Hans-Heinrich Dieter

Zukunft des Kommandos Spezialkräfte   (02.07.2020)

 

Das Kommando Spezialkräfte wurde 1996 aufgestellt und ist seit 1998 für Deutschland im Einsatz. Das KSK zeigte in allen diesen Einsätzen seitdem Spitzenleistungen und ist international anerkannt sowie in der Special Operation Forces Community aufgrund seiner Leistungsfähigkeit hoch geschätzt. Das KSK muss erhalten und einsatzbereit bleiben, denn Deutschland und die NATO brauchen diesen Spezialkräfteverband mit seinen besonderen militärischen Fähigkeiten auch in Zukunft.

Nachdem beim KSK - von 2017 an - rechtsextremistische Vorfälle bei dem Spezialkräfteverband bekanntgeworden sind, hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer Aufklärung und Konsequenzen angekündigt und betont, dass es bei der Null-Toleranz-Linie gegenüber jeglichen rechtsextremen Vorfällen in der Bundeswehr bleibe. Sie sprach davon, mit eiserenem Besen kehren zu wollen und die „Mauer des Schweigens“ im KSK einreißen zu wollen. Weitgehende Strukturmaßnahmen schloss sie nicht aus.

Die Bundesministerin setzte vor diesem Hintergrund am 29.05.2020 eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Generalinspekteurs der Bundeswehr ein, um eine Struktur- und Defizitanalyse zu rechtsextremistischen Tendenzen innerhalb des KSK durchzuführen und Schlussfolgerungen vorzulegen, wie Rechtsextremismus im KSK besser bekämpft und bereits im Keim erstickt werden kann. Die Arbeit der Arbeitsgruppe wurde durch die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages begleitet. Ich hätte es für richtig befunden, wenn jeglicher Ansatz zum Generalverdacht und jegliche Pauschaldiffamierung unterblieben und die Ergebnisse dieser Untersuchung abgewartet worden wären. So hat die Ministerin die Skandalisierung und den Spekulationenwildwuchs durch die meisten Medien geradezu befeuert. Die Ministerin hat allerdings Recht, wenn sie in dem Zusammenhang die Forderung betont: „Für die Spezialkräfte müssen die strengsten Anforderungen für das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung gelten.“

Die Analyse der aktuellen Ereignisse und rechtsextremistischen Fälle durch die Untersuchungskommission hat zum Ergebnis, dass sich das KSK zumindest in Teilbereichen über die letzten Jahre „verselbständigt“ haben soll, „abgeleitet aus einem ungesunden Eliteverständnis einzelner Führungskräfte“. Dadurch seien „Bereiche im KSK entstanden, in denen sich „toxic leadership", extremistische Tendenzen und ein laxer Umgang mit Material und Munition entwickelten, die in keiner Weise mit den geltenden Vorschriften der Bundeswehr im Einklang stehen. Die Dienstaufsicht aller Ebenen oberhalb der Kompanie hat in diesen Segmenten über einen längeren Zeitraum eine bedenkliche Entwicklung nicht erkannt oder unterschätzt. Daraus folgt, dass das KSK nicht in seiner jetzigen Verfassung bestehen bleiben kann.“ Und: „Es kommt jetzt darauf an, zur Unterstützung der überwältigen Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten im KSK, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und hervorragende Leistungen erbringen, Rechtsextremisten und rechtsextremistisches Gedankengut schnell und mit aller Konsequenz aus der Truppe zu entfernen und die Ermöglichung oder Begünstigung von Rechtsextremismus hart zu unterbinden. Gleichzeitig ist es nötig, die Fähigkeiten der Bundeswehr zur Durchführung von Spezialoperationen zu erhalten und ihre Einsatzbereitschaft sicherzustellen.“ Faktische Belege für dieses Analyseergebnis werden leider nicht aufgeführt!

Die Kommission hat insgesamt 60 Maßnahmen vorgeschlagen, die zur Problemlösung beitragen sollen, ohne dass bei der Mehrzahl ein kausaler Zusammenhang mit den Vorkommnissen/ Fehlentwicklungen zu erkennen ist.

Hier die wichtigsten:

Die 2. Kompanie Kommandokräfte des KSK wird aufgelöst. Als Begründung nannte das Ministerium eine Abschiedsfeier im April 2017, bei der es unter anderem zur Verwendung rechtsextremistischer Symbole gekommen sein soll. Dadurch soll auch falsch verstandener Korpsgeist beendet werden.

Übungstätigkeit und internationale Kooperationen des KSK bis auf Weiteres eingestellt. Laufende Einsatzverpflichtungen sollen von anderen Einheiten übernommen werden, soweit das möglich ist.

Der Ausbildungsbereich des KSK wird ins Heer eingegliedert und truppendienstlich der Infanterieschule des Heeres in Hammelburg, fachlich dem Ausbildungskommando des Heeres unterstellt.

Sowohl bei Kommando- als auch bei Unterstützungskräften des KSK werden neue Funktionen für stellvertretende Bataillonskommandeure und Führungsfeldwebel geschaffen.

Schlüsselpositionen wie Kommandooffiziere und -feldwebel sowie querschnittlich eingesetztes Personal sollen künftig nur zeitlich begrenzt im KSK Dienst tun. Innerhalb der Kommandokräfte soll eine Rotation in den Kompanien eingeführt werden.

Vorverwendungen außerhalb des KSK werden künftig für Kommandosoldaten zwingend Voraussetzung; Führungskräfte sollen verbindlich außerhalb des Kommandos in Ausbildung und Führung eingesetzt gewesen sein.

Der Kommandeur der Division Schnelle Kräfte, Generalmajor Andreas Hannemann, soll wegen der offensichtlichen Handhabungsprobleme mit Munition und Sprengstoff in einer Generalinventur die Vollzähligkeit von Munition, Sprengstoff, Gerät und Ausrüstung beim KSK erfassen. Künftig werde zur Erfassung von Munition und Sprengstoff ein digitales System eingeführt: Eine falsch zu verstehende „Ausnahmestellung“ des KSK soll es zukünftig nicht geben.

Die Sicherheitsüberprüfungen werden erweitert und verschärft.

Zum Stichtag 31. Oktober 2020 wird die Bundesministerin eine Bewertung der Umsetzung und der eingetretenen Veränderungen vornehmen und wenn nötig über weitergehende Maßnahmen und Anpassungen entscheiden.

Gregor Mayntz schreibt im Generalanzeiger unter der Ãœberschrift „Eine rechte Elitetruppe“: „Die Verteidigungsministerin nimmt den Waffenfund auf dem Grundstück eines KSK-Soldaten zum Anlass für einen Generalangriff auf die bisherige Organisation der Spezialkräfte.“ Und Holger Möhle kommentiert im Generalanzeiger: „KSK. Eine verschworene Einheit, ein geschlossenes System. Eine Truppe in der Truppe, leider auch mit einer besonderen – jedenfalls in Teilen – rechtsextremen Gesinnung. … Der KSK-Stall wird ausgemistet.“ Und „Kramp-Karrenbauer und ihr Generalinspekteur Zorn wollen das KSK aus der Braunzone holen.“

Ein „Generalangriff“ auf die Organisation eines ganzen Verbandes ist nur bei einem – vorgeblich gerade nicht beabsichtigten - „Generalverdacht“ gerechtfertigt. Das KSK ist kein „geschlossenes System“, denn es ist ein Verband des Heeres und der Division Schnelle Kräfte truppendienstlich sowie dem Befehlshaber Einsatzführungskommando für bestimmte Aufgabenbereiche und die Führung von Spezialkräfteoperationen unterstellt. Ein verschworenes Eigenleben und eine Abschottung sind nur dann möglich, wenn die Dienstaufsicht der Division Schnelle Kräfte und die des Inspekteurs des Heeres unzureichend sind. Und die in Teilen rechtsradikale Entwicklung von Kommandosoldaten hätte möglicherweise schon unterbunden werden können, wenn die Dienstaufsichtsverpflichteten - vom Kommandeur Kommandokräfte, über den Kommandeur KSK sowie über den Kommandeur Schnelle Kräfte und den Inspekteur des Heeres bis zur damaligen Verteidigungsministerin von der Leyen – die in Teilen rechtsextreme Abschiedsfeier der 2. Kommandokompanie als Alarmsignal verstanden und geeignete Maßnahmen ergriffen hätten. Die auf das KSK bezogene Feststellung im Untersuchungsbericht: „Die Dienstaufsicht aller Ebenen oberhalb der Kompanie im KSK hat in diesen Segmenten über einen längeren Zeitraum eine bedenkliche Entwicklung nicht erkannt oder unterschätzt.“ greift also erheblich zu kurz! Und da der Bericht dankenswerterweise auch feststellt: dass die „überwältige Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten im KSK, fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht und hervorragende Leistungen erbringt“ darf es auch keinen Generalverdacht und keine pauschalen Maßnahmen geben.

Die insgesamt 60 Maßnahmen werden hoffentlich zu einem guten Erfolg bei der Bekämpfung von rechtsradikalen Tendenzen in kleinen Teilbereichen des KSK führen,  sie werden aber ein im Bericht formuliertes Ziel: „Gleichzeitig ist es nötig, die Fähigkeiten der Bundeswehr zur Durchführung von Spezialoperationen zu erhalten und ihre Einsatzbereitschaft sicherzustellen.“ verfehlen.

Wenn die Übungstätigkeit und internationale Kooperationen des KSK bis auf Weiteres eingestellt werden, dann wird die Einsatzbereitschaft stark beeinträchtigt und der internationale Ruf des KSK noch weiter beschädigt. Die laufenden Einsatzverpflichtungen können von anderen Einheiten der Bundeswehr aufgrund des fehlenden personellen und materiellen Leistungsprofils nicht übernommen werden.

Wenn der Ausbildungsbereich des KSK in das deutsche Heer eingegliedert (war er doch schon immer) und truppendienstlich der Infanterieschule des Heeres in Hammelburg, fachlich dem Ausbildungskommando des Heeres unterstellt wird, dann verlieren der Kommandeur Kommandokräfte und der Kommandeur KSK wesentliche, untrennbar mit ihrer Führungsverantwortung verbundene, Aufgaben und Kompetenzen. Der Kommandeur KSK kann nicht für die Einsatzbereitschaft seiner Soldaten verantwortlich sein, ohne die dafür erforderliche Ausbildung mitzuverantworten. Bei der Infanterieschule und beim Ausbildungskommando des Heeres wäre außerdem über lange Zeit die erforderliche Ausbildungskompetenz für das Schultern dieser Verantwortung nicht vorhanden. Die Zusammenarbeit mit anderen nationalen Spezialkräften im Bereich der Ausbildung wird dadurch voraussichtlich erheblich beeinträchtigt bzw. zum Erliegen kommen.

 Die geplante – an George Orwell erinnernde  - Fülle der Kontroll- und Ãœberwachungsmaßnahmen wird außerdem zu einem bürokratischen Aufwand führen, der Ausdruck fehlenden Vertrauens ist und nicht nur die Moral der betroffenen Soldaten beeinträchtigen wird, sondern auch ihre Leistungsfähigkeit aufgrund fehlender Ausbildungszeit.

Für mich gilt weiterhin, dass die Soldaten des Kommando Spezialkräfte sorgfältig ausgewählt und intensiv ausgebildet sind, um schwierige Aufträge von sicherheitspolitischer Bedeutung für Deutschland erfolgreich erfüllen zu können. Das kann nur gelingen auf der Grundlage kameradschaftlichen Zusammenhaltes, gegenseitigen Vertrauens und professioneller Zusammenarbeit. Daraus erwächst ein besonderer Charakter dieses militärischen Hochleistungsverbandes, an den hohe Ansprüche zu stellen sind. Diese Soldaten sind mir in meiner Zeit als Kommandeur des KSK ans Herz gewachsen. Für mich haben Rechtsradikale oder Extremisten jeder Couleur in diesem Verband auch keinen Platz.

Vor einem „Generalangriff“ und einem Bürokratie-Tsunami hätte ich mir gewünscht, dass man die schon ergriffenen Maßnahmen - beim Militärischen Abschirmdienst werden derzeit rund 20 konkrete Extremismus-Verdachtsfälle mit Bezug zum KSK bearbeitet – durch eine gemeinsame Anstrengung der zuständigen Vorgesetzten im KSK verstärkt und intensiviert, unterstützt durch helfende Dienstaufsicht der vorgesetzten Division und des Kommando Heer.

Die überwiegend große Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten des KSK hat nicht nur die Unterstützung durch die vorgesetzten Dienststellen und Kommandobehörden, sondern auch die Wertschätzung ihrer hausragenden Leistungen durch die militärische Führung und politische Leitung sowie die deutsche Bevölkerung verdient!

(02.07.2020)

 

 

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