Hans-Heinrich Dieter

75 Jahre NATO   (04.04.2024)

 

Am 4. April 1949 – zwei Jahre nach der Gründung der Vereinten Nationen (UNO) – wurde in Washington der Nordatlantikvertrag von zehn europäischen und zwei nordamerikanischen Staaten unterzeichnet. Nach der Ratifizierung des Nordatlantikvertrages durch die Parlamente der beteiligten Staaten traten diese Regelungen am 24. August 1949 in Kraft. Seither kamen zahlreiche Staaten hinzu – zuerst Griechenland und die Türkei 1952, dann die (damalige) Bundesrepublik 1955 sowie 1982 das inzwischen wieder demokratische Spanien.

Schon kurz nach Beendigung des zweiten Weltkrieges verschlechterte sich das Verhältnis der westlichen Staaten und der zunehmend aggressiven Sowjetunion. Und so hieß der damalige Gegner Sowjetunion. Und heute beim 75-jährigen Jubiläum der NATO heißt der Feind Russland. Die Erhaltung von Frieden in Freiheit und der Schutz vor der stalinistischen Aggression hat zur Gründung der NATO als dauerhaftes, weitreichendes und inzwischen 32 Staaten umfassendes Militär- und Verteidigungsbündnis geführt, das einzigartig war – und geblieben ist.

Und die NATO war von allergrößter Bedeutung für die gemeinsame Entwicklung der demokratischen, westlichen Welt. Ohne die NATO wäre die Einbindung Deutschlands in die westliche Welt nicht so erfolgreich gelungen. Ohne die Mitgliedschaft in der NATO wäre Deutschland sicher nicht so schnell durch den Aufbau der Bundeswehr verteidigungsfähig geworden. Der „kalte Krieg“ hätte ohne eine verteidigungsbereite und abschreckungsfähige NATO nicht so erfolgreich bewältigt werden können. Und ohne Rückhalt der NATO wäre auch die Wiedervereinigung nicht zu leisten gewesen.

Im Vereinigungsprozess 1990 war die NATO-Mitgliedschaft der vormaligen DDR ein zentrales Thema. Die USA bestanden darauf, dass ein vereinigtes Deutschland Vollmitglied der NATO sein müsse, gestand aber zu, dass keine nichtdeutschen Nato-Streitkräfte auf vormaligem DDR-Gebiet stationiert werden würden. Als 1989 die Berliner Mauer fiel, hatte die NATO den „kalten Krieg“ gewonnen, Und während der Ostblock implodierte und der Warschauer Pakt sich auflöste, hatte das Transatlantische Bündnis Bestand und wuchs um ehemalige Sowjetrepubliken ständig auf. Das Misstrauen gegenüber Russland war sehr stark ausgeprägt – und ist es weiterhin.

Der „kollektive Westen“ entwickelte sich nach dem „kalten Krieg“ naiv-pazifistisch, fühlte sich nur von Freunden umgeben und bemühte sich um Zusammenarbeit mit Russland – allerdings erfolglos. Es folgten drei Jahrzehnte sicherheitspolitischer Unsicherheiten, in denen die NATO auf dem Balkan intervenierte, und dann erstmalig auf Grundlage des Artikels 5 des NATO-Vertrages zur Unterstützung der USA Truppen nach Afghanistan entsandte, um sich im Kampf gegen den Terrorismus neu zu definieren – und scheiterte.

Erst nach der Annexion der Krim durch Russland besann sich die NATO wieder auf die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung und vereinbarte 2014, dass jeder Mitgliedstaat mindestens 2 Prozent des jeweiligen Bruttosozialproduktes jährlich in die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte zu investieren habe, um die in Zeiten der Friedensdividende „kaputtgesparten“ Truppenteile wieder verteidigungsfähig zu machen. Spätestens nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 kam das Bündnis wieder auf sein Kerngeschäft zurück: Abschreckung und klassische Landesverteidigung gegenüber einem potenziell unberechenbaren Rivalen im Osten – real gegen den sich zum Feind entwickelten Neostalinisten und Kriegsverbrecher Putin und seine Untertanen. Und diese Aggressivität hat auch dazu geführt, dass die traditionell neutralen Staaten Finnland und Schweden als neue Mitglieder das Bündnis deutlich verstärken und die geopolitische Situation in Osteuropa und im Ostseeraum zugunsten der NATO verbessern.

Die NATO und die EU waren vom Beginn des Ukraine-Krieges an aktiv und haben die Ukraine politisch und wirtschaftlich unterstützt! Die westliche Welt ist aus dem sicherheitspolitischen Dornröschen-Schlaf abrupt erwacht – und hat schnell gelernt. Und der Ukraine-Krieg hat auch deutlich gezeigt, dass sich die USA nicht von Europa abwenden, sondern sie kommen ihren Verpflichtungen im transatlantischen Bündnis sehr vertrauenswürdig nach, auch weil sie dieses Bündnis genauso brauchen wie eine gute und intensive Zusammenarbeit mit der Europäischen Union. Die USA, die EU und die NATO haben sich in konsequenter Entschlossenheit und Geschlossenheit gegenüber Putin eingebracht – zumindest bis Mitte 2023.

Inzwischen hat sich die politische Lage in den USA durch das vorwahlbedingte Verweigerungsverhalten der Republikaner deutlich verschlechtert. 60 Milliarden US-Dollar für militärische Unterstützung der Ukraine sind blockiert. Und weder die NATO noch die EU sind derzeit in der Lage, die ausbleibende Unterstützung für die Ukraine zu kompensieren.

Da ist es hilfreich, dass in Brüssel die NATO-Außenminister tagen, um sich um dieses Problem zu kümmern.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat in dem Zusammenhang die NATO-Mitglieder dazu aufgerufen, sich auf mehr und längere Hilfe für die Ukraine einzustellen. Die Ukraine brauche nicht nur kurzfristige bilaterale, sondern langfristige und planbare militärische Hilfe, aus seiner Sicht ein fünfjähriges Militärhilfepaket im Wert von 100 Milliarden Euro. Damit will die NATO eine direktere Rolle bei der Unterstützung der Ukraine spielen und sogar einen Teil der Koordinierungsarbeit von der US-geführten sogenannten Ramstein-Gruppe übernehmen, um unabhängiger von den – in letzter Zeit unsicheren – USA zu werden.

Der völkerrechtswidrige und kriegsverbrecherische Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat den Frieden in Europa beendet und die westlichen Demokratien zu einer Kehrtwende in der Außen- und Sicherheitspolitik veranlasst. Die Ukraine verteidigt Frieden in Freiheit und ihr Recht auf Souveränität. Die Ukraine ist allein zu schwach, auf Dauer den russischen Abnutzungskrieg auszuhalten und die kriegsverbrecherischen Angriffe Putins gegen die ukrainische Zivilbevölkerung und ihre lebenswichtige Infrastruktur zu verkraften. Deswegen müssen die NATO und die EU die Ukraine intensiver und schneller – auch im eigenen Interesse – so lange wie erforderlich unterstützen. Und Deutschland sollte in der lobenswerten Unterstützung nicht nachlassen und endlich auch die Taurus-Debatte zugunsten der Ukraine beenden. Die EU und die NATO sollten auch nicht immer ihre Angst vor einem möglichen zukünftigen „Trampel-Trump“ deutlich werden lassen, sondern frühzeitig die Zusammenarbeit mit den USA zum Beispiel im Indo-Pazifik stärken und tatkräftig unter Beweis stellen, dass ihre Mitgliedstaaten ihre Verteidigungsfähigkeit stärken.

Putin wird es nicht wagen, eine deutlich gestärkte, erweiterte und einsatzbereitere NATO, die über eine ausgewogene nukleare Zweitschlagskapazität verfügt, anzugreifen. Mit dieser NATO können wir auch zukünftig in Freiheit leben!

(04.04.2024)

 

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