der Welt“. Steinmeier sprach sich sogar – und ganz sicher nicht ehrlich - für höhere deutsche Verteidigungsausgaben und eine Stärkung des europäischen Pfeilers in der NATO aus. Er bekannte sich auch – ganz sicher ohne innere Ãœberzeugung - zu dem Ziel der NATO, dass jeder Mitgliedstaat zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Streitkräfte ausgeben soll. Gleichzeitig warnte Steinmeier allerdings davor, in der Außenpolitik einen zu starken Akzent auf das Militärische zu legen. Und er fügte noch den Appell an die deutsche Politik bei, in der Außen- und Sicherheitspolitik mehr Mut zu zeigen. Außenminister Maas hat in seinem Statement die Aussagen Steinmeiers bekräftigt. Und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hat danach dazu aufgerufen, die Werte des Westens zu verteidigen, denn die Idee einer freiheitlichen Gesellschaft werde derzeit ganz konkret herausgefordert, da sehe sie Europa und gerade Deutschland in der Pflicht, mehr Willen zum Handeln zu entwickeln. 

Das ist alles nicht neu! Zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 hat der damalige Bundespräsident Gauck aus seiner Sicht Anmerkungen zur Rolle Deutschlands in der Welt gemacht. Es war insgesamt eine sehr nachdenkliche Rede, die die Praxis deutscher Außen- und Sicherheitspolitik positiv beeinflussen sollte. Gauck skizzierte damals eine globalisierte Welt mit schnellen Abläufen und rasanten Entwicklungen, gekennzeichnet durch die rasche Abfolge von Krisen, Bürgerkriegen, Katastrophen und belastet durch weltweite Kriminalität und Terrorismus: „Im Zuge dieser Entwicklungen zu glauben, man könne in Deutschland einfach weitermachen wie bisher“ sei nicht zielführend. Und Gauck griff sogar die grobschlächtige Kritik auf, Deutschland sei der Drückeberger der Weltgemeinschaft und ducke sich bei schwierigen Fragen allzu oft weg. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen griff diese „Schützenhilfe“ damals auf und versprach – gleich für die ganze Große Koalition - größere internationale Verantwortung wahrzunehmen: „Gleichgültigkeit ist keine Option für Deutschland.“ Auch der damalige Außenminister Steinmeier stellte fest: „Deutschland ist eigentlich zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren“, und ergänzte fast in der Wortwahl Gaucks, Deutschland müsse bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und entschlossener einzubringen und er wolle Deutschland zum Impulsgeber für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik machen. Die überraschten internationalen Teilnehmer hörten diese Botschaften damals gern, aber - aufgrund der Erfahrungen mit Deutschland - sicher mit einem gerüttelt Maß Skepsis und haben sich vorgenommen, den Partner Deutschland an seinen Worten zu messen.

Heute wissen nicht nur alle Teilnehmer der MSC 2020, dass die Skepsis berechtigt war. Deutschland hat in den sechs Jahren seit der MSC 2014 weder die politischen Voraussetzungen noch die erforderlichen militärischen Fähigkeiten für ein stärkeres internationales Engagement geschaffen. Den Reden sind wie so häufig keine Taten gefolgt. Deutschland hat vielmehr an Glaubwürdigkeit verloren und sich den Ruf eines wenig mutigen sicherheitspolitischen Trittbrettfahrers erworben, der unzureichend einsatzfähige Streitkräfte hat, trotzdem nicht - wie mit der NATO vereinbart - in die Streitkräfte investiert und bei Einsätzen wie zum Beispiel gegen den IS in Syrien mit veralteten Aufklärungssystemen Bilder schießt und  Spezialgrundausbildung für Kurden anbietet während unsere Partner Angriffe gegen Terroristen fliegen! Der politisch und wirtschaftlich so bedeutende EU- und NATO-Partner Deutschland ist auf erschreckende Weise militärisch schwach.

Den hehren Worten müssen endlich Taten folgen, wenn Deutschland Vertrauen zurückgewinnen und zum Zusammenhalt einer auch außen- und sicherheitspolitisch handlungsfähigen EU beitragen will. Die Welt braucht   zukünftig eine starke Europäische Union - aber auch die leistungsfähige trans-atlantische Partnerschaft der NATO.

Deswegen war es gut, dass US-Außenminister Pompeo und die etwa 50 US-Kongressabgeordneten zum Ausdruck gebracht haben, dass das transatlantische Verteidigungsbündnis auch weiterhin für die USA von Wert ist. Und es war wichtig, dass Nato-Generalsekretär Stoltenberg zum Ausdruck gebracht hat, Europa und die Vereinigten Staaten müssten weiter zusammenstehen und er glaube nicht an ein „Europa alleine“ oder ein „Amerika alleine“. Frankreichs Präsident Macron hat hingegen seinen Vorstoß bekräftigt, wonach Europa die eigene Sicherheit stärker selbst verteidigen müsse, aber gleichzeitig betont, dass ein „Europa der Verteidigung“ aber ausdrücklich kein Projekt gegen die NATO sei.

Aber die Krise der westlichen Wertegemeinschaft muss natürlich auch über die EU und die NATO hinaus betrachtet werden. Und wenn auch aus den Treffen der Münchner Sicherheitskonferenz wenig Konkretes herauskommt, so sind sie doch unverzichtbar in unserer zunehmend instabilen Welt, um sich öffentlich oder auch in vielen Hintergrundgesprächen auszutauschen – mit Freund, Gegner und Feind – und zu versuchen, einander zu verstehen oder zumindest zu respektieren!

Deutschland spielt in der globalen Welt eine deutlich nachgeordnete Rolle, weil wir kein außen- und sicherheitspolitisches Konzept haben, das wir in die EU oder die NATO einbringen könnten, um so zur Stabilisierung beizutragen. Deutschland hat auch nicht die militärischen Möglichkeiten, um seinen Bündnisverpflichtungen angemessen nachkommen zu können. Wir sind so etwas wie ein großmäuliger außen- und sicherheitspolitischer Zwerg. Das müssen wir tatkräftig dadurch ändern, dass wir zum Beispiel die vielfältigen Vorschläge Macrons intensiv diskutieren und zu realistischen Lösungen kommen, die der Zukunft der EU und der Handlungsfähigkeit der NATO – einschließlich des unverzichtbaren Sicherheitsgaranten USA – dienen. Wir müssen wieder ein geachteter, glaubwürdiger und zuverlässiger Partner bei der Gewährleistung unserer gemeinsamen Interessen und Sicherheit werden. Das wird nur gelingen, wenn wir uns engagiert und mutig in die EU und in die NATO einbringen und die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr so schnell wie möglich wiederherstellen!

Den vielen hehren Worten müssen endlich mutige Taten folgen!

(19.02.2020)

 

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