Hans-Heinrich Dieter

Unfreundliches Desinteresse

 

Der ehemalige Bundespräsident hat den Deutschen "freundliches Desinteresse" an der Bundeswehr bescheinigt. Bei der ersten Lesung und Debatte des Verteidigungshaushaltes am Mittwoch im Deutschen Bundestag wurde eher ein unfreundliches Desinteresse der deutschen Volksvertreter deutlich.

Immerhin ging es um den zweitgrößten Etat im Bundeshaushalt 2013 und es ging um die Zukunft der Bürger, die in der Bundeswehr für Deutschland dienen. Die Regierungsbank war zeitweilig nur mit dem Bundesminister der Verteidigung besetzt - flankiert von seinen beiden parlamentarischen Staatssekretären als Lückenfüller - und das "Plenum" war so leer wie selten. Ich habe nicht einmal alle mir bekannten Mitglieder des Verteidigungsausschusses gesehen. Dabei wäre viel zu diskutieren gewesen und der Bundestag hätte die Chance genutzt, bei den anwesenden - auch militärischen - Zuschauern einen besseren Eindruck zu machen und vielleicht sogar etwas von dem vielen verlorenen Vertrauen zurückzugewinnen.

Der Minister hat in der bekannt trockenen und unterkühlten Art geschäftsmäßig zum Haushalt 2013 vorgetragen und sich zunächst erfreut gezeigt, dass die Bundeswehr für 2013 etwas mehr Geld zur Verfügung hat. Er hat aber gleichzeitig deutlich gemacht, dass die Masse des Geldes für Personalkosten und strukturbedingte Infrastrukturkosten aufgewandt werden wird. Er hat auch gesagt, dass die Bundeswehr die notwendige Ausrüstung und Bewaffnung für Einsätze haben müsse, er hat aber verschwiegen, dass der investive Anteil am Bundeswehrhaushalt zu gering ist, um die Bundeswehr nach modernen Standards ausgerüstet, einsatzbereit und zukunftsfähig zu halten. Diese Unterfinanzierung im investiven Bereich wiegt umso schwerer, weil die Bundeswehr an milliardenschwere und ungünstig verhandelte Rüstungsverträge gebunden ist, die nur schwer und mit Verlusten zu korrigieren sind. Deswegen ist es erstaunlich, dass der Minister in diesem Zusammenhang kein Wort zur Korrektur der sehr stark veralteten Rüstungsplanung verloren hat. Es wäre gut gewesen, wenn die Hauptgegner zukunftsorientierter Investitionen, der Finanzminister und die Arbeitsministerin anwesend gewesen wären, um dieses Problem zielgerichtet zu thematisieren. Der SPD-Obmann Arnold hat dankenswerterweise das Thema der Unterfinanzierung auf der Grundlage seiner Zettelwirtschaft angesprochen, aber keine Resonanz gefunden.

Und natürlich musste der Minister auf die Ergebnisse der Erhebung des Bundeswehrverbandes eingehen, der zur Folge neun von zehn befragten Führungskräften in den Streitkräften die Neuausrichtung der Bundeswehr für unzureichend halten und die Struktur als nicht tragfähig bewerten. Der Minister sagt dann „pflichtgemäß“, dass er dieses Stimmungsbild ernst nimmt und die Kommunikation in die Bundeswehr verbessern will. Dann meint er aber sagen zu müssen, dass das erschütternde Ergebnis der Studie an sich ganz normal sei, denn die Umsetzung der Strukturmaßnahmen habe ja gerade erst begonnen. Der Minister scheint von der Urteilsfähigkeit der mündigen Staatsbürger in Uniform in Führungsfunktionen nicht viel zu halten, wenn er glaubt, ihre Einschätzungen auf reine Strukturmaßnahmen und Standortveränderungen reduzieren zu können. Die Soldaten warten auch nicht nur ab was da auf sie zukommt, sondern sie bewerten die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche, nachhaltige und zukunftsfähige Neuausrichtung der Bundeswehr.

Und da beginnt die Umsetzung der Neuausrichtung nicht erst, sondern da ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Die Soldaten wissen sehr gut zu beurteilen, dass das für die Neuausrichtung erlassene Reformbegleitgesetz nicht geeignet ist, das alles entscheidende Ziel, einen ausgewogenen, leistungsfähigen und richtig altersstrukturierten Personalkörper für die zukünftige Bundeswehr zu erreichen, da von 6.200 Berufssoldaten nur höchstens 50% abgebaut werden können. Damit kann der Umfang des Personalstrukturmodells 185 nicht gewährleitet werden. Deswegen ist das Urteil der Führungskräfte auch nicht vorschnell sondern gut begründet. Und auch da wäre es gut gewesen, wenn die Hauptverursacher der Deckelung im Personalabbau, Schäuble und von der Leyen und mit ihnen mehr Abgeordnete aus dem Haushalts- und Finanzausschuss der Debatte beigewohnt und sich eingebracht hätten. Aber eher unfreundliches Desinteresse hat diese Volksvertreter offenbar abgehalten.

Da war es schon beinahe ein wenig erheiternd, als SPD-Arnold vor dem fast leeren „Plenum“ zur baldigen Korrekturbedürftigkeit der Neuausrichtung vortrug und meinte, dass solche Korrekturen nicht von einer schwarz-gelben Koalition vorgenommen werden könnten, da müsse die SPD – und vielleicht Arnold – ran. Da passte es dann, dass der FDP-Abgeordnete Koppelin daran erinnert hat, dass die Reform des SPD-Ministers Scharping in vielerlei Hinsicht nicht nur gescheitert ist, sondern sogar heute noch hohe Kosten zum Nachteil der Bundeswehr verursacht, wo große Einsparungen versprochen wurden.

Um eine Reform engagiert mitzutragen und die damit verbundenen Veränderungen für die Familien zu verkraften, müssen die Soldaten – insbesondere in Führungsfunktion – zeitgerecht und relativ genau wissen, wohin die Reise geht. Junge Bürger, die ihre Zukunft in der Bundeswehr suchen, müssen attraktive Rahmenbedingungen vorfinden und dafür müssen die strukturbegleitenden Gesetze und deren Kommunikation stimmen. Das soll jetzt verbessert werden. Mit dem jetzt vorliegenden Strukturbegleitgesetz wird der erforderliche Personalabbau wohl scheitern. Und da sollte der Minister nicht beschönigen oder drum herum reden. Er sollte mutig das Interesse der Volksvertreter dafür wecken, dass die Bundeswehr eine gute Zukunft hat.

Minister de Maizière hat für seine Amtszeit vier Ziele formuliert. Ziel 3: Bei der Reform sei es ihm wichtig, dass sich die Bundeswehr als eine Einheit begreife. Ziel 4: Er will erreichen, „dass unser Land weiterhin stolz auf unsere Bundeswehr ist“. Wenn er nicht alles dafür tut, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Neuausrichtung der Bundeswehr verbessert werden, wird er solche Ziele nicht erreichen und scheitern.

(14.09.2012)

 

 

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