Hans-Heinrich Dieter

SĂ€belrasseln der NATO?   (23.05.2014)

 

Auf die Frage, wie die NATO auf Russlands aggressive und völkerrechtswidrige Politik im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt reagieren soll, gibt es wenig konkrete Antworten, aber viele – oft ideologisch geprĂ€gte - Meinungen.

Immerhin haben wir es mit einer neuen Sicherheitslage in Europa zu tun. Russland will ganz offensichtlich nicht mehr Teil einer europĂ€ischen Friedensordnung sein. Russland versteht sich offenbar nicht mehr als Partner der NATO und der EuropĂ€ischen Union, denn Russland verhĂ€lt sich wie ein Gegner. Russland ist bereit, fĂŒr neoimperialistische Ziele das Völkerrecht zu verletzen und die NeutralitĂ€t sowie die IntegritĂ€t der Ukraine zu missachten und schreckt vor der Annexion eines Teils des ukrainischen Staatsgebietes nicht zurĂŒck.

Unter diesen UmstÀnden kann die NATO-Russland-Grundakte nicht mehr Richtschnur sicherheitspolitischen Handelns sein und solche Rahmenbedingungen erfordern geradezu ein Aussetzen aller AktivitÀten des NATO-Russland-Rates und sicherheitspolitische Reaktionen der NATO im Einklang und als VerstÀrkung unserer westlichen, werteorientierten Politik im Umgang mit der neuen Sicherheitslage und dem Ukraine-Konflikt.

In der NATO-Russland-Grundakte ist vereinbart, dass die NATO im Rahmen der NATO-Osterweiterung keine Kampftruppen und keine Nuklearwaffen in den neuen Mitgliedsstaaten stationieren wird. Daran hat sich die NATO gehalten. Der NATO-Oberkommandierende, General Breedlove, hat vor einiger Zeit die dauerhafte Stationierung von NATO-Truppen in den osteuropĂ€ischen MitgliedslĂ€ndern befĂŒrwortet, um NATO-Beistandsversprechen gegenĂŒber den neuen Mitgliedern - den baltischen Staaten und Polen – glaubhaft einzulösen. Dazu gibt es natĂŒrlich noch keinen Konsens der NATO-Mitgliedstaaten. Deswegen wird es wohl zunĂ€chst bei zusĂ€tzlichen militĂ€rischen Übungen und bei verstĂ€rkter Absicherung des Luftraumes der baltischen Staaten bleiben.

Die NATO muss aber Planungen vorantreiben, die eine Intensivierung solcher AktivitĂ€ten - bis hin zur dauerhaften Stationierung von Kampftruppen – kurzfristig möglich machen, wenn die russische Politik und das berechtigte SicherheitsbedĂŒrfnis unserer osteuropĂ€ischen NATO-Mitglieder das erforderlich machen. Wenn es zum Beispiel im Ukraine-Konflikt nicht zu einer diplomatischen Lösung kommt und eindeutig erkennbar wird, dass Russland militĂ€rische Mittel einsetzt, um weiter offensiv in der Ukraine vorzugehen, dann ist es durchaus vorstellbar, dass die NATO auf eine solche Provokation reagiert und tatsĂ€chlich dauerhaft KampfverbĂ€nde in den neuen Mitgliedsstaaten stationiert. Bis zum NATO-Gipfel im September 2014 wird das westliche VerteidigungsbĂŒndnis allerdings grundsĂ€tzliche Überlegungen anstellen mĂŒssen ĂŒber erforderliche Änderungen der Sicherheitspolitik gegenĂŒber Russland und ĂŒber Auswirkungen solcher Änderungen auf die NATO-Strategie. Und zweifellos mĂŒssen die NATO-Mitgliedstaaten ernsthaft darĂŒber nachdenken, wie die jahrelangen Versuche, die militĂ€rische Zusammenarbeit und die RĂŒstungskooperation zu intensivieren, endlich in konkretes Handeln umgesetzt werden können, um mit vertretbaren Ausgabensteigerungen die militĂ€rischen FĂ€higkeiten der Allianz deutlich zu steigern.

Bei allen berechtigten AktivitĂ€ten der NATO muss Grundsatz bleiben, dass die politische Krise in der Ukraine politisch gelöst werden muss und nicht als militĂ€rische Konfrontation wahrgenommen werden sollte. Es ist aber wichtig, dass die SouverĂ€nitĂ€t und territoriale IntegritĂ€t der Ukraine nicht in Frage gestellt wird, dass es keine weiteren Abspaltungen geben wird. Deswegen muss Putin vor weiteren VölkerrechtsbrĂŒchen abgeschreckt und das Vertrauen unserer Partner und VerbĂŒndeten mit Grenzen zu Russland gestĂ€rkt werden. Dazu muss die NATO sicherheitspolitische BeitrĂ€ge leisten. Die ÜberprĂŒfung der ReaktionsfĂ€higkeit, Einsatzbereitschaft und Stationierung der NATO- Truppen sowie die Überarbeitung entsprechender EinsatzplĂ€ne sind solche BeitrĂ€ge.

Folgerichtig hat sich Verteidigungsministerin von der Leyen schon am Anfang des Ukraine-Konfliktes fĂŒr eine stĂ€rkere Rolle der Nato ausgesprochen: "Jetzt ist fĂŒr die BĂŒndnispartner an den Außengrenzen wichtig, dass die Nato PrĂ€senz zeigt". DafĂŒr hat sie sich natĂŒrlich herbe Kritik der Gutmenschen, Putinversteher und linken Medien eingehandelt. Aber Polen und die baltischen Staaten kennen die Russen aus Sowjetzeiten sehr genau und sie verfolgen die Politik Putins illusionslos, mit nĂŒchternem Blick und berechtigtem Argwohn. Deswegen geht es hier nicht um NATO-SĂ€belrasseln und Umzingelung des russischen Imperiums. Es geht darum deutlich zu machen, dass die NATO nicht zusehen darf, kann und will, wenn die SouverĂ€nitĂ€t und die IntegritĂ€t des Staatsgebietes eines NATO-VerbĂŒndeten gefĂ€hrdet wird. Der Artikel 5 des NATO-Vertrages ist da eindeutige Richtlinie. Entsprechende Abschreckungsmaßnahmen mĂŒssen glaubhaft sein sowie verstĂ€rkt werden können und das erfordert gegebenenfalls eine stĂ€rkere PrĂ€senz von NATO-Truppen auf dem Territorium unserer osteuropĂ€ischen Partner.

Und weil die ost- und sĂŒdosteuropĂ€ischen NATO-Mitgliedstaaten ihren russischen Nachbarn so gut kennen, haben sie auch kein VerstĂ€ndnis fĂŒr planlos, beliebig und willfĂ€hrig wirkende deutsche Außenpolitik. Diese VerbĂŒndeten glauben Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nicht, wenn er behauptet: "Gleichzeitig wissen unsere Partner, dass wir ohne Wenn und Aber zur SolidaritĂ€t im BĂŒndnis stehen - und das nicht nur bei gutem Wetter", denn sie „wissen“ es eben nicht und vertrauen uns immer weniger.

Und noch weniger VerstĂ€ndnis haben unsere aufmerksamen BĂŒndnispartner fĂŒr „elder Lobbyisten“ wie Altkanzler Schröder, der sich aus schnöden GeschĂ€ftsinteressen ungebeten glaubt, in die deutsche Außenpolitik zum Vorteil Putins einmischen zu können. Das gilt auch fĂŒr „elder statesmen“ wie Altkanzler Schmidt, der die durch Putins aggressive Politik verĂ€nderte europĂ€ische Sicherheitslage nicht verstehen will und wenig werteorientiert weitreichendes „VerstĂ€ndnis“ fĂŒr Putin und die vermeintlich berechtigten russischen Interessen Ă€ußert. Es gilt aber auch fĂŒr andere sehr alt aber auch sehr unwichtig gewordene Politiker wie Egon Bahr, die unter allen UmstĂ€nden an der inzwischen gescheiterten deutschen SPD-Ostpolitik festhalten wollen. Solche „Politiker“ beeintrĂ€chtigen das Vertrauen in Deutschland als europĂ€ischer und NATO-Partner zusĂ€tzlich.

(23.05.2014)

 

 

 

nach oben

 

zurĂŒck zur Seite Klare Worte