Hans-Heinrich Dieter

Schluss mit politischem Selbstbetrug   (09.01.2017)

 

„Deutschland ist von Freunden umgeben!“ Daran glaubte die Politik lange Jahre nach der deutschen Vereinigung und nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes. Man glaubte an eine „Friedensdividende“ und reduzierte über Jahre die Verteidigungsanstrengungen bis weit unter die gemeinsam vereinbarten Investitionsgrößenordnungen der NATO mit der Folge, dass die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr stark gelitten hat und die äußere Sicherheit Deutschlands nur unzureichend gewährleistet werden kann. Die aktuelle und aggressive Politik Russlands, die vor Völkerrechtsverletzungen nicht zurückschreckt und Nachbarn wie die Ukraine, Polen und die baltischen Staaten bedroht, hat realitätsorientierte Politiker in Deutschland aufgeweckt und aufgeschreckt. Die Korrektur dieser politischen Fehler wird bisher nur zaghaft angegangen - und wird teuer.

„Putin ist ein wichtiger Partner auch für die Gestaltung der Zukunft Europas“, glaubten die meisten Politiker und setzten auf „Wandel durch Handel“ und „Worte gegen Waffen“. Spätestens nach der Annexion der Krim und der hybriden Kriegsführung zur Destabilisierung der Ukraine durch Russland hätte man erkennen müssen, dass der von der Mehrheit des russischen Volkes unterstützte Präsident Putin für Europa und die USA überhaupt kein „Partner“ sein will, sondern sich selbst als Gegner der westlichen Welt begreift. Seit sechs Jahren blockiert die Veto-Macht Russland Resolutionen zur Beilegung des Syrienkonfliktes im Weltsicherheitsrat und macht dann in Syrien unter Vorspiegelung einer gemeinsamen Absicht zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gemeinsame Sache mit Assad zur ziemlich zynischen Durchsetzung eigener geopolitischer Ziele. Während Putin mit Einsatz massiver militärischer Mittel Fakten und Gesprächsmöglichkeiten schafft, fabulieren maßgebliche Politiker in Deutschland mantraartig davon, dass es keine militärische Lösung des Konflikts geben kann und nur die Diplomatie zum Ziel führt. Diese Illusionisten - allen voran unser insgesamt ziemlich erfolgloser Außenminister Steinmeier - können sich nicht vorstellen, dass in einer nur teilweise friedlichen Welt die Rahmenbedingungen für Diplomatie erst durch militärischen Einsatz geschaffen werden müssen. Der aggressive Realpolitiker Putin macht vor wie es geht und führt dabei die westliche Politik am Nasenring durch die Manege. Das Russland Putins muss deswegen so lange mit Sanktionen belegt werden, bis die Völkerrechtsbrüche revidiert sind und Russland zu erkennen gibt, dass es tatsächlich zu gemeinsamem politischem Handeln zur Erreichung gemeinsamer Ziele bereit ist. Das braucht politische Geduld und konsequentes Handeln sowie - angesichts des politisch unzurechnungsfähig wirkenden Trump - starke Anstrengungen zum Erhalt einer wirksamen Transatlantischen Partnerschaft. Und wenn Putin erst den deutschen Wahlkampf in 2017 mit Propaganda, Troll-Farmen, social bots und Cyber-Attacken beeinflussen sollte, wird der letzte Putinjünger hoffentlich aufwachen!

„Europa hat nur eine Zukunft mit einer starken Europäischen Union“, das wollen wir gerne glauben, weil es ja in unserer globalisierten Welt auch Sinn macht. Der politische Selbstbetrug ist in diesem Zusammenhang dadurch gegeben, dass die EU in ihrer derzeitigen Konstruktion und politischen Verfassung nicht stark und durchsetzungsfähig sein kann. Die EU als politische Wertegemeinschaft ist nur handlungsfähig, wenn die Mitgliedstaaten gemeinsam und solidarisch handeln wollen. Seit der Finanzkrise 2008 ist deutlich geworden, dass die Bereitschaft zu gemeinsamem Handeln nicht stark ausgeprägt ist. Darüber hinaus sind Mitglieder - wie Griechenland, Rumänien und Bulgarien - aufgenommen worden, die die Kriterien für eine Mitgliedschaft bis heute nicht erfüllen. Die Finanzkrise ist noch nicht bewältigt und die strukturschwachen aber gewichtigen Mitglieder wie Frankreich und Italien bedrohen den Bestand der EU. Die Flüchtlingskrise hat endgültig zutage gebracht, dass starker nationalistischer Egoismus nicht weniger Mitgliedstaaten gemeinsames solidarisches Handeln unmöglich macht, Regeln nicht angewandt und Vereinbarungen missachtet werden. Die EU ist derzeit nicht durchsetzungsfähig und deswegen auch nicht handlungsfähig. Die Flüchtlingskrise wird daher auch nicht durch die EU bewältigt, sondern ihre negativen Auswirkungen werden durch nationale Maßnahmen - teilweise gegen EU-Regeln - abgemildert. Die EU schafft es nicht, ihre Außengrenzen wirksam zu schützen, ihre multinationale Grenzschutzagentur FRONTEX kann nur sehr bedingt wirksam werden und wenn die EU-Staaten die Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber nur zum Teil umsetzen - 43 Prozent der Menschen ohne Bleiberecht werden nicht zurückgeführt - dann spricht das Bände. Die EU in diesem Zustand findet nicht die Kraft, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die sich von Europa weg zu einem islamischen, autokratischen Präsidial-Regime entwickelt, zu beenden und die Milliardenzahlungen für Strukturentwicklungen zu stoppen. Die EU fordert mit ihrer Unfähigkeit Problem zu lösen, die nationalistischen Tendenzen in einzelnen Mitgliedstaaten geradezu heraus und wird nur handlungsfähig und zukunftsorientiert sein können, wenn sie sich reformiert und auf die Mitgliedstaaten reduziert, die in einer tiefer integrierten EU mitwirken wollen und können. Weiterwursteln wie bisher wäre nicht nur Selbstbetrug sondern grob fahrlässiger Vorschub für das Scheitern oder den Zerfall der EU.

„Unsere freie, offene, demokratische Gesellschaft ist aus sich selbst heraus stark und stabil“ glaubten wir und hielten „Multikulti“ - selbst mit nicht integrierten oder teilweise nicht integrierbaren muslimischen Migranten - für eine Bereicherung und den Islam - tumb, geschichts- sowie kulturvergessen und grob fahrlässig - für einen Teil Deutschlands. Wir dachten man könnte über die Bildung von islamischen Parallelgesellschaften hinwegsehen und es über Jahre hinnehmen, dass in nicht wenigen Moschee-Gemeinden in Deutschland islamistische Radikalisierung betrieben wurde und wird. Ganz offensichtlich hegten wir die Hoffnung, dass wir vom islamistischen Terror verschont bleiben würden, wenn wir uns beim Kampf gegen die Terrormiliz IS militärisch zurückhalten und in Syrien oder im Irak eher indirekt unterstützen. Inzwischen wissen wir, dass der islamistische Terror sich gegen jede freie und „ungläubige“ Gesellschaft richtet und unsere Sicherheit in Deutschland massiv gefährdet. Und plötzlich müssen wir feststellen, dass auch die Sicherheitskräfte des Bundes und der Länder aufgrund jahrelanger Unterfinanzierung nur sehr unzureichend einsatzfähig sind. Die Bevölkerung ist nicht erst im Zusammenhang mit dem tödlichen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin einigermaßen entsetzt über unser „Staatsversagen“, „Behördenversagen“ und weitgehenden Kontrollverlust im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise. Und es setzt sich nun die Auffassung durch, dass unser Leben in Freiheit nur möglich ist, wenn es auch durch verantwortungsbewusste Politik gesichert werden kann. Nach Feststellungen des Verfassungsschutzes werden knapp 10.000 Menschen in Deutschland dem Salafismus zugerechnet. Diese organisieren sich inzwischen nicht nur in Moschee-Gemeinden sondern zunehmend in Netzwerken und um sogenannte Hotspots von WhatsApp-Gruppen. In Deutschland werden derzeit nach Angaben des BMI 549 Menschen als islamistische Gefährder geführt, das sind Menschen, denen die Sicherheitsbehörden schwere Straftaten wie Terroranschläge zutrauen. Islamisten stellen hier die weitaus größte Gruppe, wenn man weiß, dass derzeit 20 Personen als rechte und 5 Personen als linke Gefährder eingestuft werden. Die Zahl der islamistischen Gefährder ist seit Dezember 2015 um über 100 Personen gestiegen. Das ist wahrlich kein zu vernachlässigendes Problem, wurde aber aus vermeintlicher political correctness - einer Sonderform des politischen Selbstbetruges - totgeschwiegen, zum erheblichen Nachteil der deutschen Bevölkerung.

Unser Rechtsstaat ist über die Jahre immer schwächer geworden. Unsere äußere und innere Sicherheit wurde mehr und mehr beeinträchtigt, weil wir teilweise ideologisch begündeten „Friedenseuphorien“ mehr Bedeutung beigemessen haben als einer an Realitäten orientierten wahrhaftigen und entschlossenen politischen Haltung zur Sicherung unseres Lebens in Freiheit und zur Mehrung des Wohls des deutschen Volkes auf der Grundlage unserer demokratischen Kultur. Unser Rechtsstaat wurde auch dadurch geschwächt, dass Gesetze und Regeln nicht konsequent eingehalten und durchgesetzt werden, weil es vor allem in rot-grün regierten Bundesländern an politischer Unterstützung für Sicherheitsbehörden mangelt und weil unsere jetzt überlasteten Gerichte offensichtlich in der Eile und im Zweifel gegen den Staat und zugunsten von Straftätern auf Mindeststrafen erkennen - und unsere Justiz ist wohl sehr häufig im Zweifel.

Positiv an unserer derzeitigen desolaten Lage ist, dass die deutsche Politik die Gefahren nicht länger ignorieren oder totschweigen kann. Die Bürger wollen die Wahrheit wissen und Taten zur Gefahrenabwehr sehen. Das zwingt die Politiker zu möglicherweise sehr unangenehmen aber notwendigen Entscheidungen für den Fortbestand unserer demokratischen Gesellschaft in Frieden und Freiheit.

Wenn sich die etablierten Parteien dieser Probleme nicht annehmen, werden sie abgewählt werden - nicht von postfaktischen Abgehängten, sondern vom intelligenten Mittelstand, der die Hauptsteuerlast für die Gewährleistung unseres Wohlergehens trägt und dieser Geld nicht länger verschwendet sehen will!

(09.01.2017)

 

 

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