Hans-Heinrich Dieter

Déjà-vu in Syrien   (01.10.2015)

 

Putin ist ein gefährlicher Profi, er hat für seine politischen Aktionen eine Strategie, ein Konzept und einen Plan. Mit seiner überraschenden Syrienoffensive hat er erste Ziele bereits erreicht. Er hat sich als Großmacht wieder in Politik eingebracht und die teilweise Isolierung aufgebrochen. Er hat die Initiative gewonnen und zwingt die USA und die westliche Welt zu Reaktionen. Dabei sind Parallelen zur russischen hybriden Kriegsführung gegen die Ukraine zu erkennen.

Putin hat aus seiner Unterstützung für Assad nie einen Hehl gemacht. Zunächst hat er verdeckt Waffen an Assad geliefert und dann im Zusammenhang mit dem Ausbau seiner Militär- und Flottenbasis die Waffenlieferungen massiv verstärkt. Dann hat er ein Bündnis für – zunächst - nachrichtendienstliche Zusammenarbeit zwischen Russland, Syrien, Iran und Irak zum Kampf gegen den IS geschaffen. Damit entsteht ein Bündnis zur Wahrnehmung schiitischer Interessen unter russischer Führung im Nahen Osten. Vorwiegend sunnitische Staaten der Region wie die Türkei, Saudi Arabien, Katar und andere Golfstaaten sind dabei nicht eingebunden. Damit zementiert Putin den Stellvertreterkrieg auf syrischem Territorium zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi Arabien und lässt die USA dabei zwischen allen Stühlen sitzen. Denn Amerikaner arbeiten im Irak mit Schiiten und iranischen schiitischen Milizen gegen den radikal-sunnitischen IS zusammen, die sunnitische Türkei hofieren die USA trotz des nur halbherzigen Einsatzes gegen den IS, um Luftwaffenbasen nutzen zu können und mit den sunnitischen Golfstaaten – hauptsächlich mit Saudi Arabien – die den IS teilweise finanziell unterstützen, arbeiten die USA politisch eng zusammen. Dieses Dilemma schwächt die USA in ihren Handlungsmöglichkeiten und in diese schwache Flanke treibt Putin genussvoll einen massiven Keil. Den Gegner Europa muss Putin dabei nicht weiter berücksichtigen, denn Europa ist uneinig, instabil, militärisch schwach und nicht bereit und in der Lage, gemeinsame Politik für Syrien zu machen, geschweige denn gemeinsam militärisch zur Problemlösung beizutragen. Putin reicht es, wenn er durch die von ihm initiierte Verlängerung des syrischen Bürgerkrieges den Flüchtlingsdruck auf Europa aufrechterhält und so zur Destabilisierung der Europäischen Union beiträgt.

Seine Syrienoffensive begleitet Putin natürlich mit einem Propaganda- und Medienfeldzug. Den Einstieg hat er besonders wirkungsvoll durch seine Rede vor der UN-Vollversammlung gestaltet, denn es gibt kaum ein wirkungsvolleres Forum, um die USA der völkerrechtswidrigen Politik zu beschuldigen, die Politik Russlands als im Einklang mit internationalem Recht sowie friedensfördernd darzustellen, die Absicht vorzugaukeln, den IS zusammen mit der westlichen Welt bekämpfen zu wollen und von den russischen Völkerrechtverletzungen gegen die Ukraine abzulenken. Diese Propaganda wird uns in den nächsten Monaten begleiten und leider fallen auch bei uns Putinjünger, Putinversteher und solche Politiker wie Vizekanzler Gabriel auf Putin herein, wenn sie diesem neurussischen Imperialisten vertrauen und ihn für einen Partner halten, der uns helfen will. Putin will ausschließlich Russland und sich selbst helfen!

Die ersten russischen Luftangriffe wurden dann offenbar in Regionen –zum Beispiel in Homs und Hama - geflogen, wo keine IS-Terroristen agieren, sondern Reste der Freien Syrischen Armee. Aus Sicht Putins ist es nur plausibel, auch diese „Terroristen“ zu bekämpfen, denn sie agieren gegen Assad und sind deswegen Feind. So genau muss man aus russischer Sicht zwischen den „Terroristen“ unterschiedlicher Gruppierungen wohl nicht unterscheiden. Dass die USA die gemäßigte bewaffnete Opposition militärisch unterstützen und Russland sich durch seine Aktionen in den direkten Gegensatz zu Amerika bringt, wird Teil der russischen Risikokalkulation sein und direkte Gespräche mit Russland noch wichtiger machen. Amerikanische militärische Aktionen gegen die russischen Streitkräfte in Syrien braucht Putin nicht zu fürchten. Er hat die Initiative und setzt seine geopolitischen Pläne mit kalkuliertem Risiko um – sicher erfolgreich, solange die USA und die westliche Welt keinen Plan haben.

Putin propagiert auch im Syrienkonflikt offensichtlich die Unwahrheit und lässt die Staatsmedien lügen. Putin erweist sich einmal mehr als Gegner der USA und der westlichen Welt, mit dem nur schwer zusammenzuarbeiten ist. Gleichwohl muss politisch alles unternommen werden, um den syrischen Bürgerkrieg politisch zu beenden. Da werden nun auch die USA nicht um Zugeständnisse an Russland und damit indirekt an Assad herumkommen. Durch die bisherige konzeptionslose Politik der westlichen Welt und durch die russische Syrien-Offensive sind allerdings sowohl der Kampf gegen den IS als auch die Problemlösung erschwert. Auf jeden Fall wird Putin alles dafür tun, dass Assad zumindest den Mittelmeerküstenstreifen weiter beherrscht und Russland seine Militärbasis, seinen Mittelmeerzugang und seinen Machteinfluss auf die Entwicklung des Nahen Ostens behält. Schlechte Aussichten für unsere krisengeschüttelte Welt!

(01.10.2015)

 

 

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