Hans-Heinrich Dieter

Bürokratiemonster Bundeswehr   (30.01.2019)

 

Mit Datum von gestern wurde der Jahresbericht 2018 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages herausgegeben. Noch im aktiven Dienst habe ich mich häufiger über Berichte der Wehrbeauftragten geärgert, weil hauptsächlich Fehlverhalten in der Truppe aufgezeigt und den Medien vielfältiger Anlass zu meist sehr negativer, teilweise diffamierender Berichterstattung gegeben wurde. Heute sehe ich die Berichte als eine geeignete Grundlage, dem Parlament und der Öffentlichkeit kritisch und in aller Deutlichkeit den beklagenswerten Zustand der Bundeswehr aufzuzeigen, der hauptsächlich durch jahrelange Unterfinanzierung herbeigeführt wurde.

In seinem Vorwort schreibt der Wehrbeauftragte Bartels: „Vieles muss und soll besser werden, damit unsere Soldatinnen und Soldaten ihrer heutigen Doppelaufgabe voll gerecht werden können: einen substanziellen Beitrag zur kollektiven Verteidigung in Europa zu leisten und gleichzeitig wie bisher an multinationalen Kriseneinsätzen außerhalb des Bündnisgebiets weltweit teilzunehmen. … Dass im Berichtsjahr fast alle an die Bundeswehr gestellten Aufgaben doch irgendwie gelöst wurden, hat ganz wesentlich mit der loyalen Professionalität und der Liebe zu ihrem Beruf zu tun, die Soldatinnen und Soldaten immer wieder Wege finden lassen, wo der „Dienstweg“ einen manchmal verzweifeln lassen könnte. Als Haupthindernis für notwendige Verbesserungen erleben viele Soldatinnen und Soldaten die Ãœberorganisation von allem und jedem. Sie sagen: „Wir verwalten uns zu Tode“ und sprechen vom „Bürokratiemonster Bundeswehr“.“

Und der Wehrbeauftragte zitiert auch kritische Stimmen aus der Truppe: ein Marinekommandeur 2018: „Wir bewegen uns ressourcenmäßig am Limit und leben von der Substanz. Anforderungen an uns, der tatsächliche Zustand unseres Materials und die Verfügbarkeit von Personal befinden sich nicht in der Waage, um die Einsatzbereitschaft im geforderten Umfang herzustellen und Belastungen ausgewogen zu verteilen.“ … Und der Inspekteur der Luftwaffe im Sommer 2018: „Die Luftwaffe befindet sich an einem Tiefpunkt.“

Was auch in diesem Bericht zu kurz kommt, ist der kritische Hinweis auf die Ursache für den Zustand der Bundeswehr als „Sanierungsfall“ und auf dessen Verursacher: die richtlinienkompetente Bundeskanzlerin, die politische Leitung des Verteidigungsressorts unter Führung erfolg- oder glückloser CDU-Verteidigungsminister und der Deutsche Bundestag, der die parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung auch im Zusammenhang mit der Parlaments-Armee Bundeswehr sträflich vernachlässigt hat. Und weil diese klare kritische Ansprache in Richtung Regierung und Parlament zu kurz kommt, wird sie auch nicht von den Medien entsprechend aufgegriffen, und so ist weiterhin eher vom Versagen der „Trümmertruppe“ die Rede.

In der FRANKFURTER RUNDSCHAU heißt es zum Beispiel: „So schonungslos, so deutlich und ausführlich wie Bartels hat bislang kaum jemand die Mangelwirtschaft der Bundeswehr beschrieben. … Verantwortlich für diesen Schlamassel ist qua Amt Verteidigungsministerin von der Leyen. Doch sie alleine an den Pranger zu stellen, reicht bei weitem nicht. Es muss mehr geschehen, um den Augiasstall Bundeswehr auszumisten. Die Ministerin hat viel gewollt und bislang wenig erreicht. Doch hat sie immerhin versucht, die Missstände zu analysieren und zu benennen. Offensichtlich ist es ihr aber wie einigen ihrer Vorgänger nicht gelungen, die entscheidenden Führungskräfte der Bundeswehr für ihr Anliegen zu gewinnen.“ Hier wird das alte Lied von der widerspenstigen militärischen Führung gesungen, die sich gegen die gutwillige Politik sperrt. Dabei leidet die militärische Führung unter dem Primat der Politik, die immer nur ihr Vorrecht betont, ohne der Verantwortung, die mit dem Primat der Politik verbunden ist, gerecht zu werden und ohne den militärisch Verantwortlichen zu trauen sowie den erforderlichen Handlungsspielraum zu gewähren.

Am ausgewogensten kommentiert die F.A.Z in der Presseschau des Deutschlandfunks, der einleitet: „Kommentiert wird der … Bericht des Wehrbeauftragten der Bundesregierung.“ (Wie politisch ungebildet oder dumm muss ein Redakteur sein, dem ein solcher Fehler unterläuft?) Unter dem Titel „Mängelwehr“ schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG dann: „Viel ist in jüngster Zeit von strategischer Autonomie Europas in Beziehung zu den Vereinigten Staaten die Rede. Wer aber den Bericht des Wehrbeauftragten liest, der kommt zu dem Schluss, dass zumindest für Deutschland der Weg vom Wunsch zur Wirklichkeit noch sehr, sehr lang sein wird. Gespannte Personallage, gravierende Ausrüstungsmängel, die Verwaltung ein Bürokratiemonster - Staat ist mit dieser Bundeswehr nicht zu machen. Die Leidtragenden sind die Soldaten, die auf Dauereinsätze geschickt und mit immer mehr Aufgaben betraut werden.“ Hier wird zumindest im Ansatz deutlich, dass unsere Politiker ihrer Verantwortung für die Schaffung erforderlicher politischer Rahmenbedingungen erfolgreicher militärischer Auftragserfüllung durch die Soldaten der Parlamentsarmee Bundeswehr nicht gerecht werden.

Und der Berliner TAGESSPIEGEL analysiert: „Die deutsche Gesellschaft braucht die öffentliche Debatte, wofür die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Erde Militär benötigt. Wenn sie die Bundeswehr nicht mehr als Waisenkind behandelt, werden sich Wege für die Sanierung finden. In einer Truppe, die stolz darauf sein darf, was sie im Ernstfall kann, wächst die Moral und sinkt die Zahl der Skandale.“ Und wenn der Bericht des Wehrbeauftragten Bartels eine sachorientierte öffentliche Debatte auslösen würde, wäre den Staatsbürgern in Uniform schon geholfen!

„Augiasstall“, „Mängelwehr“, „Sanierungsfall“ und „Trümmertruppe“ Bundeswehr sind durch permanente Unterfinanzierung der Bundeswehr durch verantwortungsarme, vom Parlament nicht hinreichend kontrollierte Politik verursacht worden. Und ausufernde Bürokratie wird auch verursacht durch permanenten Zwang zur Mangelverwaltung! Der Schaden ist so gravierend, dass es Jahre dauern wird, die materiellen Mängel auszugleichen. Die „Trümmertruppe“ Bundeswehr ist für leistungsstarke junge Staatsbürger als Arbeitgeber unattraktiv und auch das wird nur mit sehr großen Anstrengungen zu beheben sein. Da ist es gut, dass auch Sonntagsredner von der SPD, die vor der UNO oder der EU davon reden, dass Deutschland global mehr Verantwortung übernehmen will, nicht mehr von Aufrüstung schwadronieren, wenn es um die kostenintensive Beschaffung der zur Auftragserfüllung nötigen Ausrüstung geht.

Verteidigungs- und Ankündigungsministerin von der Leyen sieht allerdings die Bundeswehr trotz fortbestehender Mängel bei Personal und Ausrüstung auf dem richtigen Weg. Man müsse einen langen Atem haben und kraftvoll den Weg weiter nach vorne gehen. Insgesamt gebe es bei der Bundeswehr ein dynamisches Wachstum und viele Modernisierungsschritte, beim Material, beim Personal und bei den Finanzen. Der „richtige Weg“ wird von ihr schon länger und immer wieder unzureichend beschrieben mit den Trendwenden „Material“ und „Personal“. Dieser Weg ist aber noch nicht wirklich beschritten, denn ihre „Trendwenden“ haben bisher keine nennenswerten Erfolge erzielt und bei der Gewinnung qualifizierten Personals zeichnen sich sehr große Probleme ab. Und dabei ist der geldverschwendende, teilweise regelverstoßende Einsatz von externen Beratern offensichtlich eher Teil der Probleme als ein Beitrag zu deren Lösung. Aber das wird ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss herausfinden, mit hoffentlich truppendienlichen Konsequenzen für die Bundeswehr!

(30.01.2019)

 

Bei Interesse an der Thematik und zum Verständnis politischer Verantwortung für den „Schlamassel“ lesen Sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/hoffnungsschimmer.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/parlamentarischesversagen.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/2031einsatzfaehig.html

 

 

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