Hans-Heinrich Dieter

US-Afghanistan-Strategie   (23.08.2017)

 

Die USA haben erkannt, dass ein schneller Rückzug aus Afghanistan angesichts der seit Ende 2014 deutlich verschlechterten Sicherheitslage mit ebenso vorhersehbaren wie inakzeptablen Risiken verbunden sei würde.  Die radikal-islamischen Taliban würden das entstehende Machtvakuum mit hoher Wahrscheinlichkeit nutzen, um die Macht an sich zu reißen - mit schlimmen Folgen auch für die westliche Welt.

US-Präsident Trump hat deswegen eine neue US-Strategie für Afghanistan verkündet, die so neu nicht ist, aber die westliche Welt - EU und NATO -zunächst beruhigt, denn es stand ja zu befürchten, dass Trump sein Wahlkampfversprechen, den Afghanistaneinsatz zu beenden, in die Tat umsetzen würde.

Die US-Strategie sieht einen forcierten militärischen Einsatz der Vereinigten Staaten in Afghanistan mit dem Ziel vor, die Terroristen unschädlich zu machen. Dazu soll das US-Truppenkontingent aufgestockt werden. Zahlen, Zeiträume, Daten und Fakten werden nicht genannt, um für die Taliban und den IS nicht berechenbar zu werden.

Wichtig ist, dass Trump die Nachbarstaaten Pakistan und Indien in seine strategischen Überlegungen einbezieht und zunächst von Pakistan fordert, gegen die Taliban in den pakistanischen Rückzugsräumen vorzugehen.

Trump kündigte außerdem an, dass er an den bisherigen Bemühungen um Nation-Building, also um einen Aufbau der Zivilgesellschaft, nicht festhalten will, weil das bisher erfolglos war und dafür sinnlos viel Geld ausgegeben worden sei. Sein wesentliches Ziel im Trump-Sprech: Terroristen zu töten!

Die NATO, die EU und Vertreter der Regierungskoalition haben die Entscheidung der amerikanischen Regierung begrüßt. Deutschland hat gleichzeitig aber deutlich gemacht, dass derzeit an eine Vergrößerung des deutschen Einsatzkontingentes nicht gedacht wird, und zusammen mit der NATO will man ganz offensichtlich an einer reinen Ausbildungsmission für afghanische Sicherheitskräfte ohne Kampfauftrag festhalten.

Das bedeutet, dass die USA in Zukunft durch massive Bekämpfung der Terroristen weitgehend alleine für die Stabilisierung Afghanistans sorgen - und damit die Voraussetzungen für den weiteren Aufbau der Zivilgesellschaft schaffen -  während die anderen westlichen und NATO-Staaten die erfolglose Mission „Resolute Support“ fortsetzen, die die ständige Destabilisierung Afghanistans nicht verhindert und das Nation-Building nicht gefördert hat. Das werden die USA auf Dauer so nicht hinnehmen wollen.

Vordringlich wichtig ist, dass die Stabilisierung Afghanistans gelingt, denn ohne deutliche Verbesserung der Sicherheitslage und ohne die Stabilisierung des politischen Systems wird der nachhaltige Aufbau der Zivilgesellschaft nicht gelingen. Und diesen Aufbau muss die afghanische Bevölkerung selbst leisten. Dazu muss die Korruption nachhaltig bekämpft werden und die Gesellschaft so reformiert werden, wie die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung es will. Eine Westminster-Demokratie will die muslimische afghanische Bevölkerung offensichtlich nicht! Die westliche Welt muss die eigenständigen afghanischen Bemühungen um das zukünftige System unterstützen, wo das gewünscht ist und erforderlich erscheint. Alle Versuche, die Afghanen nach unserer Façon selig werden zu lassen, sind zum Scheitern verurteilt - und so ist der amerikanische Ansatz auch zu verstehen.

Die Stabilisierung Afghanistans kann nur gelingen, wenn die Terroristen so weitgehend unschädlich gemacht werden, dass sie die Zivilbevölkerung auch in Teilbereichen nicht mehr beherrschen oder bedrohen können. Das ist nur durch massiven Militäreinsatz zu erreichen. Und die Stabilisierung Afghanistans ist nur zu gewährleisten, wenn der Nachbar und US-Verbündete Pakistan die aktive Destabilisierung des US-Verbündeten Afghanistan, durch Beherbergung und aktive Unterstützung der Taliban beendet und den Kampf gegen die Terroristen mit Unterstützung der USA selbst aufnimmt.

Die USA sind dabei, nach professioneller Beurteilung der Lage Afghanistans professionelle Maßnahmen mit Aussicht auf Erfolg zu ergreifen, während die übrige westliche Welt offenbar mit möglichst geringem Aufwand ihre halbherzigen und erfolglosen Tätigkeiten fortsetzen will.

Es bleibt abzuwarten, was tatsächlich von den strategischen Ankündigungen der USA mit welchen Erfolgen realisiert wird. Wenn die anderen NATO-Staaten allerdings in ihrer Erfolglosigkeit verharren, wird das negative Auswirkungen auf das Verhältnis der USA zur NATO haben.

(23.08.2017)

 

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http://www.hansheinrichdieter.de/html/afghanistannach2017.html

 

 

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