Hans-Heinrich Dieter

Wünsche für 2015   (31.12.2014)

 

Anfang 2013 habe ich eine Zehn-Punkte-Wunschliste für das damalige neue Jahr formuliert. Bei diesen Wünschen ging es im Kern um Vertrauen der Bürger in die Politiker und Volksvertreter, es ging um Glaubwürdigkeit und um die erkennbare Handlungsfähigkeit der Politik zum Wohl der Bürger, ohne die unsere Demokratie nicht funktioniert. Die kritische Durchsicht der Wunschliste zeigt, dass diese Liste für 2013 mit einigen Korrekturen und wenigen neuen Aspekten Bestand hat, denn die deutsche Politik hat die berechtigten Wünsche 2013 erneut nur zu kleinen Teilen, bruchstückhaft oder überhaupt nicht erfüllt. 2014 wollte ich der Großen Koalition erst ein wenig Zeit geben, sich auszuwirken. Im Sinne der Wunscherfüllung wurde die Zeit bisher allerdings nicht genutzt.

Die Wunschliste eines engagierten Bürgers ist deswegen auch für das Jahr 2015 wieder sehr lang, weil die Unzufriedenheit mit der Politik und den Politikern überall verstärkt zu spüren und förmlich zu greifen ist. Also sind Wunsch-Prioritäten zu bilden und Schwerpunkte zu setzen:

1. Die Politiker und Volksvertreter sollten die Bürger, abseits vermeintlicher „politischer Korrektheit“ und ohne ständiges Schielen auf Umfragewerte und die nächsten Wahlen, wahrheitsgemäß informieren, politische Probleme und Bürgerbelastungen verständlich und plausibel erklären, Problemlösungsmöglichkeiten nachvollziehbar aufzeigen und die Bürger, wann immer sinnvoll und möglich, in die politischen Prozesse einbinden, um das für unsere Demokratie so wichtige Vertrauen zu gewinnen. Das gilt aktuell besonders für Zuwanderungs- sowie Asyl- und Flüchtlingsproblemstellungen.

2. Die Bürger sollten auch 2015 zu einem Jahr bürgerlichen Engagements machen – ohne sich als „Wutbürger“ zu gerieren - sich entsprechend politisch weiterbilden, sich gründlich über politische Sachverhalte informieren, sich dort einbringen, wo es geboten ist, Wahlprogramme studieren und vergleichen sowie ihr Wahlrecht als Bürgerpflicht begreifen und die oft beschämend geringe Wahlbeteiligung überwinden. Wenn Bürgerengagement zu Bürgerprotest wird, dann sollten die Staatsbürger gewaltsamen Protest verhindern und sich Chaoten und Extremisten mutig entgegenstellen.

3. Bildung muss nicht in politischen Ankündigungen und mit ideologischen Absichten sondern real und konkret so verbessert werden, dass mehr Jugendliche gute Schulabschlüsse machen, besser für Berufsausbildung qualifiziert werden und die Studierfähigkeit gesteigert wird. Dazu sollten die ständigen, ideologiebehafteten Schulversuche auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen beendet und föderale Bildungshindernisse beseitigt werden. Ziel muss es sein, nicht gleichermaßen mittelmäßig auszubilden, sondern individuell zu fördern, also den Schwächeren gezielt helfen und die Stärkeren zu besonderen Leistungen hinführen. Wir brauchen auch in Zukunft Eliten, deswegen sollten wir sie mutig fördern. Beim Zustand unseres Bildungswesens wird das viel Zeit brauchen.

4. Deutschland, als wirtschaftsstarke europäische Mittelmacht, sollte sich als Nation für unsere Nachbarn in Europa und für unsere Partner in der Welt berechenbarer und verlässlicher einbringen. Dazu sollten nationale politische Ziele und vitale Interessen unter starker Berücksichtigung unserer Mitgliedschaft in der europäischen Union, in der Eurozone und in der NATO definiert und festgeschrieben werden. Unsere Verpflichtungen gegenüber der EU in der anhaltenden europäischen Krise und unsere Mitgliedschaft im NATO-Bündnis fordern angesichts derzeitiger sicherheitspolitischer und wirtschaftspolitischer Herausforderungen geradezu eine nachlesbare, eindeutige, werteorientierte und verpflichtende politische Positionierung Deutschlands. Es sollte zukünftig keine Auslandseinsätze der Bundeswehr ohne definierte politische Ziele und Strategien geben und das Parlamentsbeteiligungsgesetz sollte den Bündniserfordernissen angepasst werden.

5. Deutschland sollte weiterhin mutig für einen Frieden im Nahen Osten auf der Grundlage einer Zweistaatenlösung mit einem sicheren Israel sowie einem unabhängigen und lebensfähigen Palästinenserstaat eintreten. Das erfordert auch die Bereitschaft zu aufrichtiger Kritik an israelischem Regierungshandeln, wenn es eine Zweistaatenlösung konterkariert. Deutschland sollte in dem Zusammenhang die Politik der EU unterstützen, eine deutsche "Sonderpolitik" ist gegenüber den überwiegend rechtsradikalen israelischen Regierungsverantwortlichen nicht mehr angebracht. Sicher wäre es auch hilfreich, wenn der Zentralrat der Juden in Deutschland sich auf dieser Grundlage des Themas kritikfreudiger annehmen würde. An der Bekämpfung des IS-Terrorismus sollte sich Deutschland weiterhin beteiligen und sich gegebenenfalls noch stärker engagieren.

6. Die Integration unserer deutschen Bürger mit Migrationshintergrund sollte mit großem Engagement partnerschaftlich im Sinne von eindeutigen Integrationsforderungen, individuellen Integrationshilfen und auch erkennbaren Integrationsanstrengungen der Migranten – insbesondere beim Erlernen der deutschen Sprache - real voran gebracht werden. Missstände sind dabei konsequent zu beseitigen, um sozialen Sprengstoff zu entschärfen. In dem Zusammenhang wünscht man sich auch, dass Vertreter muslimischer Verbände in Deutschland sich öffentlich distanzieren von Intoleranz und Gewalt muslimischer Fundamentalisten und Extremisten. Die muslimischen Mitbürger sollten zum Ausdruck bringen, dass sie mit demokratischem Selbstverständnis und westlichem Werteverständnis in dem Land "angekommen" sind, wo sie schon lange mit uns zusammenund möglichst nicht parallel zu uns leben. Und auch in diesem Zusammenhang muss unsere Exekutive rechtsextremistischen Umtrieben, Gewalttaten und Fremdenhass mit allen Mitteln entgegengetreten.

7. Deutschland sollte mit einer noch stärker vernetzten Afghanistanpolitik das militärische Engagement wie geplant 2016 beenden und dann im Einklang mit der internationalen Gemeinschaft die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans weiter fördern. Dabei muss Entwicklungshilfe und wirtschaftliche/finanzielle Unterstützung aber an Auflagen gebunden werden, um Afghanistan bei der Bekämpfung der Korruption zu unterstützen und dem „löcherigen Fass“ einen Boden einzuziehen. Dazu wünscht man sich intensive Diskussionen über außen-, sicherheits-, wirtschafts- und entwicklungspolitische Ziele und Erfordernisse weit über eine oberflächliche Zahlen- und Zeitpunkt-Diskussion hinaus.

8. Die Neuausrichtung der Bundeswehr sollte grundsätzlich wie geplant zu Ende geführt werden. Aufgrund der inzwischen instabilen Sicherheitsarchitektur in Europa und zunehmender Bedrohung durch islamistischen Terror sollten unsere politischen Interessen und Ziele überdacht, diskutiert und dann in zukunftstauglichen sicherheitspolitischen Dokumenten festgeschrieben werden. Die Unterfinanzierung unserer Streitkräfte muss überwunden werden, damit die Bundeswehr den Anforderungen der nächsten 10/20 Jahre solide gerecht werden kann.

9. Die öffentlich-rechtlichen Medien sollten ihrem Bildungsauftrag wieder besser gerecht werden, schließlich erhalten sie von jedem Haushalt Gebühren. Dazu sollte der zunehmenden Boulevardisierung und der Anbiederung an den Geschmack der Konsumenten privater Sender und an Druckerzeugnisse für bildungsferne Bürger Einhalt geboten werden. Dazu ist auch die Verwendung der Gebühren stärker zu kontrollieren.

10. Alle Anstrengungen müssen dem Abbau von Staatsschulden – national und im EU-Rahmen - bei gleichzeitigem Erhalt und der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie der ständigen Qualifizierung von Beschäftigten für gestiegene berufliche Anforderungen in unserer global orientierten Wirtschaft gelten, um den Wohlstand der Bürger möglichst zu halten, die Zahl der vom sozialen Transfer abhängigen Bürger zu verringern, den sozialen Frieden zu stabilisieren und die zukünftigen Belastungen für die nachwachsende Generation erträglich zu gestalten.

Das Jahr 2015 wird politisch noch schwieriger werden als 2014, denn die inzwischen instabile Sicherheitsarchitektur Europas fordert große werteorientierte politische Anstrengungen auch von Deutschland, die nicht zum wirtschaftlichen Nulltarif zu realisieren sind. Die Instabilität im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt wird nur durch eine gemeinsame, konsequent werteorientierte Europäische Union zu überwinden sein, die eine erneuerte Partnerschaft mit Russland sucht - aber nicht zu jedem Preis. Die höchst instabile Lage durch Religions- und Bürgerkriege im Nahen und Mittleren Osten werden die Flüchtlingsbewegungen nach Europa verstärken, die Eurokrise und die kritische wirtschaftliche Lage Griechenlands und anderer EU-Mitgliedstaaten wird uns alle weiterhin stark belasten und das bei einem zu geringen deutschen Wirtschaftswachstum und sehr hohem Investitionsbedarf in unsere Infrastruktur. Schließlich macht sich im Zusammenhang mit der zunehmenden Zahl von Einwanderern, Asylsuchenden und Flüchtlingen Unmut über eine wenig erfolgreiche Integrationspolitik, über eine in der EU nicht abgestimmte Einwanderungs- und Asylpolitik, über unzureichende Vorkehrungen und ungenügende Information angesichts zunehmender Zahlen von Hilfesuchenden auch in der bürgerlichen Mitte breit. Um sozialen Zündstoff zu entschärfen und sich verstärkendem rechtradikalem Gedankengut wirksam entgegenzustellen, brauchen wir mutige, zupackende und glaubwürdig handelnde Politiker. Die Chance, Vertrauen zurückzugewinnen, darf nicht zerredet und vergeben werden.

(31.12.2014)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Kommentare