Hans-Heinrich Dieter

Wiedereinführung der Wehrpflicht   (05.08.2018)

 

Am 01.07.2011 wurde in Deutschland die Allgemeine Wehrpflicht nach 55 Jahren ausgesetzt. Damit wurde die Bundeswehr zu Freiwilligen-Streitkräften. Nun wurde durch die CDU eine Diskussion zur Wiederbelebung der Wehrpflicht angestoßen, hauptsächlich wohl getrieben durch den gravierenden Personalmangel bei der Bundeswehr.

Die Diskussion verläuft bisher wenig konkret und kontrovers. Die CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer will über eine allgemeine Dienstpflicht auf dem CDU-Parteitag Ende des Jahres reden und das Diskussionsergebnis dann in das neue Grundsatzprogramm der CDU aufnehmen. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Bartels, und der CDU-Verteidigungsexperte Otte stehen der Idee skeptisch gegenüber, während der CDU-Bundestagsabgeordnete Sensburg für die Einführung einer Wehrpflicht für Frauen und Männer plädiert. Der Obmann der SPD im Verteidigungsausschuss, Felgentreu, steht der Idee positiv gegenüber, während die Junge Union sich für ein „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“ für alle Schulabgänger in Deutschland ausspricht. Diese sollen dann selbst entscheiden, ob sie dieses in der Bundeswehr oder in einer sozialen Einrichtung absolvieren wollen. Es ist sicher richtig und wichtig, dass über dieses gesellschaftspolitisch sehr wichtige Thema diskutiert wird. Das Ziel muss aber sein, dass eine sinnvolle und nachhaltige Lösung gefunden wird, die die akuten Personalprobleme der Bundeswehr überwinden hilft.

Die Wehrpflicht wurde - wie so vieles in der damaligen Politik - überhastet ausgesetzt, ohne dass die Rahmenbedingungen für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr eindeutig geregelt waren. Über das Aussetzen der Wehrpflicht wurde unzureichend informiert und die Konditionen für den freiwilligen Dienst wurden mangelhaft kommuniziert, auch weil es noch kein stimmiges Konzept gab und Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung noch nicht entschieden oder noch nicht wirksam waren. Das Aussetzen der Wehrpflicht wurde quasi im Schnelldurchgang mitten in die Planungen für die Neuausrichtung der Bundeswehr hinein realisiert und so zu einer zusätzlichen Belastung, anstatt eine Übergangszeit im Einklang mit der Einnahme einer neuen Struktur zu verfügen. Fehler über Fehler!

Die Wehrpflicht wurde in Deutschland aber auch sehr lange halbherzig und nicht hinreichend gerecht gehandhabt. Auch deswegen wurde im Zusammenhang mit der veränderten sicherheitspolitischen Lage nach der Vereinigung und mit den damals stark reduzierten Mobilmachungserfordernissen immer häufiger und mit Recht die Sinnfrage gestellt. Die Schwarz-Gelbe Bundesregierung hatte zudem den Grundwehrdienst in Richtung Sinnlosigkeit verkürzt und ad absurdum geführt. Man verlangte von den jungen Staatsbürgern einen militärisch unsinnigen und sicherheitspolitisch nicht zu begründenden, zu kurzen Wehrdienst. Diese schweren Fehler in der politischen Handhabung der überhasteten Maßnahme  haben sich sehr negativ auf die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr ausgewirkt, denn die Streitkräfte haben in der Folge nicht genug und vor allem auch nicht die qualitativ richtigen Freiwilligen verpflichten können. Und die Verankerung der Bundeswehr in die Gesellschaft wurde auch brüchig. Ob eine wiederbelebte Wehrpflicht diese Probleme lösen wird, darf bezweifelt werden.

Denn in unserer Gesellschaft ist das Interesse an der Bundeswehr sehr wenig ausgeprägt und, wenn es gut geht, durch "freundliches Desinteresse" gekennzeichnet. In Deutschland darf man Soldaten ungestraft „potentielle Mörder“ nennen. Die Berichterstattung in den meisten Medien konzentriert sich auf Negativaspekte, auf Skandale und Fehlleistungen von Soldaten. Die derzeitige politische Leitung hat das Vertrauen der Soldaten verspielt. Die Bundeswehr wird auf regionaler und kommunaler Ebene eher als Wirtschaftsfaktor wahrgenommen, denn als Organisation, in der es eine Ehre ist, zu dienen. Die Teilnahme der Soldaten der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan wird durch die Mehrheit der Bevölkerung negativ beurteilt, mehrheitliche Solidarität ist von dieser Gesellschaft für Soldaten derzeit nicht zu erwarten. Die Haltung der Gesellschaft der Bundeswehr gegenüber ist indifferent. Die Bundeswehr genießt in der Gesellschaft nicht die Anerkennung, die sie verdient. Ein Wiederbeleben der Wehrpflicht wird die sicherheitspolitisch ungebildete und desinteressierte deutsche Gesellschaft nicht ändern!

Die einzig sinnvolle Maßnahme wäre deswegen die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für alle Frauen und Männer, die in der Bundeswehr oder in sozialen und gemeinschaftsdienlichen Einrichtungen geleistet werden muss. Diese Dienstpflicht darf ein Jahr nicht unterschreiten, muss gerecht organisiert und von der Gesellschaft akzeptiert werden. Ob die derzeit verantwortlichen Politiker in der Lage sein werden, die erforderliche öffentliche Diskussion sachorientiert zu führen, intensiv zu informieren und bürgernah zu kommunizieren, um die erforderliche nachhaltige gesellschaftliche Solidarität zu erzeugen, muss sich zeigen.

(05.08.2018)

 

 

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