Hans-Heinrich Dieter

Weltweites deutsches Engagement   (27.12.2013)

 

Kurz vor Weihnachten hat sich der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, sicher noch beeindruckt von seinen Erfahrungen während einer Dienstreise zu deutschen Soldaten der UN-Mission "UNMISS" im Südsudan, für ein stärkeres deutsches Engagement in Afrika ausgesprochen: „Wir müssen uns mit Afrika beschäftigen, weil die Entwicklungen in diesen Ländern auch unsere Interessen betreffen können“. Dabei sieht er das Gewicht des militärischen Engagements Deutschlands in Afrika hauptsächlich in "präventiven" Ausbildungsmissionen.

Der sehr einsatzerfahrene Generalleutnant liegt mit seiner Lagebeurteilung sicher nicht falsch, aber solche Feststellungen werden einigen Politikern wohl nicht gefallen, weil es Sache des Primats der Politik ist, perspektivische sicherheitspolitische Aussagen zu machen. Diesem politischen Vorrecht müssten die Volksvertreter und Mandatsträger aber auch gerecht werden.

Über die Befähigung zu weltweitem deutschem Engagement hat Verteidigungsminister a. D. de Maizière im Zusammenhang mit Deutschlands gewachsener Bedeutung mehrfach gesprochen. Die Befähigung der Bundeswehr zu dem dazu erforderlichen weltweiten militärischen Engagement ist allerdings in mehrfacher Hinsicht - Lufttransport, Aufklärungskapazität, Luftunterstützung, Luftrettung - nur unzureichend gegeben. Deswegen sieht General Fritz ja wohl auch den Schwerpunkt bei Ausbildungsmissionen mit Schutzkomponente und gesicherter sanitätsdienstlicher Versorgung. Die Forderungen an Deutschland seitens der USA, der NATO und der EU werden aber sicher darüber hinausgehen.

Deswegen reicht es nicht, dass Politiker über solche deutschen militärischen Fähigkeiten reden, sondern Deutschland muss wissen, was es zukünftig in Europa und der Welt sicherheitspolitisch leisten will und die Bundeswehr dafür befähigen. Da wir uns aber nicht überall engagieren können, müssen Interessen definiert, Ziele formuliert, Schwerpunkte festgesetzt und die dafür erforderliche Kooperation mit Partnern vereinbart werden.

Deutschland hat sich im Norden Afghanistans stark engagiert und besondere Verantwortung übernommen. Wir haben uns auf dem Balkan, zuletzt mit Schwerpunkt im Kosovo, besonders eingesetzt. Deutschland schützt mit Flugabwehrraketen die Türkei, führt zur Zeit die Seeoperation UNIFIL vor dem Libanon und beteiligt sich an der Ausbildungsmission EUTM in Mali, um nur einige der insgesamt 14 militärischen Auslandseinsätze zu nennen. Für diese Einsätze gibt es keine definierten nationalen Ziele und Strategien. Jetzt hat beim letzten EU-Gipfel die Bundeskanzlerin - sehr berechtigt - eine Beteiligung an der Finanzierung des französischen Militäreinsatzes in der zentralafrikanischen Republik abgelehnt, weil Deutschland in die Entscheidungsfindung nicht eingebunden und vorab auch nicht konsultiert worden war. Diesbezüglich hat aber in Deutschland - wie häufig - auch keine Diskussion stattgefunden.

Deswegen fehlt es Deutschland auch nicht nur an militärischen Fähigkeiten für weltweite Einsätze, sondern es fehlt auch an Vorstellungen, definierten Interessen, Zielen und Kriterien für ein militärisches Engagement in der Welt. Wenn Frankreich sich im Rahmen von "Francafrique" engagiert, dann auf der Grundlage von diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und seinen ehemaligen, frankophonen afrikanischen Kolonien und unter Nutzung der Netzwerke französischen Einflusses, um französische wirtschaftliche sowie sicherheitspolitische Interessen zu wahren und zu pflegen. Wenn Deutschland sich militärisch engagiert, dann meistens aus Solidarität oder um dabei zu sein. Diese sehr zurückhaltende, unsouveräne Nicht-Außen-Politik war zu Zeiten des Kalten Krieges noch hinnehmbar, heute ist deutsche Außen-und Sicherheitspolitik ohne klare Ziele und Konzepte unzureichend.

Verteidigungsministerin von der Leyen will nach eigenem Bekunden auch versuchen, das freundliche Desinteresse der Bevölkerung an der Bundeswehr, wie Ex-Bundespräsident Horst Köhler es nannte, zu überwinden, sowie Gesellschaft und Armee zusammenzubringen. Dazu wird eine intensive sicherheitspolitische Diskussion und öffentliche Debatte gehören, nach welchen Kriterien Deutschland sich zukünftig  militärisch in der Welt engagieren will. Die Grundlagenarbeit für eine solche Diskussion müssen Außenminister, Verteidigungsministerin und der Entwicklungsminister erst noch leisten. Im Koalitionsvertrag wurde diesbezüglich noch kaum nennenswerte Vorarbeit geleistet.

(27.12.2013)

 

 

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