Hans-Heinrich Dieter

Verlass auf die NATO   (21.06.2015)

 

Der Oberbefehlshaber der NATO für Mittel- und Nordosteuropa, General Hans-Lothar Domröse, macht in einem Interview mit der WELT im Hinblick auf die ost- und südosteuropäischen Staaten deutlich, dass es die NATO ernst meint mit ihren Bündnisverpflichtungen und der Bereitschaft, für unsere Werte einzustehen: "Wir werden in einer ersten Welle in sechs osteuropäischen und baltischen Staaten permanente Stäbe aufbauen, jeweils 40 Mann stark mit Offizieren aus bis zu 20 Nationen. Diese vorgelagerten Stäbe sorgen im Ernstfall dafür, dass Verstärkungskräfte, wie die neue Schnelle Eingreiftruppe der Nato, reibungslos ins Land kommen können. In einer zweiten Welle wird die Nato vermutlich in weiteren Ländern, wie Ungarn, der Slowakei und Griechenland, weitere Stäbe einrichten, um Abschreckung und Verteidigungsbereitschaft zu beweisen. Diese drei Staaten haben starkes Interesse signalisiert. Das Konzept ist offenbar sehr attraktiv."

Und er macht zusätzlich zur geplanten Vorausstationierung von US-Material den Vorschlag, eine "Ausrüstungsoffensive" für die baltischen Staaten und die Ostalliierten zu starten. "Wir sollten unsere Verbündeten mit modernen und schlagkräftigen Waffen ausstatten, wie Hubschraubern, Haubitzen, Schützenpanzern, Flugabwehrraketensystemen und schwerem Pioniergerät, und sie anschließend daran ausbilden. Dann können diese Staaten auf eine Bedrohung aus Russland schnell reagieren und sich selbst verteidigen. Die NATO steht natürlich immer bereit. Es ist aber für jedes Land oberste Priorität, sich erst einmal selbst schützen zu können." Domröse weist außerdem mit Blick auf die laufende Übungsreihe "Allied Shield" darauf hin, dass die NATO heute schon Verteidigungsbereitschaft deutlich macht: Im Jahr 2016 werden wir eine ähnliche multinationale Übung zusammen mit "Anaconda" in Polen und mehreren kleineren Nato-Manövern verzahnen. Wir werden demonstrieren, wie wir Polen und das Baltikum schützen können, dabei soll auch die neue Schnelle Eingreiftruppe der Nato zum Einsatz kommen."

Die NATO reagiert konsequent auf die zunehmende Aggressivität Russlands unter Putin, das ist wichtig für das Bündnis und unsere osteuropäischen Partner.

Angesichts der wachsenden Spannungen mit Russland werden die NATO-Verteidigungsminister in der kommenden Woche in Brüssel erstmals seit Jahren auch über die Nuklear-Strategie Russlands diskutieren. Dabei wird es um eine aktuelle Analyse der russischen Nuklearfähigkeiten gehen und die NATO wird daraus Konsequenzen ziehen. Möglicherweise wird das westliche Verteidigungsbündnis eine neue Abschreckungsstrategie entwickeln müssen, die neben konventionellen auch nukleare Fähigkeiten einschließt. Auf der Tagesordnung stehen auch Bemühungen, die neue Eingreiftruppe der Nato noch schneller zu machen, damit diese "Speerspitze" auch wie geplant binnen 48 Stunden am Einsatzort sein kann. Um dieses Ziel zu erreichen sollen auch die Entscheidungsabläufe im NATO-Rat so beschleunigt werden, dass über einen Kriseneinsatz innerhalb eines Tages entschieden werden kann. Dazu wird die Stärke der NATO Response Force auf 30.000 Soldaten verdoppelt und detaillierte Eventualfallpläne für NATO-Einsätze in Osteuropa und im Baltikum erarbeitet.

Die NATO orientiert sich konsequent an der politischen Realität und findet zur Professionalität der Zeiten vor den Friedensdividenden-Träumen zurück. Die NATO-Mitglieder müssen diese konsequente Politik unterstützen und die jahrelange Unterfinanzierung ihrer Streitkräfte beenden. Vielleicht entspricht Deutschland ja in den nächsten fünf Jahren endlich dem vereinbarten Ziel, jährlich 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für seine Verteidigungsanstrengungen aufzubringen. Unsere Sicherheit und Freiheit wie auch unserer Verbündeten sollte uns das wert sein. Die Bewältigung der Russland-NATO-Krise durch Deutschland und seine Verbündeten wird in den nächsten Jahren dafür entscheidend sein, ob die Verteidigungsbereitschaft der NATO glaubwürdig ist und dadurch Aggressoren abschreckt und zur Erhaltung des Friedens in Europa und der Welt effektiv beiträgt.

(21.06.2015)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte