Hans-Heinrich Dieter

Verkommen   (02.10.2013)

 

Satire, Kabarett oder auch Comedy haben sehr viel mit Freiheit zu tun. Die KleinkĂŒnstler sollten freie Geister sein, die - frei nach Schiller - der mangelbehafteten Wirklichkeit ein Ideal gesellschaftskritisch, komisch, kĂŒnstlerisch-Ă€sthetisch und immer geistreich gegenĂŒberstellen. Meister des Kabaretts wie Dieter Hildebrandt entsprechen solchen Vorstellungen und es ist ein Genuss, solche geistigen Florett-Fechter zu erleben.

Solche Meister des Kabaretts gibt es heute leider nur noch sehr vereinzelt. Heute wird in aller Regel Comedy fĂŒrs Boulevard angeboten. Die Sprache verzotet mehr und mehr, die Scherze zielen immer mehr - dem vermeintlichen Publikumsgeschmack folgend - unter die GĂŒrtellinie und die Themen der Gesellschaftskritik der letzten Zeit sind mehr oder weniger beschrĂ€nkt auf Merkel-bashing und HĂ€me/Hass-Kampagnen gegen die Freien Demokraten. Das geistige Florett beherrscht kaum noch ein Comedian. Heute wird eher mit dem SĂ€bel draufgehauen oder gar mit dem Schlachtermesser zugestochen. Satire, Kabarett und Comedy sind leider zu oft ziemlich schwer ertrĂ€glicher Unterhaltung verkommen. Statt QualitĂ€t wird QuantitĂ€t angeboten. Und hier meine ich Sendungen im öffentlich rechtlichen Fernsehen, das Angebot der kommerziellen Sender muss nicht diskutiert werden.

Am 01.10.2013 fand - Gott sei Dank - die letzte Sendung "Neues aus der Anstalt " mit Urban Priol statt. Priol hat ein bewegtes und auch erfolgreiches Kleinkunstleben hinter sich, aber man verbraucht sich halt im stĂ€ndigen, hocherregten Geifern gegen Kanzlerin Merkel, seinem nahezu einzigen Thema. Schon 2011 schrieb ein Publizist in der SĂŒddeutschen Zeitung, Priol mache „Kabarett auf dem kleinsten intellektuellen Nenner“. Seine „von sprachlicher Verlotterung geprĂ€gte VulgĂ€rsatire“ richte sich „an ein entfesseltes SpießbĂŒrgertum, das alle Politiker an den Galgen wĂŒnscht“, besser kann man es nicht ausdrĂŒcken.

Die heute-show mit Oliver Welke hat immerhin im letzten Jahr den Grimme-Preis gewonnen. "Wirklich Neues aus der Anstalt. Lustiges, Listiges, LĂ€rmendes vom Lerchenberg – das war tatsĂ€chlich eine Überraschung des vergangenen Fernsehjahres." So beginnt die BegrĂŒndung der Jury. Und die Sendung war gut, scheute auch nicht vor Kritik am eigenen Sender zurĂŒck und hat mit Oliver Welke einen hochtalentierten Chef. Aber auch diese Sendung verkommt durch einseitige HĂ€me, durch vulgĂ€re Sprache, zotige Witze und hĂ€ufiges Abgleiten ins FĂ€kale, auch durch Welke. Die Grimme-Jury meint außerdem, die heute-show "beschleunigt weit in den roten Bereich, ohne es sich im wohnlichen Satiresessel bequem zu machen." und wĂŒrdigt "die programmatische Entscheidung, die „heute-show“ inzwischen wöchentlich auszustrahlen." Aber gerade da liegt eines der Probleme. Es fehlt offenbar die Zeit zum Denken und der satirische Inhalt verkommt zu mehr und mehr platter Unterhaltung im "roten Bereich". QuantitĂ€t fĂŒr Quote geht offensichtlich vor QualitĂ€t. Schade eigentlich, aber dem gut eingestellten und prĂ€parierten Publikum gefĂ€llt es, dabei zu sein und es klatscht frenetisch, auch wenn es selbst verhöhnt wird.

Der Kolumnist Fleischhauer vom Spiegel schreibt sehr lesenswert zum Thema FDP-Hass vom "Mob links der Mitte". Der eine und andere Comedian ist in seiner Ausdrucksweise in Form und Inhalt nahe dran. Eine bedauernswerte Entwicklung!

(02.10.2013)

 

 

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