Hans-Heinrich Dieter

Stimmungsdemokratie (28.03.2011)

 

Der Souverän, bei uns vulgo: das Volk, hat in Baden Württemberg sowie Rheinland Pfalz gewählt und das ist ernst zu nehmen. Die Konsequenzen sind gemeinsam zu tragen und auch ernst zu nehmen.

Doch wie ernsthaft und an der landespolitischen Sache orientiert haben die Bürger eigentlich gewählt und wie ernst sind sie dabei zu nehmen? Der Fraktionsvorsitzende der SPD Steinmeier hat nach den Hochrechnungen gesagt: Vor zwei Wochen war die Lage noch ganz anders! Da hat er Recht. Was hat sich für das Wohl der Bürger in Baden Württemberg und Rheinland Pfalz in den letzten zwei Wochen geändert? Wo oder wodurch haben sich die Grundlagen der Landespolitik verändert?

In Japan haben wir eine Katastrophe unglaublichen Ausmaßes erlebt. Die Lage ist unverändert ungeklärt, es ist viel zu früh für eine ernsthafte Analyse zum Thema friedliche Nutzung der Kernkraft als Brückentechnologie in Deutschland. Nach der geradezu an Agitation grenzenden Berichterstattung vieler deutscher Medien hat es schon vor zwei Wochen einen Super-GAU gegeben und die Kernschmelze war geradezu schon mehrfach "real", zur Zeit spricht man eher von einem havarierten Kernkraftwerk, in dem mutige und unerschrockene Japaner versuchen, die Lage zu stabilisieren. In  Japan herrscht kontrollierte Furcht vor den Auswirkungen der Katastrophe unmittelbar vor der Haustür, in Deutschland dominiert irrationale Angst  vor irrealen Unwägbarkeiten wegen einer unvergleichlichen Katastrophe sehr weit entfernt. Diese irrationale deutsche Angst wurde und wird von politisch Interessierten sehr planvoll genutzt.

Und unsere Politiker haben deswegen eine geradezu irrationale Angst vor irrational wählenden Bürgern und handeln irrational hektisch, gegen bisher politisch vertretene Überzeugungen, und deswegen höchst unglaubwürdig.

Wenn die CDU nach noch nicht möglicher Analyse der Vorgänge in Japan und ohne entsprechende stichhaltige Ergebnisse in der ökonomisch und ökologisch richtigen Politik der Verlängerung der Laufzeiten der vergleichsweise sicheren deutschen Atomkraftwerke, ohne Berücksichtigung der Lage bei unseren europäischen Nachbarn, eine geradezu peinliche Kehrtwende macht, dann muss sie sich nicht wundern, dass sich das Bildungsbürgertum von ihr angewidert abwendet. Wenn sich Teile der gebildeten Bürger, bei denen die Angst die Bildung zeitweilig überlagert, wie in Baden Württemberg entschließen, eine Anti-Atom-Kraft-Bewegung zur zweitstärksten politischen Kraft zu machen, dann deswegen, weil sie beim Thema AKW – wenn es schon Schwerpunkt sein soll - lieber das Original und nicht die Wendehälse wählen. Nach ersten Berechnungen sind sehr viele dieser Wähler in BW von der CDU zu den Grünen gewandert. Prinzipienlose Politik zahlt sich auf Dauer nicht aus. Und der Koalitionspartner FDP wird, nicht ohne Grund, massiv mit abgestraft.

Unsere Freiheitlich Demokratische Grundordnung ist in höchstem Maße schützenswert. Wenn unsere Demokratie allerdings zu einer angstorientierten, prinzipienlosen und eher beliebigen Stimmungsdemokratie verkommt, dann sollten wir uns wirklich Sorgen machen.

(28.03.2011)

 

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