Hans-Heinrich Dieter

Pistorius wird übermütig!   (13.05.2024)

 

„Die Bundeswehr hat von allem zu wenig,“ aber seit dem 24.02.2022 hat die Bundeswehr durch die Material- und Munitionsabgaben an die Ukraine und die Ausbildung der ukrainischen Soldaten noch weniger von allem, ohne dass die Nachbeschaffung bedarfsgerecht geleistet werden kann. Die Lastenbücher der Truppe sind also voller geworden, die Materiallager, die Bekleidungskammern, Munitionsdepots und Ersatzteillager hingegen nicht, auch weil die Bürokratie noch wuchert und das Beschaffungswesen nach wie vor zu behäbig ist. Dabei wird allein ein zweistelliger Milliardenbetrag aus dem Verteidigungsetat dringend gebraucht, um die Munitionsbestände für Ausbildung und Einsatz wieder aufzufüllen und Munitionslager zu bauen.

Boris Pistorius ist seit dem 19.01.2023 Bundesminister der Verteidigung. Er hat ein sehr schwieriges Erbe übernommen. Pistorius hat die Ärmel hochgekrempelt und das Image eines Machers erzeugt, sich intensiv mit der schwierigen Lage der Streitkräfte und der Verwaltung vertraut gemacht, sich bei der Truppe empathisch eingebracht und dabei die richtigen und passenden Worte gefunden. Schon nach kurzer Zeit ist Boris Pistorius nicht nur der beliebteste Verteidigungsminister, sondern auch der beliebteste Bundespolitiker. Es wäre schön für Soldatinnen und Soldaten, wenn diese Stellung zum Wohl der Truppe noch lange halten könnte. Aber auch dafür sind die Rahmenbedingungen schwierig!

Der Minister hat im Ministerium wichtige Personalveränderungen vorgenommen und wieder einen Planungsstab eingerichtet, um Schwung in die schwerfällige Behörde zu bringen. Bisher wirkt sich das noch nicht sichtbar genug aus. Die Umstrukturierung des eingeschränkt leistungsfähigen Beschaffungsamtes wird noch lange dauern und da wundert es nicht, dass es zu der „Hunderte Millionen Euro Funkgeräte-Panne“ gekommen ist. Die desaströse Bestellung ist zwar sechs Wochen vor seiner Amtsübernahme herausgegangen – Pistorius muss trotzdem mit der damit verbundenen starken Verzögerung der für 2024 der NATO versprochenen ersten einsatzbereiten Division fertig werden. Und somit verzögert sich wohl auch das Projekt, die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte bis 2031 für die Landes- und Bündnisverteidigung nach NATO-Kriterien wiederherzustellen. Das erfordert eine eindeutige Schwerpunktbildung und hier schwächelt der Minister und hat deswegen auch noch nicht viel erreicht!

Zwar hat der Verteidigungsminister vor den Eckwerteverhandlungen zum Haushalt 2024 wohlbegründet einen Aufwuchs von mindestens 10 Milliarden Euro für Verteidigungsinvestitionen gefordert, um der kaputtgesparten Bundeswehr allmählich auf die Füße zu helfen. Er hat sich, wie wir seit den Entscheidungen zum Bundeshaushalt 2024 wissen, nicht durchgesetzt! Und darüber hinaus hat er auch nicht erreicht, dass der Verteidigungshaushalt 2% vom BIP für Verteidigungsinvestitionen ermöglicht, ohne auf das Sondervermögen zurückzugreifen. Und die mittelfristige Finanzplanung bis 2027 bringt zum Ausdruck, dass Deutschland die NATO-Vereinbarungen nicht einhalten wird. Das führt zu Vertrauensverlust unserer Partner in Deutschland – und unserer Soldaten in Pistorius.

In dieser nicht einfachen Lage hat Pistorius beim letzten NATO-Gipfel Ende Juni 2023 in Vilnius vollmundig angekündigt, Deutschland werde schon bald eine Kampfbrigade des Heeres mit etwa 4000 Soldaten dauerhaft in Litauen stationieren. Weder das eigene Ministerium noch die Bundeswehr oder das Nato-Hauptquartier wussten von den Plänen. Und bis heute gibt es nicht viel mehr als diese Ankündigung und ein Vorkommando in Litauen. Es müssen sich 4000 Soldaten finden, die dauerhaft im Baltikum - teilweise mit Familien – stationiert sein wollen. Auch diese Brigade muss digitalisiert und volleinsatzfähig sein. Dazu müssen auch die kompatiblen Funkgeräte eingebaut werden können. Doch der Plan für die „Litauen-Brigade“ konkretisiert sich sehr langsam. Klar ist allerdings, dass für dieses Projekt 11 Milliarden Euro zusätzlich gebraucht werden und die hat er noch lange nicht! Ich finde es richtig und wichtig, dass auch Deutschland sich in der NATO für die Abschreckung und auch gegebenenfalls für die Verteidigung des Baltikums engagiert, bin aber der Meinung, dass einmal mehr deutsche „Führung“, „Unterstützung“ und Hilfe versprochen werden, ohne die Versprechen zeitgerecht einlösen zu können. Deutschland ist darüber hinaus eine parlamentarische Demokratie. Die Entscheidung über eine dauerhafte Stationierung deutscher Truppen im Ausland hat der Bundestag zu treffen. Bisher ist noch nicht einmal über eine solche weitreichende „Ankündigung“ im Bundesstag diskutiert worden. Pistorius hat in dem Zusammenhang wenig parlamentarisches Verständnis gezeigt und muss aufpassen, dass er nicht auch zum „Ankündigungsminister“ wird!

Und nun fordert Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erneut mehr Geld für den Haushalt 2025, nämlich eine Erhöhung von 6,7 Milliarden Euro. Weiter braucht er die zusätzlichen 11 Milliarden Euro für die neue Brigade in Litauen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hingegen möchte 20 Milliarden Euro im Bundeshaushalt einsparen. Doch seinen Parteikollegen, ob im Kanzleramt oder Fraktion, sind die Wünsche bisher herzlich egal. Nicht mal beim Betrieb eines wichtigen Gefechtsübungszentrums kann Pistorius die Interessen der Bundeswehr durchsetzen. Und so ist weiterhin völlig unklar, wie die nötige Verdopplung des Etats auf 90 bis 100 Milliarden Euro nach dem Auslaufen des sogenannten Sondervermögens nach 2027 erreicht werden soll. Hier zeichnet sich erneut ab, dass Pistorius sich wohl nur unzureichend durchsetzen kann. Und so bleibt Deutschland wohl noch eine Weile ein „sicherheitspolitischer Zwerg!“

Und vor diesem Hintergrund reist Pistorius durch Nordamerika. In Washington versicherte er der NATO-Führungsmacht, dass Deutschland zu einer sicherheitspolitischen Führungsrolle in Europa bereit sei und die militärischen Fähigkeiten dafür bereitstellen wird. Und weiter: Deutschland sei ein standfester Verbündeter und fähig und bereit, seine Aufgabe im Bündnis und in der globalen Politik zu übernehmen. (Als Obama vor langer Zeit Deutschland „Partnership in Leadership“ angeboten hatte, lehnte Merkel das aus sehr guten Gründen ab!) Bei seinem anschließenden Besuch in Kanada kündigte Pistorius dann an, er werde spätestens in drei Wochen einen Vorschlag zur Zukunft der Wehrpflicht in Deutschland vorlegen. Pistorius wollte in den USA und in Kanada einen guten Eindruck hinterlassen und die NATO als bewährte Transatlantische Partnerschaft bekräftigen.

Die Haushaltsverhandlungen der kommenden Wochen werden deutlich machen, wie glaubhaft Pistorius ist. Da habe ich wenig Hoffnung auf Erfolg. Denn für eine sicherheitspolitische Führungsrolle Deutschlands fehlen bis mindestens 2031 die dafür erforderlichen einsatzfähigen Streitkräfte und die dafür erforderliche Munition. Für eine Führungsrolle braucht man außerdem geeignetes politisches Führungspersonal, „Scholzen“ kann Führung nicht ersetzen. Für eine Führungsrolle werden außerdem grundlegende nukleare Fähigkeiten gebraucht, die sind mit der SPD und den Grünen nicht und mit anderen Voraussetzungen nur sehr langfristig und mit sehr hohem Kostenaufwand zu gewährleisten. Die Bundeswehr leidet außerdem unter erheblichem Personalmangel, der nur mit einer Allgemeinen Dienstpflicht behoben werden kann – davon sind wir noch weit entfernt und die Bundeswehr wird noch lange „von allem zu wenig“ haben.

Der Minister hat Kriegstüchtigkeit angekündigt. Darum muss er sich schwerpunktmäßig kümmern – weniger um vollmundige PR!

(13.05.2024)

 

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