Hans-Heinrich Dieter

Ankündigungspräsidentin von der Leyen   (17.01.2020)

 

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Oppermann bezeichnete 2017 von der Leyen in der „Bild“-Zeitung als „schlechteste Verteidigungsministerin seit der deutschen Einheit“. Das sieht die damalige Verteidigungsministerin natürlich anders. Sie ist der festen Ãœberzeugung, dass sie die Bundeswehr in den Jahren 2014-2017 „vom Kopf wieder auf die Füße gestellt“ hat. Das ist allerdings eine Melange aus Realitätsverlust, Selbstüberschätzung sowie Anmaßung. Und in Verbindung mit einem nicht wirklich glaubwürdigen Politiker-Lächeln versucht von der Leyen so über die offensichtlichen Probleme, Versäumnisse, Misserfolge und Fehlentscheidungen ihrer Amtszeit hinwegzutäuschen. Dieses Verhalten vergrößert den ohnehin schon sehr hohen Vertrauensverlust. Und so reiht sich Ministerin von der Leyen in die Riege erfolgloser Verteidigungsminister ein.

Trotz dieser sehr dürftigen Bilanz bleibt von der Leyen Verteidigungsministerin der neuen GroKo und kündigt für die Bundeswehr „Trendwenden Personal, Finanzen und Ausrüstung“ an, um die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte wiederherzustellen. Von der Leyen ist es aber nicht gelungen, die Planung der Verteidigungshaushalte 2018, 2019 und 2020 mit der dazugehörigen mittelfristigen Finanzplanung positiv so zu beeinflussen, dass die 2-Prozent-Vereinbarungen mit der NATO hinsichtlich der Verteidigungsinvestitionen bis 2024 erfüllt werden und die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrages bis 2031 wieder erreicht werden kann. Es ist leider außer vollmundigen Reden und Ankündigungen sehr wenig gewesen! Und so hat die „Ankündigungsministerin von der Leyen“ zum Vertrauensverlust Deutschlands bei der NATO und bei der EU in hohem Maße beigetragen. Das Vertrauen der Soldaten der Bundeswehr in die Ministerin war da schon irreparabel zerstört.

Und in der Endphase ihres unrühmlichen Wirkens hat von der Leyen noch grottenschlecht nachgelegt. Im Zusammenhang mit der von ihr zu verantwortenden „Berater-Affäre“ der Bundeswehr, hat sie als ehemalige Verteidigungsministerin ihre Handydaten zur Löschung freigegeben - oder selbst gelöscht – obwohl der Untersuchungsausschuss des Bundestages diese Daten als Beweismittel angefordert hatte. Wenn von der Leyen im Februar 2020 vor dem Untersuchungsausschuss auszusagen hat, wird festzustellen sein, ob sie sich strafbar gemacht hat und hoffentlich werden dann entsprechende Konsequenzen eingeleitet. Fest steht aber heute schon, dass die ehemalige Ministerin die Befugnisse der Legislative sträflich missachtet und deren Verantwortung schändlich hintertrieben hat. Dieses inzwischen öffentlich bekannte Verhalten ramponiert das eingeschränkte Vertrauen nicht nur deutscher Bürger in diese „fragwürdige Persönlichkeit“ weiter. Und diese fragwürdige und wenig vertrauenswürdige Persönlichkeit wird – nicht als Folge einer demokratischen Wahlentscheidung – sondern quasi „per ordre de mufti (Macron)“ Präsidentin der EU-Kommission und beschädigt so schon mit ihrem Amtsantritt den Ruf der Kommission!

Dabei ist die Europäische Union - und damit auch Europa - in einem bedauernswerten, ja geradezu mitleiderregenden Zustand. Die Finanzkrise ist nicht überwunden, die Staatsverschuldung ist in den meisten Mitgliedstaaten nicht im Griff, die massiven Strukturprobleme der meisten EU-Staaten sind nicht oder nur unzureichend behoben und die Flüchtlingsproblematik spaltet Europa mehrfach und nachhaltig. Die Europäische Union hat massiv an Ansehen verloren und wird als Partner in der Weltpolitik wenig ernst genommen. Deswegen braucht die EU integre und starke Persönlichkeiten an ihrer Spitze!

Die Ursachen für den Ansehensverlust findet die Europäische Union leicht bei sich selbst. Die EU ist eine strukturschwache Gemeinschaft von noch 28 mehr oder weniger egoistischen Nationalstaaten. Das Konsensprinzip führt dazu, dass Entscheidungen nur auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners getroffen werden. Solche Entscheidungen entwickeln naturgemäß nur eingeschränkte politische Schlagkraft. Wenn die Staaten Europas sich in unserer globalisierten Welt auf der Grundlage unserer gemeinsamen Werte in Krisen stabilisierend einbringen wollen, dann geht das mit Aussicht auf Erfolg nur gemeinsam. Diese gemeinsame EU-Politik gibt es aber derzeit nicht, weil der Wille zu gemeinsamer Politik stark zu wünschen übriglässt und die EU-Struktur effektive Machtausübung der Gemeinschaft verhindert. Da bräuchte die EU doch eigentlich eine vertrauenswürdige, erfolgreiche, tatkräftige und EU-erfahrene Kommissionspräsidentin mit untadeligem Leumund, um die EU mit Realitätssinn aus der Krise führen zu können. Diese Chance scheint vertan zu sein!

Dieser politischen Lagefeststellung zum Trotz wollen die neue EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und der neue EU-Außenbeauftragte Josep Borrell eine „geopolitische EU-Kommission“ ins Leben rufen, die die EU-Staatengemeinschaft in eine globale „verantwortungsvolle Führungsrolle“ bringt. Die EU soll nicht nur wirtschaftlich ein Global Player werden, sondern eine global agierende außenpolitische Großmacht, die mit dem „Green Deal“ gleichzeitig auch noch globaler Vorreiter im Klimaschutz sein will. Da hat sich die illusionsgesteuerte EU-Kommissionspräsidentin für die kommende Dekade sehr, sehr viel – meines Erachtens zu viel! – vorgenommen.

Damit nicht genug. Die EU-Kommissionspräsidentin jazzt klimapopulistisch den avisierten „GreenDeal“ zu einem europäischen „man on the moon moment“ hoch. Es fällt nicht selten schwer, der immer künstlich lächelnden vdL zuzuhören, wenn man sie mit ihren charakterlichen Schwächen kennen lernen konnte. Aber auch der weniger informierte EU-Bürger wird unschwer erkennen, dass das Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral aufzustellen, angesichts der höchst unterschiedlichen Ausgangssituationen der 27 Mitgliedstaaten nur unter den günstigsten Bedingungen zu erreichen sein wird. solche günstigsten Bedingungen sind real in den nächsten 30 Jahren nur schwer vorstellbar.

Die FAZ spricht von einem „leeren Milliardenversprechen“: „Von der Leyen steckt in einem Dilemma, weil sie auf die Mitgliedstaaten angewiesen ist. Das gilt vor allem für Geldfragen. Das Europaparlament mag fest an ihrer Seite stehen und kann gar nicht genug Geld für den Klimaschutz fordern. Die Mitgliedstaaten allerdings tun sich in den Verhandlungen über den nächsten mehrjährigen EU-Haushalt 2021 bis 2027 schon schwer damit, die vom früheren EU-Kommissionspräsidenten Juncker vorgeschlagene Aufstockung des Klimaschutzbudgets mitzutragen - weil das zwangsläufig auf Kosten der traditionellen Mittel für die Landwirte und die Regionalförderung geht“. Und die sehr objektive NZZ stellt fest: „Von der Leyen backt keine kleinen Brötchen. Bei genauerem Hinsehen wird aber klar, dass die 1.000 Milliarden Euro wohl vor allem eine schöne Zahl sein sollen und dass dahinter weit weniger frisches Geld steckt als zunächst vielleicht vermutet. Man wird sogar unwillkürlich an die wundersame Brotvermehrung im Neuen Testament erinnert. Nur dass die Kommissionspräsidentin nicht aus fünf Broten und zwei Fischen ein Abendessen für 5.000 Personen macht, sondern grob vereinfacht gesagt mit zusätzlichen 7,5 Milliarden Euro der EU-Mitgliedstaaten Investitionen in der Höhe von einer Billion Euro auslösen will. Die Summe kommt nämlich in erster Linie zustande, indem sowieso notwendige oder schon zugesagte Gelder umetikettiert und als 'grün' bezeichnet sowie Mittel umgenutzt und vor allem gehebelt werden“. Diese liberal-konservativen Qualitätsmedien fassen die Problematik treffend zusammen.

Hier wird sehr deutlich, dass vor dem großmäuligen „man on the moon moment“ zunächst die Verabschiedung des erforderlichen mehrjährigen EU-Haushalts 2021 bis 2027 steht und das wird nach dem Ausscheiden des Netto-Zahlers Großbritannien besonders schwer. Außerdem steht die EU für etwa zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, die USA für ca. 15 und China für 30 Prozent. Ohne Zusammenarbeit mit den anderen werden wir die Welt also nicht retten. Die EU sollte sich daher sachbezogen und problemorientiert um die vordringlichen Probleme kümmern, ohne die Herausforderungen zu vernebeln.

Die EU muss sich strukturell reformieren und weiterentwickeln von einer friedensstiftenden Nachkriegs-Wirtschaftsunion zu einem international handlungsfähigen außen- und sicherheitspolitischen Akteur mit leistungsfähigen politischen Instrumenten, die sie auf der Grundlage einer Gesamtstrategie machtvoll zur Wirkung bringen kann. Das wird nur durch die allmähliche, schrittweise Gestaltung einer glaubhaften und wirkungsvollen globalen außenpolitischen Rolle gelingen. Und ein international handlungsfähiger außen- und sicherheitspolitischer Akteur kann die EU nur werden mit einem Neuanfang werteorientierter und solidarischer Mitgliedstaaten, die bereit sind, auch nationale Kompetenzen an die EU zu übertragen. Wer da nicht mitziehen will, muss sich mit einer privilegierten Mitgliedschaft und deutlich weniger EU-Mitteln zufriedengeben!

Bei einem solchen, für die Zukunft der EU wichtigen Großprojekt ist keine Ankündigungs- sondern tatkräftige Realpolitik gefragt. Da macht es ein wenig Mut, dass nun eine „Zukunftskonferenz“ unter Beteiligung der wahlberechtigten EU-Bürger aktiv werden soll, um die zukunftsorientierten Ideen, die es ja schon gibt, auch in die Tat umzusetzen. Bisher ist die bereits 2009 beschlossene Verkleinerung der EU-Kommission am Widerstand der Staats- und Regierungschefs gescheitert. Es muss eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik definiert und zur Grundlage gemeinsamer Politik werden. Außerdem sollte das EU-Parlament das Initiativrecht für Gesetzesvorhaben erhalten und in der Außen- und Sicherheitspolitik wie auch in der Klimaschutz- und Flüchtlingspolitik sollten Blockaden einzelner Mitgliedstaaten durch Mehrheitsentscheidungen anstelle von Einstimmigkeit vermieden werden. Wer die grundlegenden Werte der Europäischen Union, insbesondere in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit, nicht teilt, sollte das Recht auf Mitgliedschaft verlieren. Man kann der EU nur wünschen, dass es diesmal nicht wieder bei Ankündigungen bleibt!

(17.01.2020)

 

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