Hans-Heinrich Dieter

Unzureichender Wehretat   (06.07.2018)

 

Nach den Haushaltsberatungen hat der Bundestag gestern den 51. Finanzplan der Bundesregierung (2018-2021) beschlossen. Der Verteidigungshaushalt für das Jahr 2018 sieht Ausgaben in Höhe von 38,9 Milliarden Euro für die Bundeswehr vor. Das entspricht in etwa dem vom Verteidigungsministerium errechneten Finanzbedarf für 2018. Allerdings sind das nur 1,24 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und das entspricht nicht den Zusagen, die Kanzlerin Merkel 2014 in Wales, zusammen mit Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen, der NATO gemacht hat. Denn diese Vereinbarung aller NATO-Mitglieder sieht vor, die Verteidigungsinvestitionen bis 2024 in Richtung zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) allmählich zu steigern. Der Verteidigungshaushalt 2018 ist leicht angewachsen, eine zielorientierte Steigerung gemessen am BIP ist nicht zu erkennen. Deutschland verliert in der NATO weiter an Vertrauen, denn es steht – für alle erkennbar – nicht zu seinen Zusagen.

Heute hat das Bundeskabinett die Eckwerte für den Haushalt des Jahres 2019 beschlossen. Der Verteidigungsetat soll um knapp vier Milliarden auf 42,9 Milliarden Euro ansteigen. Damit liegt dieser Eckwert unter dem errechneten Finanzbedarf der Bundeswehr von 43,7 Mrd für 2019, entspricht 1,31 % BIP. Damit ist eine zielorientierte Steigerung in Richtung 2 Prozent BIP erneut nicht erkennbar. Beim NATO-Gipfel in Brüssel in der kommenden Woche wird Kanzlerin Merkel sehr unangenehme Fragen beantworten müssen. Um dem etwas vorzubeugen hat die Bundesregierung der NATO offiziell mitgeteilt, dass Deutschland im Jahr 2024 Verteidigungsinvestitionen in Höhe von 1,5 Prozent BIP leisten will. Da darf man gespannt sein, wie die NATO und vor allem die USA auf diese eigenwillige deutsche Abänderung der gemeinsamen NATO-Verpflichtungen reagieren.

Vor dem Bundestag zeigte sich Ministerin von der Leyen zufrieden mit dem Haushaltsentwurf: „Die Bundeswehr braucht diese Investitionen, und insofern ist es gut, dass wir noch mal einen deutlichen Aufwuchs der Mittel für das Jahr 2019 haben.“ Dabei gibt es für die zur Schau gestellte Zufriedenheit der Ministerin keine hinreichenden Gründe. Auch vor dem Bundestag bekennt sie sich zum 2 Prozent-Ziel der NATO und beruhigt dann die Parlamentarier mit dem Hinweis, dass man die Investitionen bis 2024 ja nur auf 1,5 Prozent BIP zu steigern beabsichtigt. Gleichzeitig kennt von der Leyen natürlich die Eckwerteplanung für den 52. Finanzplan der Bundesregierung (2019-2022), der weder eine hinreichende Steigerung in Richtung NATO-Ziel aufzeigt, noch das Erreichen des deutschen Ziels 1,5 Prozent BIP in 2024 ermöglichen wird. Denn nach dem vergleichsweise deutlichen Aufwuchs in 2019 flacht die Kurve den neuen Eckwerten des Finanzministeriums entsprechend wieder erkennbar ab: Für Verteidigung sind für 2020 Ausgaben von 42,9 Milliarden Euro vorgesehen, für 2021 43,8 Milliarden Euro und für 2022 43,8 Milliarden Euro. Damit kommen die Verteidigungsinvestitionen bei erwartbar steigendem BIP nicht über 1,3 Prozent. Deutschland wird also auch mittel- und langfristig seine NATO-Verpflichtungen nicht erfüllen und weiter an Vertrauen verlieren.

Darüber hinaus wird auch der Bedarf der Bundeswehr bei weitem nicht gedeckt. Der errechnete Mindestfinanzbedarf der Bundeswehr – nicht für Aufrüstung, wie die linke und grüne Opposition unterstellen – sondern für die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte für die Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der NATO und der EU liegt 2020 bei 46,25 (42,9), 2021 bei 48,65 (43,8) und 2022 bei 52,0 (43,8) Milliarden Euro (in Klammern die Eckwerte des Finanzministers). Daraus ergibt sich insgesamt ein Fehlbetrag von rund 17 Milliarden Euro. Mit dieser Finanzplanung ist also der gewaltige Modernisierungsbedarf der durch jahrelange Unterfinanzierung zum „Sanierungsfall“ kaputtgesparten deutschen Streitkräfte nicht zu decken. Die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr wird sich über unvertretbar lange Zeiträume hinziehen und Deutschland wird über Jahre seine Verpflichtungen gegenüber der NATO und der EU nur höchst unzureichend erfüllen können. Die Soldaten und zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr werden das Vertrauen in die politische Leitung aber auch in unsere parlamentarische Demokratie noch nachhaltiger verlieren, denn die Parlamentarier haben die jahrelange Unterfinanzierung der Parlamentsarmee Bundeswehr ja jahrelang mitgetragen und letztendlich haushaltshoheitlich entschieden.

Und die trotz ihrer eklatanten Misserfolge zufrieden lächelnde von der Leyen können Bürger mit gesundem, sicherheitspolitischem Verstand ohnehin nicht mehr so richtig ernst nehmen und politisch achten. Der deutsche Wehretat ist und bleibt unzureichend und offenbart das Desinteresse großer Teile der deutschen Bevölkerung und ihrer gewählten Volksvertreter an einer verantwortungsbewussten Sicherheitsvorsorge für Deutschland, die NATO und die EU!

(06.07.2018)

 

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