Hans-Heinrich Dieter

Strategischer Kompass der EU   (23.03.2022)

 

Zu Beginn der Woche trafen sich die EU-Außen- und Verteidigungsminister in Brüssel. Es ging natürlich um die Russland-Krise und den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Man beschloss ein zweites Paket Waffenlieferungen, erneut im Umfang von 500 Millionen Euro. Deutschland soll rund 26 Prozent der Waffenlieferungen bezahlen. Einen Sonderwunsch Litauens nach einem baldigen kompletten Importverbot für russisches Öl sowie einer Forcierung des Aufnahmeprozesses der Ukraine in die EU lehnte eine große Mehrheit der Mitglieder ab.

Die Verteidigungsminister brachten andere Schwerpunkte ins Spiel. Ihnen ging es um die rund 5000 Soldaten starke Eingreiftruppe als Teil der neuen Sicherheitsstrategie der EU. Die EU will mit dieser Sicherheitsstrategie mittelfristig ihre Militärpolitik besser koordinieren, innerhalb der NATO, aber durchaus auch unabhängig vom größten NATO-Mitglied, den USA. Dieses Thema wird vom hochstaplerischen Illusionisten Macron schon seit November 2020 mit Verve gepuscht und von anderen EU-Illusionisten gestützt.

Dabei macht die Russland-Krise doch sehr deutlich, wer welche Kompetenzen in die Abschreckung der Kriegsverbrecher, in die Krisenbewältigung und möglichst auch in eine Deeskalation einbringen kann. In Zeiten eines nuklearen Gleichgewichtes zwischen den Kriegsverbrechern und den westlichen Demokratien kann strategische Abschreckung nur durch die USA geleistet werden – Frankreich wird von Putin auch hinsichtlich seiner minimalen nuklearen Fähigkeiten nicht ernst genommen. Die nukleare Abschreckung durch die USA kann auf „operativer“ Ebene nur durch die NATO geleistet werden, indem sie NATO-Truppen in gefährdeten Mitgliedstaaten verstärkt stationiert, Verteidigungssysteme in Stellung bringt und die See- und Luftstreitkräfte einsatzbereit verfügbar macht. Das alles muss gegenüber einem möglichen Aggressor in solcher Stärke realisiert werden, dass er der NATO glaubt, wenn sie klar zum Ausdruck bringt, dass bei einem Angriff auf einen Mitgliedstaat alle 30 NATO-Mitglieder angegriffen sind und jeden Meter verteidigen werden. Die EU kann nur durch politische Maßnahmen zur Krisenbewältigung und ggf. zur Deeskalation beitragen – wird aber von Russland noch nicht einmal als Verhandlungspartner ernst genommen.

In der Ukraine-Krise zeigt sich die EU geschlossen wie noch nie und erscheint deswegen handlungsfähig wie selten zuvor. Und seit dem russischen Angriff auf die Ukraine gibt es in Brüssel eine klare Arbeitsteilung. Die NATO kümmert sich zusammen mit den USA um die Abschreckung und um die Freiheit sowie Sicherheit ihrer Bündnismitglieder – Bündnisverteidigung ist also derzeit ausschließliche Aufgabe der NATO - während auch die EU der Ukraine Waffen liefert und Russland mit Sanktionen unter Druck setzt sowie humanitäre Hilfe für Vertriebene organisiert – mehr geht auch nicht, weil die militärische Kompetenz der EU auf kleinere Kriseneinsätze im UN-Auftrag beschränkt ist.

Diese Zuständigkeiten sind über die Jahre gewachsen und erweisen sich in der Russlandkrise bisher als erfolgreich, obwohl auch deutlich wird, dass die westliche Welt in Teilen – hauptsächlich in Deutschland – nur eingeschränkt wehrfähig ist und Defizite behoben werden müssen. Kurz, derzeit gibt es keine bessere Organisation für die Bündnisverteidigung der westlichen Welt als die NATO!

Das sollten wir alle einfach dankbar zur Kenntnis nehmen, alle unsere NATO-Verpflichtungen baldmöglichst erfüllen, die NATO-Streitkräfte modernisieren sowie kompatibler und zukunftsfähig machen und darüber hinaus neue Herausforderungen wie Cyber-Abwehr und Kontrolle des Weltraums annehmen. Das erfordert zukünftig hohe Kraftanstrengungen der westlichen Welt. Wir brauchen keine Doppelstrukturen und wir müssen uns mit Vernunft den politischen Realitäten stellen. Und wir sollten Macron und andere stoppen, wenn sie versuchen, aus dem bewährten System auszubrechen.

Strategische Sicherheit können auf lange Zeit nur die USA mit ihrem Nuklearen Schutzschirm für Europa gewährleisten. Die Bündnisverteidigung der westlichen Demokratien wird auf lange Zeit nur durch eine Einsatzfähigkeit der Streitkräfte aller 30 Mitgliedstaaten geleistet werden können, dazu müssen alle Kraftanstrengungen gebündelt werden. Da die Lage der Europäischen Union nüchtern, sachlich begründet und realitätspolitisch orientiert leider als desolat  bezeichnet werden muss, sollten alle Anstrengungen einer grundlegenden Reform der EU zur Erlangung einer konkreten außenpolitischen Handlungsfähigkeit gelten. Ãœber einen Strategischen Kompass der EU kann sehr viel später nachgedacht werden, wenn die EU außenpolitisch wirklich handlungsfähig geworden ist.

Deswegen sollte die EU versuchen, Garantien für den nuklearen Schutzschirm der USA festzuschreiben – die Zusagen der weiteren nuklearen Teilhabe Deutschlands kann da eine kleine Hilfe sein. 21 EU-Mitglieder sind auch NATO-Staaten. Deswegen sollte es zu einer engen, möglichst vertraglich abgesicherten EU-NATO-Kooperation kommen, die in zukünftigen Krisen eine gute Zusammenarbeit am Beispiel der Russland-Krise garantiert.

Eine zusätzliche EU-Eingreiftruppe wird in unserer globalisierten Welt nur militärisch wirksam sein können, wenn eine solche Truppe im strategisch-operativen Rahmen eingesetzt wird. Wir haben schon die Very High Readiness Joint Task Force der NATO. Für deren hohe Qualität und Einsatzfähigkeit müssen wir uns engagieren, nicht für kostspielige Doppelstrukturen!

(23.03.2022)

 

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