Hans-Heinrich Dieter

Von der Leyen´s Schelte an „ihre“ Soldaten. (01.05.2017)

 

Bundesverteidigungsministerin von der Leyen hat im Zusammenhang mit der Festnahme eines terrorverdächtigen Soldaten im ZDF harsche Kritik an der Bundeswehr geübt und vermeintliche strukturelle Probleme in den Streitkräften eingeräumt: Die Bundeswehr habe ein Haltungsproblem, offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen und auch einen falsch verstandenen Korpsgeist, durch den Informationen nicht weitergegeben worden seien.

Die Verteidigungsministerin agiert hier offensichtlich nach dem Motto von Egozentrikern: Lieber einen Freund verlieren, als auf einen für mich positiven veröffentlichten Text verzichten!

Den Skandal um den terrorverdächtigen Bundeswehroffizier Franco A. sieht die Ministerin nicht als Einzelfall, denn er weise das gleiche Muster auf wie die Vorfälle sexualisierter Herabwürdigung in Pfullendorf sowie übelster Schikane in Sondershausen. Also ist für vdL der neuerliche „Skandal“ ein weiterer Beweis für schlechte Führung in den Streitkräften allgemein.

Die Ministerin fühlt sich unter Druck. SPD-Generalsekretärin Barley bezeichnete sie bereits als „Sicherheitsrisiko“. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Arnold, behauptet in der „Welt am Sonntag“, es habe bei der Bundeswehr nicht immer gut funktioniert, Rechtsradikale herauszufiltern, ohne Beweise oder Fakten zu nennen. Ihm und den Journalisten reicht da die schnöde und platte Behauptung: „Da wurde eindeutig zu wenig getan“. Auch die verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Buchholz, kritisierte in der „Welt“: „Es gibt ein unübersehbares Problem mit Rechtsextremismus in der Bundeswehr“, auch sie nennt keine Fakten. Da kann man wohl von Verbreitung alternativer Fakten ausgehen.

Es ist auch für die Soldaten nicht schön, wenn die Ministerin unter Druck gerät. Das darf aber für sie kein Grund sein, quasi links-populistisch zum Nachteil der Bundeswehr - für die sie ja die „Gesamtverantwortung“ trägt - zu reagieren. Frau von der Leyen sollte vielmehr Haltung zeigen und mitteilen, dass der Vorfall mit aller gebotenen Gründlichkeit untersucht, dann der Bundestag über die Ergebnisse und getroffenen Maßnahmen informiert wird und diese danach der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben werden.

Der Wehrbeauftragte des Bundestags Bartels (SPD) nannte die Bundeswehr „strukturell anfälliger“ als andere Bereiche der Gesellschaft. „Hierarchien, Waffen, Uniform - das zieht manchen Bewerber an, den die Bundeswehr nicht haben wollen kann“. Ab Juli 2017 würden alle neuen Soldaten einer Sicherheitsprüfung unterzogen werden. „Damit können bereits auffällig gewordene Nazis oder Islamisten leichter herausgefischt werden.“ Diese Aussage kann man nachvollziehen.

Das ist aber nichts Neues. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hat 2015 nach Angaben des Verteidigungsministeriums drei Soldaten und einen zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr als Rechtsextremisten enttarnt. Die Männer wurden aus der Armee entlassen, beziehungsweise in den frühzeitigen Ruhestand versetzt. Zudem entließ die Bundeswehr 2015 19 weitere Soldaten aufgrund von rechten Parolen, volksverhetzenden Äußerungen und Propagandadelikten frühzeitig aus dem Dienst. In anderen Fällen konnten Soldaten nach Disziplinarstrafen oder Bußgeldzahlungen weiter in der Truppe verbleiben. 2016 bearbeitete der MAD insgesamt 230 rechtsextremistische Verdachtsfälle, 149 rechtsextremistische Vorkommnisse wurden 2015 bekannt. Der MAD kann teilweise nur tätig werden, weil Vorgesetzte oder Kameraden solches Fehlverhalten zur Kenntnis geben. Es gibt deswegen keinen gerechten Grund, den Soldaten pauschal Haltungsprobleme, offensichtliche Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen und auch einen falsch verstandenen Korpsgeist vorzuwerfen.

Die Soldaten der Bundeswehr fühlen sich als Staatsbürger in Uniform und - von Ausnahmen abgesehen - der Führungsphilosophie der „Inneren Führung“ verpflichtet. Die Bundeswehr hat über lange Jahre ihren Personalnachwuchs für das Offizier- und Unteroffizierkorps aus Grundwehrdienstleistenden gewonnen. Das ist den Streitkräften in herausragender Weise - im Hinblick auf Qualität und Quantität - durch gute Führung, Ausbildung und Erziehung gelungen. Die Grundwehrdienstleistenden hätten sich sicher nicht durch generell brutale, rassistische oder fehlorientierte Ausbilder und Vorgesetzte für einen Dienst als Zeit oder Berufssoldat in der Bundeswehr überzeugen und auch begeistern lassen. Dabei hat man es den Vorgesetzten in der Bundeswehr nie leicht gemacht.

Die Soldaten der Bundeswehr mussten über alle Jahre in einer friedenseuphorisch orientierten, sicherheitspolitisch weitgehend ungebildeten und an der Bundeswehr - wenn es hoch kommt - freundlich desinteressierten Gesellschaft Dienst tun. Die Parlamentsarmee Bundeswehr muss damit leben, dass man Soldaten ungestraft als „potentielle Mörder“ bezeichnen darf und dass Parlamentarier, die ständig den Primat der Politik einfordern, es zulassen, dass die Streitkräfte spätestens seit der Wiedervereinigung stark unterfinanziert sind, als „Sanierungsfall“ bezeichnet werden und nur eingeschränkt einsatzfähig sind. Die Soldaten der Bundeswehr waren politischen Leitungen (beileibe keine Führungen) unterworfen, die über Jahre die Rüstungsbeschaffung nicht in den Griff bekommen haben, die die Unterfinanzierung der Streitkräfte nicht erfolgreich bekämpft haben, die die allgemeine Wehrpflicht überstürzt und ohne tragfähiges Konzept ausgesetzt haben, die die Bundeswehr von einer zu kurz gedachten Strukturreform in die andere jagen und denen es nie gelungen ist, die Bundeswehr auf der Grundlage definierter Ziele und verabschiedeter Strategien verantwortungsgerecht in Auslandseinsätze, teilweise unter Kriegsbedingungen, zu schicken. Die allgemeine Lage wird für die Bundeswehr dadurch erschwert, dass der größte Teil der Medien der Bundeswehr indifferent, ablehnend bis feindlich gegenübersteht. Da fühlen sich nicht wenige Soldaten sicher ein wenig dauergemobbt. Unter diesen Rahmenbedingungen fällt Nachwuchswerbung für Freiwilligenstreitkräfte sehr schwer.

Und nun werden die Soldaten der Bundeswehr pauschal, massiv und ungerecht kritisiert. Frau von der Leyen ist dabei, „ihre“ Soldaten zu verlieren, denn auch Soldaten - man mag es kaum meinen - haben eine Seele und lassen nicht gerne darauf herumtrampeln. Die Soldaten der Bundeswehr sehen außerdem Fürsorge und gerechte Behandlung als Teil der "Gesamtverantwortung" der Ministerin. Auch unter diesem Aspekt leistet die Ministerin der Nachwuchswerbung einen Bärendienst! Und Außenstehende müssen wohl mehr und mehr den Eindruck gewinnen, dass die Bundeswehr und Frau von der Leyen nicht zueinander passen. Die militärische Führung wird eine Menge Arbeit haben, um solchen Vertrauensverlust wett zu machen. Ein offener Brief der Ministerin mit fadenscheinigen Beteuerungen alleine reicht nicht!

(01.05.2017)

 

Bei Interesse lesen Sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/verstaubterklubdergestrigen.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/miserablerjournalismus.html

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte