Hans-Heinrich Dieter

 

Wenig professionell (19.08.2011)

 

Seit der Energiewende und der europäischen Schulden-Krise kämpft Bundestagspräsident Norbert Lammert – endlich – gegen den wachsenden Bedeutungsverlust des Bundestages in unserer parlamentarischen Demokratie. In allen Fraktionen des Deutschen Bundestages wird inzwischen Unzufriedenheit über die Selbstherrlichkeit der Bundesregierung im Umgang mit der Volksvertretung artikuliert, einige Abgeordnete sprechen gar von der Missachtung des Parlamentes durch die Regierung. Nun sind die ersten Klagen beim Bundesverfassungsgericht anhängig, durch die die Notwendigkeit einer stärkeren Beteiligung des Bundestages zum Beispiel bei der Bewältigung der Euro-Krise geklärt werden soll. Und auch in der Sicherheitspolitik gibt es Anlass zur Klage über die Berücksichtigung der Parlamentsrechte zum Beispiel im Zusammenhang mit der  erfolgreichen Evakuierungsoperation NAFURA, auch bekannt als Operation Pegasus, und jüngst anlässlich der Beteiligung von elf deutschen Luftwaffensoldaten an der Operationsplanung eines NATO-Stabes für den Libyenkrieg.

Die Bundeswehr evakuierte Ende Februar 2011 im Auftrag der Bundesregierung mit zwei Transall-Maschinen viele Deutsche aus Libyen. Der Bundesminister des Auswärtigen selbst hat die Fraktionsvorsitzenden des Deutschen Bundestages vor dem Einsatz ausdrücklich gemäß § 5 Abs. 2 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes informiert. Das bedeutet, dass die Operation zeitkritisch ist und die Zustimmung des Deutschen Bundestages nachträglich eingeholt werden soll. Der Einsatz eines Evakuierungsverbandes von knapp 1.000 Soldatinnen und Soldaten erforderte denn auch schnelle Entscheidungen in ungeklärter, möglicherweise kritischer Lage, um Gefahr für Leib und Leben deutscher und ausländischer Staatsbürgerinnen und -bürger abzuwenden. Die Fallschirmjäger und Feldjäger, die die Transall-Maschinen nach NAFURA in Libyen begleiteten, waren darauf eingestellt, dass der Einsatz die Anwendung von Waffengewalt erfordern könnte und entsprechend bewaffnet und ausgerüstet. Demnach handelte es sich um einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte ganz  im sehr konkreten Sinne des § 2 Abs. 1 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes. Der Bundesregierung muss das bei Auftragserteilung klar gewesen sein. Deswegen ist es unverständlich, warum die Bundesregierung jetzt die Auffassung vertritt, bei der Evakuierungsmission habe es sich um einen humanitären Einsatz gehandelt, der kein Mandat des Bundestages erfordere. Und wenn der Bundesaußenminister nun sagt, der Einsatz sei mit der klaren Erwartung verbunden gewesen, dass die Soldaten nicht gezwungen würden, ihre Waffen einzusetzen, dann hätte die Bundesregierung eindeutig anordnen müssen, dass es sich um eine unbewaffnete Hilfsmission handelt und das THW beauftragen sollen. Die Bundesregierung macht sich leider erneut unglaubwürdig und die Klage der Partei Die Grünen beim Verfassungsgericht wegen unzureichender Parlamentsbeteiligung erscheint berechtigt.

Nun kommt die Bundesregierung erneut in Erklärungszwänge, denn der unvermeidliche Grünen-Abgeordnete  Ströbele sieht den Einsatz von elf Bundeswehrsoldaten in Nato-Stäben in Italien im Rahmen der Zielplanung als aktive Beteiligung am Luftkrieg über Libyen an. Weil dazu kein Mandat des Bundestags vorliegt, sei der Einsatz „verfassungsrechtlich sehr bedenklich“, sagte Ströbele der F.A.Z. Nun ist die Mitarbeit in ständig integrierten Stäben nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz nicht als Einsatz bewaffneter Streitkräfte zu sehen. Wenn aber die Stäbe eigens für einen bestimmten Einsatz gebildet werden, dann ist eine Beteiligung deutscher Soldaten ggf. als indirekte Beteiligung am Krieg zu werten. Auch wenn Verteidigungsminister de Maizière die Auffassung von Ströbele für rechtsirrig und verständlicherweise die Mitarbeit von deutschen Soldaten in Nato-Einsatzstäben sowie die Bereitstellung von notwendiger Infrastruktur für den Einsatz für „selbstverständlich“ hält, wird darüber noch sehr heftig gestritten werden, wo doch so viel Dringenderes zu bewältigen wäre.

Da stellt sich die Frage, warum die Bundesregierung im Falle der Operation NAFURA, bzw. Pegasus nicht gemäß § 5 Abs. 2 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes nachträglich das Mandat für eine geglückte Evakuierungsoperation, gegen die sicher noch nicht einmal die Grünen grundsätzlich etwas einzuwenden haben, einholt und lieber mit fadenscheinigen Ausflüchten unglaubwürdig bleibt und darüber hinaus noch eine Ohrfeige durch das Verfassungsgericht riskiert. Für die an der erfolgreichen Operation beteiligten Soldaten ist es sicher höchst unbefriedigend, in einen Einsatz geschickt zu werden, der dann später zum „Nichteinsatz“ erklärt wird. Da geht viel Vertrauen in die politische Führung verloren. Die Soldaten erwarten verantwortungsbewusste politische Führung, eindeutige Aufträge unter klaren rechtlichen Rahmenbedingungen im Einklang mit unserem demokratischen System und Politiker, die zu ihrer Verantwortung stehen.

Und es ist unverständlich, warum die Bundesregierung auch in der Sicherheitspolitik immer wieder offene Flanken schafft, in die die Opposition hinein angreift, und so die Auftragserfüllung der Bundeswehr erschwert. Wenn eine rechtliche Lage im Hinblick auf den Einsatz von Soldaten zweifelhaft ist, warum wird dann nicht auf der Grundlage des Parlamentsbeteiligungsgesetzes der Deutsche Bundestag grundsätzlich einbezogen?

Im Zweifel immer mit der Zustimmung des Bundestages!  Alles andere ist weniger professionell, denn gerade der parlamentarische Konsens ist wichtig für erfolgreiche Sicherheitspolitik. Der energische Einsatz des Bundestagspräsidenten für unsere Demokratie trägt nach der Sommerpause hoffentlich Früchte.

(19.08.2011)

 

 

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