Hans-Heinrich Dieter

Soldaten als Schiffsbegleiter (14.08.2011)

 

Der bei der Polizeigewerkschaft für die Bundespolizei zuständige Josef Scheuring sagt hinsichtlich des individuellen Schutzes von deutschen Handelsschiffen etwas nassforsch: „Natürlich können die Schiffe unter deutscher Flagge durch entsprechende Begleitung wirksam vor Piraten geschützt werden, wenn der Bundespolizei dazu das erforderliche Personal zur Verfügung gestellt wird.“

Und der GdP-Vorsitzende Bernhard Witthaut weiß sofort, wo das geeignete Personal verfügbar ist, bei der Bundeswehr. Er ist der Auffassung, dass bei der Neuausrichtung der Streitkräfte viel Personal frei wird, das die Bundespolizei kurzfristig in Größenordnung 500 übernehmen könnte. Zunächst sollen die ehemaligen Zeitsoldaten für die bewaffnete Schiffsbegleitung ausgebildet werden, dann Handelsschiffe zum Schutz gegen Piraterie aktiv begleiten, um danach zu Polizeibeamten ausgebildet zu werden. Der parlamentarische Verteidigungsstaatssekretär Thomas Kossendey hat den Vorschlag begrüßt und will ihn prüfen.

Auch wenn es grundsätzlich zu begrüßen ist, wenn andere Ressorts ehemaligen Zeitsoldaten Lohn und Broterwerb ermöglichen, ist der Vorschlag in vielerlei Hinsicht nicht zu Ende gedacht.

Verbrechensbekämpfung auf hoher See ist hinsichtlich deutscher Handelsschiffe Aufgabe der Bundespolizei. Die Bundespolizei ist aber für die Bekämpfung von mit modernen Kriegswaffen ausgerüsteten Piraten weder ausgebildet noch entsprechend bewaffnet. An Bord von Schiffen unter deutscher Flagge dürfen allerdings keine Kriegswaffen, wie vollautomatische Maschinengewehre, genutzt werden. Zunächst einmal muss also eine gesetzliche Grundlage für erfolgversprechende Abwehr von Piratenangriffen auf hoher See geschaffen werden.

Darüber hinaus meint Witthaut, die Soldaten seien ja vorhanden und ihre Stellen würden im Haushalt ohnehin finanziert. Wo sind die ehemaligen Zeitsoldaten „vorhanden“ und von welchem Haushalt genau spricht Witthaut ziemlich oberflächlich? Es ist sicher richtig, dass durch die Neuausrichtung der Bundeswehr Personal freigesetzt wird, aber junge, intelligente, entschlossene und tatkräftige Feldwebel und Unteroffiziere, die geeignet sind, als selbständiger Trupp Handelsschiffe zu begleiten und Piratenangriffe erfolgreich abzuwehren, sowie später als Bundespolizisten ausgebildet zu werden, braucht die Bundeswehr im Einsatz selbst. Durch die Neuausrichtung der Bundeswehr wird eher älteres Personal freigesetzt, das für die bewaffnete Schiffsbegleitung meist weniger geeignet erscheint.

Und selbst wenn geeignete ehemalige Zeitsoldaten für polizeiliche Ausbildung und Einsatz auf Handelsschiffen zur Verfügung stehen, fehlt bisher jegliche gesetzliche Grundlage wie ein Seesicherheitsgesetz und Richtlinien für die Gewaltanwendung und den Waffengebrauch gegen Piraten. Gestützt auf die jetzigen gesetzlichen Grundlagen machen sich die ehemaligen Soldaten und nun jungen „Seepolizisten“ eher lächerlich. Derzeit heuern denn auch viele Schiffseigner bewaffnetes Sicherheitspersonal an und versuchen, sich mit Stacheldraht an der Reling, mit Schallkanonen und mit Stinkbomben zu schützen oder sie haben als passiven Schutz Sicherheitsräume eingerichtet, in die sich die Besatzung zurückziehen kann, wenn das Schiff geentert wird. Hoheitlicher Schutz sollte deutlich darüber hinaus gehen und aktive, erfolgversprechende Bekämpfung von Piraten ermöglichen.

Die schon mal markig in die Mikrofone gesprochenen Vorschläge sind also bisher eher Dampfplauderei und wenn etwas daraus werden soll, dann braucht das sehr viel Zeit. Die Gefährdung durch Piraterie ist aber sehr akut und nimmt trotz „Atalanta“ auch im Golf von Aden zu. Der deutsche Reederverband spricht von 17.000 gefährdeten Passagen pro Jahr. Da stellt sich schon die Frage, ob Schutz der 1700 deutschen Schiffe gegen Piraterie durch bewaffnete Schiffsbegleitung als hoheitliche Aufgabe überhaupt geleistet werden kann.

Nicht nur das Verteidigungsministerium sollte prüfen, sondern das Innenministerium sollte durchdachte und realisierbare Vorschläge machen. Wirklich dringende Hausaufgaben im Hinblick auf den Schutz deutscher Handelsschiffe haben unsere Politiker zu machen.

(14.08.2011)

 

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