Hans-Heinrich Dieter

Putins Propaganda    (18.04.2014)

 

Es heißt in der Erklärung: "Das Genfer Treffen zur Situation in der Ukraine hat sich auf erste konkrete Schritte geeinigt, um die Spannungen zu deeskalieren und die Sicherheit für alle Bürger wieder herzustellen. ...Alle illegalen bewaffneten Gruppen müssen entwaffnet werden. Alle illegal besetzen Gebäude müssen ihren legitimen Eigentümern zurückgegeben werden. Alle illegal besetzten Straßen, Plätze oder andere öffentliche Flächen in den ukrainischen Städten und Gemeinden müssen geräumt werden. ..." Außerdem hat man sich darauf geeinigt, dass eine Beobachtermission der OSZE eine führende Rolle bei der Unterstützung der ukrainischen Behörden und Kommunen übernehmen soll.

Angesichts der chaotischen Zustände und der Schwäche der Übergangsregierung der Ukraine, sowie der aggressiven Kriegspropaganda Putins freut man sich zunächst, dass beim Genfer Krisentreffen zur Ukraine am 17. April 2014 überhaupt eine verbale Einigung erzielt wurde. Westliche Regierungschefs freuen sich, Außenminister Steinmeier stellt fest, dass mehr erreicht wurde, als viele erwartet hatten, dass jetzt aber auch den Worten Taten folgen müssten, einzig Präsident Obama zeigt sich sehr verhalten und lässt seinen Außenminister Kerry gleich verschärfte Sanktionen ankündigen, wenn sich Moskau nicht an die vereinbarte Erklärung hält - und er hat allen Grund zu sehr verhaltener Freude, denn Putin hat bisher nichts Positives in den Konflikt eingebracht, im Gegenteil!

Es ist kein Zufall, dass Putin seine jährliche Fragestunde im russischen Fernsehen am Vortag der Genfer Gespräche abhält. So kann er mit seiner "Ermächtigung" durch das russische Parlament für einen russischen Einmarsch in die Ukraine glaubwürdig drohen, denn er hat ja einsatzbereite Verbände mit ca. 40.000 Soldaten an der Ostgrenze der Ukraine stehen, so kann er Druck auf die ukrainische Übergangsregierung ausüben und das Füllhorn von Lügen, Verdrehungen und Falschaussagen vor einem großen russischen Publikum ausschütten. Er kann die absurde Behauptung aufstellen, mit der Entsendung von Militär in die Ost-Ukraine habe die ukrainische Übergangsregierung ein weiteres, schweres Verbrechen begangen. Dass er sich mit seinen Darstellungen vor einem sachkundigen westlichen Publikum lächerlich macht stört Putin dabei nicht, er wendet sich an die "russische Seele" und an die russischsprachigen Bürger der Ukraine, deswegen gibt er auch zu, dass rund um das umstrittene Referendum auf der ukrainischen Halbinsel Krim Mitte März russische Soldaten vor Ort waren und dass er also in diesem Zusammenhang bisher gelogen hat. Und er spielt natürlich die Erpresserrolle im Zusammenhang mit der ukrainischen Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen - gleichzeitig als deutlichen Fingerzeig in Richtung einiger europäischer Staaten.

Aber Putin wäre ein schlechter Propagandist, wenn er nicht auch wohlklingende Lippenbekenntnisse von sich geben würde und den Auftritt seines Außenministers in Genf vorbereiten würde. Deswegen spricht er sich im Nachsatz zu seinen Invasionsdrohungen für eine Verhandlungslösung aus, er betont, dass die Krise mit Panzern und Flugzeugen nicht gelöst werden könne und er weist auf die zahlreichen gemeinsamen Interessen Russlands und der Ukraine hin - die russischsprachigen Regionen im Osten des Landes müssten allerdings Garantien erhalten.

Dem Regie führenden russischen Präsidenten fällt es nicht schwer, auf die von ihm vorgegebenen Fragen der Staats-Journalisten zu antworten. In diese Inszenierung passt auch die Zuschaltung des Ex-US-Geheimdienstmitarbeiters Snowden, der Putin im Zusammenhang mit der NSA-Affäre die sehr genehme Frage stellt: "Gibt es in Russland auch eine solche Massenausspähung?" Das weist der Ex-KGB-Agent Putin natürlich weit von sich: "Natürlich erlauben wir uns nicht solche massenhaften Ausmaße, solch ein unkontrolliertes Ausmaß" und er behauptet - sicher zum fassungslosen Erstaunen russischer Menschenrechtler - dass so etwas in Russland nicht möglich sei, weil die Geheimdienste sich "unter strenger Kontrolle der Regierung und der Gesellschaft" befänden und ihre Aktivitäten gesetzlich geregelt seien. Bei Twitter wird dieser willfährige Snowden als "Putins Pudel" bezeichnet, ein englischer Journalist sieht ihn als "Poor Snowden", köstlich und traurig zugleich, denn "Putins gehorsamer und schmusiger Zwergpinscher" ist für Snowden einfach passender. Putin spielt furios auf dem Propagandaklavier, dabei er hat viele Claqueure und auch in Deutschland genug "nützliche Idioten", die ihn gerne unterstützen.

Lawrow verkündet denn auch als Erster am 17. April 2014 abends eine Einigung auf eine schrittweise Deeskalation, so als ob sie hauptsächlich durch Russlands Vermittlung zustande gekommen sei. Er spricht von einem breiten nationalen Dialog, vom Schutz der Rechte der Bürger, von der "Entwaffnung illegaler bewaffneter Gruppen" in allen Regionen der Ukraine und bringt zum Ausdruck, dass alle besetzten Gebäude verlassen und den rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben werden müssten.

Lawrow weiß, dass er in der Propagandaschlacht weitere Vorteile erreicht hat, ohne dass es der westliche Gegner gleich merkt. Er hat keine russischen Zugeständnisse gemacht. Er hat nicht zugesagt, dass die russischen Truppen sofort von der Ostgrenze der Ukraine abgezogen werden. Er hat nicht erklärt, dass Russland auf eine Militärintervention in der Ostukraine verzichten und dass es keine weiteren Annexionen ukrainischer Regionen durch die russische Föderation geben wird. Er hat kein Signal an die militärisch bewaffneten "Demonstranten" in der Ostukraine gegeben, dass sie mit russischer Unterstützung illegaler Aktionen nicht zu rechnen haben. Aber es war sicher Lawrows Verhandlungsforderung, dass "alle" illegalen bewaffneten Gruppen entwaffnet und "alle" illegal besetzten Straßen, Plätze oder andere öffentliche Flächen in den ukrainischen Städten und Gemeinden geräumt werden müssen.

Damit hat sich Russland vordergründig verhandlungsbereit gezeigt. Real hat Putin aber Zeit gewonnen, denn die Maidan-Bewegung wird sich nicht so einfach von ihren "erstrittenen Rechten" verabschieden wollen, die prorussischen Separatisten sind keineswegs entmutigt und werden ihre Aktionen fortsetzen - mindestens solange der Maidan nicht vollständig geräumt ist. Die Ukraine ist weiterhin der russischen Gas-Erpressung und der akuten und unverhohlenen militärischen Invasionsdrohung Putins ausgesetzt. Die von Russland gewollte und orchestrierte Destabilisierung der Ukraine wird so anhalten. Russland andererseits hat die von den USA angekündigten "verschärften Sanktionen" zunächst nicht zu befürchten, denn die greifen nur, "wenn sich Moskau nicht an die vereinbarte Erklärung hält". Russland hat sich in der Erklärung allerdings zu keinerlei verbindlichen politischen Maßnahmen verpflichtet. Punktsieg für Putins Propaganda!

"Offene Gesprächskanäle" wurden genutzt, das wird in diesem Falle der ukrainischen Bevölkerung zunächst wenig nützen!

(18.04.2014)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte